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Was kann eine Gesellschaft tun, deren Regierung ihre Macht für eigene Interessen missbraucht? „Official Secrets“ erzählt die Geschichte der britischen Whistleblowerin Katharine Gun, die fast den Irak-Krieg verhindert hätte. Doch gelingt dem Film dabei die Verbindung von Persönlichem und Politischem?

Official Secrets (2019)

Eine Filmkritik von Lars Dolkemeyer

Alles riskieren, um nichts zu gewinnen

Beinahe hätte eine junge Frau den Irak-Krieg verhindert: Die britische Geheimdienstmitarbeiterin Katharine Gün machte 2003 ein Dokument öffentlich, in dem die NSA den britischen Geheimdienst dazu auffordert, Informationen über Diplomaten jener Mitgliedstaaten des UN-Sicherheitsrates zu beschaffen, die sich einem Votum für den Krieg gegen Saddam Hussein verweigerten. Gavin Hoods Film „Official Secrets“ rückt diese Geschichte in das Licht einer zeitgemäßen Parallele: Politische Institutionen müssen Rechenschaft über das ablegen, was sie im Namen einer Gesellschaft tun. Die Verbindung zur persönlichen Erzählung einer außerordentlich mutigen jungen Frau gelingt dabei jedoch nicht immer.

Als Dolmetscherin transkribiert Katharine Gun (Keira Knightley) – der Film entscheidet sich für die angepasste Schreibweise des Nachnamens Gün – mitgeschnittene Telefonate. Als sie jedoch ein Memo der NSA erhält, das zu illegalen Abhöraktionen gegen Verbündete im UN-Sicherheitsrat auffordert, entscheidet sie sich für ein persönliches Wagnis im Dienste der Öffentlichkeit: Sie druckt das Schreiben aus und übergibt es einer Anti-Kriegs-Aktivistin, die es den Medien zugänglich machen soll. Einige Wochen später veröffentlicht Journalist Martin Bright (Matt Smith) das Schriftstück in der Tageszeitung Observer – und tritt damit eine Welle öffentlicher Empörung über das Vorgehen der USA los. Wenn auch die Invasion im Irak nicht verhindert werden konnte, nachdem Großbritannien und die USA ein Eingreifen auch ohne UN-Resolution für legitim erklärten, so ist Katharine Gun doch überzeugt, das Richtige getan zu haben. Sie stellt sich ihren Vorgesetzten im vollen Bewusstsein der möglichen Konsequenzen.

Die Fronten des Films sind eindeutig: Auf der einen Seite stehen die Regierungen – Bush und Blair – und ihr Interesse an einem Krieg gegen den Irak, der mit fadenscheinigen Argumenten öffentlich vertreten werden soll. Auf der anderen Seite steht ‚die Bevölkerung‘, die Gesellschaft, die Menschheit in einem größeren Rahmen. Katharine Gun fungiert als Schnittstelle: Regierungen dürfen nur soweit handeln, wie sie die Interessen derjenigen Menschen vertreten, von denen sie gewählt wurden. Mehr noch: Regierungen sollten überhaupt nur insoweit handeln, wie sie die Gemeinschaft aller Menschen nicht in das Leid und Chaos eines Krieges stürzen.

Die politische Dimension des Films entfaltet sich vor dem Hintergrund gegenwärtiger Debatten, die passender kaum sein könnten. Während die Vorgänge zu einer Amtsenthebung Donald Trumps Fahrt aufnehmen und seit Wochen internationales Thema sind, ist die vordergründige Botschaft von Official Secrets geradezu übermäßig deutlich: Handele im Sinne des Rechts und des Wohlergehens aller Menschen auf der Welt, auch wenn es deine persönliche Lebensqualität zu zerstören droht. Fordere Regierungen zur Verantwortung, die ihre Befugnisse überschreiten und missbrauchen. Stehe auf und scheue dich nicht vor den Konsequenzen, die du dafür riskieren musst.

Die Erzählung einer jungen Frau, die für ebenjene Überzeugungen ihr Leben und ihre Ehe mit einem kurdischen Türken riskiert, der schnell ebenfalls zum Ziel der Ermittler wird, droht jedoch immer wieder hinter den abstrakten politischen Vorgängen zu verschwinden. Allzu oft reduziert der Film die komplexe Angelegenheit persönlicher Opfer, die im Kampf für eine gerechtere Welt gebracht werden, auf eingängige Schlagsätze, die bedeutungsschwer im Raum stehen können. Ein großes Glück für den Film ist die nuancierte Strahlkraft seiner Hauptdarstellerin Keira Knightley, die der schematischen Flächigkeit der politischen Argumentation immer wieder eine Tiefe abringen kann – auch wenn der Film selbst das Interesse an ihrer Figur schnell zu verlieren scheint. Kaum beginnen die Ermittlungen gegen Katharine Gun, verschiebt sich der Fokus auf ihren Anwalt, den Menschenrechtler Ben Emmerson (Ralph Fiennes). Was als Film über eine mutige Frau beginnt, die in vollem Bewusstsein der Tragweite ihr privates Glück aufs Spiel setzt, wird dadurch immer mehr zu einem Film über eine verwundbare, hilfsbedürftige Figur, deren Rettung im allzeit mit scharfem Verstand an ihrer Seite kämpfenden Anwalt liegt.

Der großen politischen Aussagekraft fehlt es dabei schließlich an der Menschlichkeit, die in Katharine Guns Figur lediglich auf eine Dimension verflacht. Daran vermag auch Keira Knightleys Spiel letztlich nichts zu ändern. Drei Anliegen schlummern in Official Secrets: ein klares Plädoyer für das Aufbegehren gegen Regierungen, die ihre Macht missbrauchen; die persönliche Perspektive einer Frau, die heldenhaft für das Gute einsteht; ein Journalismus- und Courtroom-Drama, das sich voller Energie in die verwinkelten Schachzügen öffentlicher Meinungsfindung vertieft. Keines davon gelangt jedoch in Official Secrets zu voller Blüte.

Official Secrets (2019)

„Official Secrets“ erzählt die Geschichte von Katharine Gun, einer Mitarbeiterin des britischen Geheimdienstes, die als Whistleblowerin ein als „Top Secret eingestuftes Memo der National Security Agency leakte. Das Memo, das Spähaktionen britischer und US-amerikanischer Geheimdienste gegen Mitglieder des United Nations Security Council enthüllte, zeigte auch, wie unentschlossene Mitglieder des Councils dazu gebracht werden sollten, für einen Krieg gegen den Irak zu stimmen.

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Meinungen

Rolf Jaussi · 21.11.2019

Danke für die Bewertung des Filmes. Leider fehlt der Hinweis auf Edward Snowden und Julian Assange, die, insbesondere Assange, das ganze Leiden eines Whistleblowers durchmachen. Solange die Nachricht (der leak) noch heiß ist, stürzen sich alle Medien darauf. Wenn aber die Saatsmacht zuschlägt, dann ist das Thema out. Das ist das Hauptproblem der whistleblower! Das scheint im Film nicht vorzukommen, das wäre aber die entscheidende Botschaft!
Grüße R. Jaussi