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Friede, Freude, Eierkuchen im 1950er-Jahre-Paradies einer luxuriösen Firmensiedlung? Mitnichten, wie die von Florence Pugh fulminant gespielte Hausfrau bei genauerem Hinsehen erkennt. Olivia Wildes zweite Regiearbeit wandelt auf bekannten Pfaden, macht atmosphärisch aber einiges her.

Don't Worry Darling (2022)

Eine Filmkritik von Christopher Diekhaus

Ordnung ist das ganze Leben

Gleich mit ihrer ersten Regiearbeit, der gewitzten Highschool-Komödie „Booksmart“, empfahl sich die bis dahin als Schauspielerin bekannte Olivia Wilde für weitere Aufgaben hinter der Kamera. Nach diesem eher luftig-schwungvollen Auftakt wandte sich die von vielen Studios umworbene Filmemacherin einer abgründigen Geschichte zu, die ursprünglich aus der Feder der Brüder Carey und Shane Van Dyke stammt. Katie Silberman, eine Booksmart-Mitstreiterin, nahm sich der Überarbeitung des existierenden Drehbuchs an und lieferte schließlich die Vorlage für Wildes zweiten Spielfilm „Don’t Worry Darling“, der bei seiner Premiere in Venedig für viele Diskussionen sorgte. Der Abgang des anfänglich gecasteten Shia LaBeouf, Liebeswirren bei den Dreharbeiten, angebliche Streitigkeiten zwischen der Regisseurin und ihrer Hauptdarstellerin Florence Pugh sowie eine vermeintliche Spukattacke bestimmten die Schlagzeilen nach der Aufführung. Das, was eigentlich im Zentrum stehen sollte, das filmische Werk nämlich, geriet zuweilen komplett aus dem Blick.

Die Spekulationen wollen wir an dieser Stelle natürlich nicht befeuern. Don’t Worry Darling bietet auch so genügend Anlass zum Debattieren. Was schon nach wenigen Minuten auffällt: Olivia Wilde hat ein Auge für tolle Bilder und ein Gespür für Stimmungen. Gemeinsam mit Kameramann Matthew Libatique und Szenenbildnerin Katie Byron erschafft sie eine leuchtend-anziehende 1950er-Jahre-Welt, die vor Detailfreude nur so strotzt. Einerseits kann man sich an den Aufnahmen einer mitten in die Wüste gepflanzten Firmenstadt mit akkurat angelegten, luxuriösen Häusern nicht sattsehen. Andererseits wirkt die aggressive Strahlkraft schnell verdächtig. Das kleine, sich selbst versorgende Refugium im Nirgendwo ist ein Ort für große Utopien, wie es Gründer Frank (Chris Pine) nicht müde wird, zu betonen.

Victory, so der programmatische Name der blankgeputzten Siedlung, steht für eine glorreiche Zukunft, in der die Menschheit einen Schritt nach vorne machen soll. Teil dieser sonnendurchfluteten Idylle ist auch die junge Alice Chambers (Florence Pugh), die sich, wie alle Ehefrauen, jeden Tag liebevoll um Haus und Hof kümmert, während ihr Gatte Jack (Harry Styles) in der Zentrale des sogenannten Victory-Projektes seiner streng geheimen Arbeit nachgeht. Dass Ordnung hier an oberste Stelle steht, zeigt sich bereits im allmorgendlichen Abschiedsritual, das der Film wunderschön aus der Vogelperspektive einfängt. Winkend stehen die Frauen vor ihren Häusern und schauen ihren Männern nach, die, wie in einer Choreografie, mit ihren Autos zum Hauptquartier aufbrechen.

