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Rory MacNeil ist ein schottischer Eigenbrötler, wie er im Bilderbuch steht. Aber all seine Griesgrämigkeit löst sich in Luft auf, als er seinen Enkel Jamie im fernen Amerika kennenlernt. Diese Läuterung geht natürlich nur vonstatten, weil etwas Einschneidendes in seinem Leben geschieht…

Das etruskische Lächeln (2018)

Eine Filmkritik von Silvy Pommerenke

Die Läuterung eines Griesgrams

Die malerische Kulisse der Äußeren Hebriden bringt wahre Kerle hervor. Männer, die wenig sprechen, dafür aber umso trinkfester sind. Rory MacNeil (Brian Cox) ist einer dieser wortkargen Typen, die sich morgens gerne in die Fluten des Atlantischen Ozeans schmeißen, um erfrischt in den Tag zu starten und die Reste des vorabendlichen Whiskys vertreiben.

Die immer häufiger auftretenden Schmerzen ignoriert er so gut es geht, beziehungsweise er lässt sich von dem ortsansässigen Tierarzt mit Medikamenten versorgen, die sonst Pferde und Ochsen lahmlegen. Irgendwann ist allerdings der Bogen überspannt und der Veterinärmediziner lehnt jede weitere Behandlung ab. MacNeil soll sich stattdessen in den USA behandeln lassen. Zwar hat sich MacNeil geschworen, nie sein geliebtes Heimatland zu verlassen, aber eine andere Alternative gibt es zurzeit nicht. Und warum nicht das Nützliche mit dem Angenehmen verbinden? Denn sein Sohn Ian (JJ Feild) ist im fernen San Francisco ein erfolgreicher Molekularküchen-Sou-Chef geworden, der eine reizende Frau und mittlerweile auch einen Sohn hat. Also führt der Weg von der schottischen Einöde in das pulsierende Leben einer der hipsten Städte der Welt. 

Rory stößt natürlich auf alle möglichen Unwegsamkeiten und Hindernisse. Sei es, dass er Wolkenkratzer absolut unmöglich findet, weil ein Mann seine Wohnung zu Fuß und nicht mit dem Fahrstuhl erreichen müsse, dass er das Essen seines Sohnes aus dem Chemiebaukasten äußerst befremdlich und die Erziehungsmethoden des Babys unter aller Kanone findet und nicht zuletzt den einheimischen Getränken die kalte Schulter zeigt und lieber auf den literweise illegal eingeführten Scotch Whisky zurückgreift. 

Der grantige alte Mann erobert trotzdem mit seinen markigen Sprüchen und den gälischen Ausdrücken ganz schnell das Herz des Zuschauers. Von der Figur her ähnlich dem verschrobenen Käptn Haddock aus Tin Tin, verzeiht man ihm die ein oder andere sexistische oder politisch unkorrekte Äußerung, denn bei all seiner Exzentrizität gibt er doch immer auch wahre Sätze von sich und hinterfragt die scheinheilige US-amerikanische Welt, die sich gerne überheblich gegenüber anderen Nationen verhält und in ihrer Oberflächlichkeit kaum noch zu übertreffen ist. Das alles ist für das pragmatische und – im besten Sinne gemeint – provinzielle Herz des alten MacNeil zu viel. Erst recht, als er vom amerikanischen Arzt eine vernichtende Diagnose erhält …

Dank der schnell wachsenden Liebe zu seinem Enkelsohn, der sich langsam entschärfenden Anspannung zu seinem Sohn und der hitzigen späten Liebe zu Claudia (Rosanna Arquette), einer Museumsdirektorin, die ihm ganz nebenbei auch das Geheimnis des etruskischen Lächelns offenbart, wird aus dem Raubein MacNeil doch noch ein liebenswerter Kerl. Moral von der Geschicht‘: es ist nie zu spät, um alte Konflikte zu bearbeiten und ein besserer Mensch zu werden.

Was ein tränenreiches Drama hätte werden können, entwickelt sich schnell als leiser, aber äußerst amüsanter Film! Der Charakter von Rory MacNeil (mehr als großartig dargestellt von Brian Cox) entwickelt sich im Laufe der knapp zwei Stunden und zeigt einen vielschichtigen Mann, der nicht nur griesgrämig und misanthropisch ist, sondern der charmant sein kann, das Herz auf dem rechten Fleck trägt und neben des ganzen zur Schau gestellten Machotums auch eine weiche Seite in sich trägt. Seine Liebe zu seiner Heimat fängt Kameramann Javier Aguirresarobe in bildgewaltigen Landschaftsaufnahmen ein und stellt diese konträr zu der naturfernen Betonwüste und permanent illuminierten Großstadt San Francisco. Krasser können Gegensätze kaum sein. 

Interessant ist es, wie die deutsche Synchron-Fassung mit den gälischen Ausdrücken umgeht. Wie auch immer das gelöst wird, so sei dem Zuschauer die Originalfassung doch ans Herz gelegt, denn sowohl das Gälische als auch das schottische Englisch sind etwas, was unbedingt im Original gehört werden sollte und so manches Mal zum Schmunzeln anregt.

Das etruskische Lächeln (2018)

Basierend auf dem gleichnamigen Roman von José Luis Sampedro erzählt „Das etruskische Lächeln“ die Geschichte eines alten Mannes, der sich aus gesundheitlichen Gründen auf eine schottische Insel zurückgezogen hat. Dort entdeckt er durch die Liebe zu seinem Enkel, worauf es im Leben wirklich ankommt.

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Meinungen

Roland Hemmo · 13.04.2018

Sie wissen noch gar nicht wie die deutsche Synchronfassung ist, urteilen vorab aber darüber!?
Wir haben Stunden an den gälischen Sätzen gearbeitet!
Schön, dass das Wort Synchronfassung überhaupt in Ihrer Kritik vorkommt aber bitte etwas mehr Wertschätzung unserer Arbeit.
Roland Hemmo, die Synchronstimme von Brian Cox in diesem Film.

Ursula · 11.12.2021

Hallo Herr Hemmo, Sie haben wirklich eine gute Arbeit geleistet. Da ich selbst Gälisch lerne, konnte ich das Gälisch sogar verstehen! Das Problem mit jeder Synchronisation ist trotzdem, dass so viel Athmosphäre verloren geht. Ich habe mir den Film im Zug angesehen und konnte dort auf keine Originalfassung zugreifen. Die Bedeutung, die sich allein durch den Unterschied zwischen schottischem und US-amerikanischem Akzent ergibt, verschwindet dabei total. Die schottische Satzmelodie ist so besonders, sie spiegelt die Landschaft, ich spüre das Land durch den Akzent, und das geht bei der Synchronisation verloren. Das ist ähnlich wie bei David Bowies Film "The man who fell to earth". Welcher Bowie-Fan will sich einen synchronisierten Bowiefilm ansehen? Aber nochmal, Sie haben wirklich Ihr Bestes gegeben, danke dafür. Das ist so ein schöner Film.