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Regisseur Veit Helmer hat seinen Stummfilm über die Romanze zweier junger Seilbahnschaffnerinnen in der georgischen Berglandschaft angesiedelt. Wo sich sonst Fuchs und Hase gute Nacht sagen, sucht eine schelmisch-naive Geschichte ihren Zauber in der Entschleunigung.

Gondola (2023)

Eine Filmkritik von Bianka Piringer

Liebesgrüße aus der Seilbahn

Diese Seilbahn mit den zwei ovalen Gondeln hat schon bessere Zeiten gesehen. Aber Tag für Tag fährt sie im georgischen Kaukasus zwischen einem Bergdorf und einer kleinen Stadt im Tal. Die wenigen Passagiere des museal anmutenden Technikobjekts wohnen im Dorf. Touristen scheinen sich in diese entlegene Gegend kaum zu verirren. Zur Beerdigung des alten Schaffners kommt seine Tochter Iva (Mathilde Irrmann) aus der Stadt und beschließt, seine Stelle zu übernehmen. In ihrer Dienstuniform begleitet sie fortan eine der Gondeln, die sich in luftiger Höhe mit der anderen, in die Gegenrichtung fahrenden kreuzt. In dieser steht die junge Schaffnerin Nino (Nino Soselia). Die beiden Frauen fangen an, sich für ihre flüchtigen Begegnungen kleine Überraschungen auszudenken, die bald aufwändiger werden.

Im Laufe seines 25-jährigen Schaffens seit seinem ersten Spielfilm Tuvalu hat der Regisseur und Drehbuchautor Veit Helmer ein paar markante Vorlieben entwickelt. Gondola ist nicht sein erster Film, der irgendwo im Osten spielt, auf dem ehemaligen Territorium der Sowjetunion, wo die Uhren ein wenig anders zu ticken scheinen. Die Sowjetära hat ihre technischen Errungenschaften hinterlassen – zu ihnen könnte dem Augenschein nach auch diese Seilbahn noch zählen. Dass sie weiterhin fährt, lässt die Betrachtenden weniger an eine solide Bauweise denken als dass es am Geld fehlen muss, um sie durch eine neue zu ersetzen. In einem Regiestatement nennt Helmer einen realen Ort in Georgien, wo man morgens in die Seilbahn statt in den Bus steigt, als Inspirationsquelle. Im Vorgängerfilm Vom Lokführer, der die Liebe suchte… von 2018 setzte er einem Vorort von Aserbaidschans Hauptstadt Baku ein Denkmal, in dem ein Zug zum Greifen nah an den alten, inzwischen abgerissenen Häusern vorbeifährt.

Solch urige Kulissen bilden einen geeigneten Schauplatz für skurriles Treiben, ein wenig naive Komik und sympathische Träumerei. Es wird, wie schon in Vom Lokführer, der die Liebe suchte…, nicht gesprochen. Man fühlt sich an die Entschleunigung bei Roy Andersson (Über die Unendlichkeit) erinnert, wo sich Menschen oder Ereignisse in reizarmer Umgebung merkwürdig ausnehmen. Hier aber gibt es keine Episoden, sondern eine durchgehende Handlung voller Poesie. Gondola lädt zum Zurücklehnen und Genießen ein. Helmer hat ein langsames Roadmovie inszeniert, in dem die Liebe die Dinge in Bewegung bringt.

Die beiden jungen Schaffnerinnen muten in dieser vom Fortschritt abgehängten Gegend wie Vorbotinnen einer neuen Zeit an. Dass sie hier Wurzeln schlagen, ist nicht zu erwarten. Nino hat der georgischen Fluggesellschaft einen Bewerbungsbrief geschickt. Wenn sie und Iva ihre Gondeln fantasievoll umdekorieren, verleihen sie ihren Träumen von der großen weiten Welt und ihren Metropolen Ausdruck, richten den Blick sogar gen Himmel. In dem archaischen Landstrich aber will sich das Patriarchat, vertreten durch den Stationsvorsteher (Zviad Papuashvili), nicht kampflos vom Sockel stoßen lassen. Der alte weiße Mann macht Ansprüche auf die jungen Frauen geltend und glaubt, ein Blumenstrauß oder eine Schachtel Pralinen reichten aus, um eine von ihnen zum Altar zu führen. Das Desinteresse der Frauen an ihm und ihre gegenseitige Zuneigung wecken seinen Wunsch nach Rache.

Kleine Nebenhandlungen garnieren die hübsche Romanze. Die Witwe (Niara Chichinadze) straft die heimgekehrte Tochter mit eisiger Missachtung, ein kleiner Junge wirbt um die Freundschaft eines lustigen Mädchens, das ihn zunächst schnöde abweist. Die Liebe aber geht mit gutem Beispiel voran und weckt in den Menschen die Lebensfreude. Als hätten sie schon immer den Schalk im Nacken gehabt, stimmen Leute plötzlich hier und dort in ein Konzert mit umfunktioniertem Hausgerät und Werkzeugen an. Die waldreiche Bergregion bildet für all das eine schöne Naturkulisse. Man könnte einwenden, dass die sparsame Handlung kaum über die knappe Filmdauer von 82 Minuten trägt. Aber die zarte, fröhliche Poesie des Films bleibt bis zum Schluss wirksam.

Gondola (2023)

Eine altmodische Seilbahn mit zwei Gondeln verbindet ein Dorf in den Bergen Georgiens mit einer Kleinstadt im Tal. Als der alte Schaffner stirbt, nimmt Iva (29) seinen Platz ein, während Nino (31) schon länger dort arbeitet. Immer dann, wenn Ivas Gondel hochfährt, fährt Ninos Gondel runter und umgekehrt. Alle halbe Stunde sehen sich die beiden auf halber Strecke. Aus anfänglich kollegialen Grüßen wird allmählich Necken. Und aus Necken wird Flirten. Sie verwandeln ihre Gondeln in romantische Flugobjekte und versuchen sich gegenseitig zu beeindrucken. Zum Ärger ihres griesgrämigen und eifersüchtigen Chefs. Eines Abends treffen sie sich nach Dienstschluss. Doch Ninos Wunsch als Flugbegleiterin bei der georgischen Fluggesellschaft zu arbeiten, stellt die Beziehung auf eine Probe. Kann die Dorfgemeinschaft den beiden helfen ihr Glück zu finden?

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