Don’t Worry Darling ist beileibe nicht der erste Film, der in einer perfekt erscheinenden Welt dunkle Triebe zutage fördert, beackert vielmehr ein Feld, das etwa David Lynch Mitte der 1980er Jahre mit Blue Velvet abgesteckt hat. Als größten Referenzpunkt – darum muss man nicht lange herumreden – lässt sich früh Ira Levins feministische Gruseldystopie Die Frauen von Stepford und deren Verfilmung durch Brian Forbes identifizieren. Ähnlich wie dort wird es gefährlich, wenn es jemand wagt, die Ordnung der Dinge und die festgelegten Geschlechterrollen zu hinterfragen, die glitzernde Fassade zu durchbrechen. Alice – der Name weckt Erinnerungen an die eine geheime Welt entdeckende Hauptfigur von Lewis Carrolls Kinderbuch Alice im Wunderland – stolpert über Seltsamkeiten, geht den Irritationen nach und wird daraufhin, ein klassisches Motiv im Horror und Thriller-Kino, zur Hysterikerin, zur Verrückten abgestempelt.

Olivia Wilde, die auch in einer Nebenrolle zu sehen ist, und Drehbuchautorin Katie Silberman nehmen sich viel Zeit, um das Publikum in den Schauplatz und das so durchorganisierte Leben der Protagonistin einzuführen. Don’t Worry Darling drückt nicht aufs Gaspedal, streut allerdings regelmäßig unbehagliche Momente, verräterische Blicke und unterschwellig bedrohliche Äußerungen ein, die das Paradies kontinuierlich verfinstern. Geschickt ist auch der Umgang mit der Tonspur. Dominieren anfangs beschwingte, optimistische 1950er-Jahre-Songs, wird der Film mit zunehmender Dauer von unruhigen, brodelnden Klängen übernommen.

Dass der Mystery-Thriller Spannung erzeugt, obwohl das Muster – hübsches Äußeres, finsterer Kern – alles andere als originell ist, liegt nicht zuletzt an Florence Pugh. Verletzlichkeit, Abhängigkeit, Verwirrung und wilde Entschlossenheit balanciert die Britin hervorragend aus. Seit ihrem Durchbruch mit dem fröstelnden Kostümdrama Lady Macbeth führt ihr Weg steil nach oben, wobei sie gerne – siehe Aris Asters Folkloreschocker Midsommar – ungemein herausfordernde Rollen übernimmt. Aus dem Ensemble sticht ferner der oft unterschätzte Chris Pine hervor, der als phrasendreschender Führer der sektenartig wirkenden Victory-Gemeinschaft das richtige Maß an Unbehagen heraufbeschwört. Ein Knistern stellt sich auf der Leinwand vor allem während eines Abendessens ein, bei dem sich Alice und Frank ein nervenaufreibendes Wortgefecht liefern.

Ins Stolpern kommt Don’t Worry Darling ausgerechnet da, wo aus einem reizvollen ein richtig starker Film mit feministischem Statement werden könnte. Weiß das build-up größtenteils zu überzeugen, schaffen es der Twist, auf den alles zusteuert, und der dritte Akt beim besten Willen nicht mitzuhalten. Gruselige Sehnsüchte und Geschlechterzuschreibungen, die in der Realität existieren, werden hier zwar beherzt aufgegriffen. Zu hastig und unsauber präsentiert sich jedoch der Erkenntnisgewinn der Protagonistin. Zu wenig Raum bekommen die Beziehungen der Figuren. Schlagworte gewinnen gegenüber einem präzisen Blick die Oberhand, was dem Geschehen ein gutes Stück seines Verstörungspotenzials raubt. Da Wilde in den letzten Minuten noch einmal zwei Gänge hochschaltet, bleibt man dran. Nach dem vielversprechenden Vorlauf hätte man sich dennoch etwas mehr erhofft.

Don't Worry Darling (2022)

Olivia Wildes neuer Film handelt von einer unglücklichen Hausfrau in den 1950er Jahren, die einer verstörenden Wahrheit auf die Spur kommt, während ihr Ehemann ein schreckliches Geheimnis vor ihr und der Welt versteckt. 

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Meinungen

Hans im Glück · 24.10.2022

Ich stimme der Kritik vollkomen zu.
Das Ende hätte ich mir aber auch anders gewünscht. Entweder eine komplexe Erklärung oder ein offenes Ende. So kam man doch ein bisschen unzufrieden aus dem Kino.

Volker · 24.09.2022

Müll schade um das Geld und um die Zeit