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In „Im Rausch der Tiefe“ von Luc Besson liefern sich Jean-Marc Barr und Jean Reno einen Wettstreit – erfasst in großen Bildern, die uns in eine artifizielle Welt ziehen.

Im Rausch der Tiefe (1988)

Eine Filmkritik von Andreas Köhnemann

Look & Feel

Mit dem Begriff cinéma du look wird (im engeren Sinne) eine Gruppe von französischen Filmen bezeichnet, die zwischen den frühen 1980er Jahren und Mitte der 1990er Jahre entstand und durch stilisierte Orte und Figuren charakterisiert ist. Zu diesen Werken zählen etwa „Diva“ (1981) und „Betty Blue – 37,2 Grad am Morgen“ (1986) von Jean-Jacques Beineix, „Subway“ (1985) von Luc Besson oder „Die Liebenden von Pont-Neuf“ (1991) von Leos Carax. Das cinéma du look gibt sich stets lustvoll der glatten Oberfläche hin; der eher zweitrangige Plot kombiniert derweil diverse Genre-Elemente.

Auch Bessons Im Rausch der Tiefe aus dem Jahre 1988 kann dieser filmischen Bewegung zugeordnet werden. Die Geschichte lehnt sich sehr lose an die Biografien der beiden Apnoetaucher und -pioniere Jacques Mayol und Enzo Maiorca an, die in ihrer Disziplin mehrere Weltrekorde aufstellten und immer wieder selbst brachen.

Das Werk ist indes weit davon entfernt, ein klassisches Biopic zu sein, das uns auf akkurate Weise von den Lebensstationen dieser zwei Männer erzählen will. Vielmehr dient die Leidenschaft des ungleichen Duos für das Wasser, für Le grand bleu (wie der Film im Original heißt) dazu, in entrückter Übersteigerung, ohne den Anspruch an (Sozial-)Realismus oder an psychologische Ausgestaltung in den einnehmenden Bildern des Kameramanns Carlo Varini zu schwelgen.

Die Story beginnt in der Pubertät, mit edlen Schwarzweißaufnahmen auf einer griechischen Insel. Der Italiener Enzo ist ein vorlauter Draufgänger, der etwas jüngere Franzose Jacques hingegen ein introvertierter Träumer. Was die beiden verbindet, ist die Hingezogenheit zur mythisch anmutenden Welt unter der Meeresoberfläche und die Gabe, mit nur einem Atemzug lange unter Wasser bleiben zu können.

Jahre später – und jetzt in satten Farben – stellt Jacques (nun verkörpert von Jean-Marc Barr) seine Fähigkeit der Forschung zur Verfügung, während Enzo (Jean Reno) versucht, daraus möglichst viel Kapital zu schlagen. Obendrein hat Letzterer es wiederholt zum Weltmeister gebracht. Als Enzo Jacques nach all der Zeit ausfindig macht, um ihn bei einem Wettkampf in Sizilien herauszufordern, ist dies der Auftakt einer fatalen Gegnerschaft, in der es schon bald keine Grenzen mehr gibt.

Neben dem Wettbewerb zwischen Enzo und Jacques, der nicht nur von der Gegensätzlichkeit der beiden Figuren und Darsteller lebt, sondern auch von der spürbaren Verbindung und Chemie zwischen ihnen, schildert Im Rausch der Tiefe auch eine Romanze: Die New Yorker Versicherungsagentin Johana (Rosanna Arquette) begegnet Jacques in den Anden und ist sofort fasziniert von dem rätselhaften Taucher. Die Inszenierung arbeitet mit Zeitlupeneinstellungen und dramatisch-expressiven Close-ups, um die Wucht der Gefühle zu vermitteln. Hinzu kommt die von Synthesizer-Klängen geprägte Musik von Éric Serra, die dem Ganzen in einem perfekten Zusammenspiel mit den Farb- und Lichteffekten auf der visuellen Ebene eine enorme Sinnlichkeit verleiht.

Als schmachtende, leicht tollpatschige Frau entspricht Johana hier einem reinen Rollentyp – so wie auch Jacques und Enzo keine dreidimensionalen Charaktere sind. Dennoch statten Arquette, Barr und Reno diese verliebt, verträumt oder verbissen taumelnden Gestalten mit Emotionen aus, auf die wir uns einlassen können. Zum look kommt so ein feel, durch das der Rausch erst richtig zu funktionieren vermag. Er stamme von einem anderen Planeten, heißt es an einer Stelle über Jacques; mehrmals wird er mit einem Delfin verglichen. Im Rausch der Tiefe ist ein wunderbar dunkel funkelndes Märchen, das (jetzt erneut) auf der Kinoleinwand besonders eindrücklich glitzert.

Im Rausch der Tiefe (1988)

Griechenland, 1950: Jacques und Enzo brechen alle Rekorde: Jacques kann am tiefsten tauchen und Enzo kann am längsten unter Wasser bleiben. Zwanzig Jahre später treffen sie sich erneut, als Konkurrenten in derselben subaquatischen Meisterschaft. Die Herausforderung: nicht nur am tiefsten Tauchen, sondern auch über die längste Zeitspanne hinweg. Wer wird das Rennen machen? (Quelle: Studiocanal)

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