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In „Blue Jean“ erzählt Georgia Oakley von einer lesbischen Lehrerin, die sich im England des Jahres 1988 mit der Homophobie in der Politik und in ihrem nahen Umfeld auseinandersetzen muss.

Blue Jean (2022)

Eine Filmkritik von Andreas Köhnemann

Wir gegen Maggie

Margaret „Maggie“ Thatcher (1925-2003), die sogenannte „Eiserne Lady“. In „James Bond 007 – In tödlicher Mission“ (1981) wurde sie von Janet Brown imitiert. Andrea Riseborough, Lindsay Duncan und Meryl Streep gehören zu den Schauspielerinnen, die sie in Filmen verkörpert haben. Auf Netflix schlüpfte Gillian Anderson in der vierten Staffel von „The Crown“ in die Rolle der einstigen Premierministerin des Vereinigten Königreichs.

Welche verheerenden Auswirkungen die zutiefst homophobe Politik Thatchers insbesondere in den 1980er Jahren auf das Leben queerer Menschen hatte, wurde unter anderem schon in Stephen Frears’ Sozialdrama Mein wunderbarer Waschsalon (1985) und in der Jugendserie It’s a Sin (2021) gezeigt. In letzterer wird Thatcher dann bei einem Besuch als Statement mal eben in den Tee gepinkelt – richtig so!

Auch Georgia Oakleys Blue Jean vermittelt uns einen sehr fein beobachteten Eindruck dieser repressiven Ära. Die Protagonistin Jean Newman (Rosy McEwen) arbeitet im englischen Newcastle des Jahres 1988 als Sportlehrerin. Sie führt eine glückliche Beziehung mit ihrer Partnerin Vivian (Kerrie Hayes) und genießt ihre Freizeit in einer queeren Bar mit ihren lesbischen Freundinnen. Zu ihrer Familie hat Jean Kontakt – allerdings eher auf oberflächlicher Ebene. An ihrem Arbeitsplatz ist sie bisher nicht geoutet.

Die Debütdrehbuchautorin und -regisseurin Oakley, die 1988 geboren wurde, stellt mit ihrer Titelheldin eine Figur ins Zentrum, die keine kämpferische Aktivistin ist. Wenn Jean beim morgendlichen Joggen an Plakaten mit queerfeindlichen Sprüchen vorbeiläuft oder wenn sie im Radio oder Fernsehen Meldungen über die Section 28, ein Gesetz, das „die Förderung von Homosexualität“ verbietet, mit halber Aufmerksamkeit mitbekommt, bleibt sie stets recht passiv, was bald zu Konflikten mit der deutlich engagierteren Vivian führt, die keineswegs bereit ist, sich und ihre Identität in der Öffentlichkeit zu verbergen. Durch die gemobbte Schülerin Lois (Lucy Halliday) wird Jean in ihrer Haltung herausgefordert – und verhält sich dabei zunächst abermals wenig couragiert.

Rosy McEwen bringt Jeans Zerrissenheit, die internalisierte Homophobie und das lähmende Gefühl von Machtlosigkeit eindringlich zum Ausdruck. Jean ist zum einen eine Figur ihrer Zeit – und wird zum anderen mit einem Dilemma konfrontiert, das heute (leider) in ähnlicher Form immer noch fortbesteht. Was sollen wir etwa hinsichtlich der transfeindlichen Diskurse, in denen ebenfalls von einem angeblichen Schutz von Kindern die Rede ist, unternehmen? Wie gehen wir damit um, dass in den USA Bücher aus Schulen verbannt werden sollen, die LGBTQIA+-Themen behandeln? Welche Diskriminierungen nehmen wir hin? Und was ist nötig, um tatsächlich aktiv zu werden?

Mit ihrem kreativen Team, etwa ihrem Kameramann Victor Seguin, erweckt Oakley glaubhaft die späten 1980er Jahre zum Leben – und liefert sowohl einen überzeugenden historischen Film als auch ein zeitloses Plädoyer, sich der Gemeinschaft nicht zu verschließen, um so gemeinsame Ziele verfolgen zu können. Blue Jean muss uns keine strahlende, makellose Heldin präsentieren, um ganz klar zu verdeutlichen, dass ein Ignorieren von Unrecht absolut keine Option ist.

Blue Jean (2022)

England im Jahr 1988: Jean arbeitet als Sportlehrerin an einer Schule. Sie ist das Ziel homophober Anschuldigungen, nachdem die konservative Parlamentsmehrheit unter Margaret Thatcher die Förderung der Homosexualität durch lokale Behörden verboten hat (siehe Clause 28). Lesbische und schwule Menschen werden als Pädophile stereotypisiert, die Kinder für ihren „abweichenden“ Lebensstil rekrutieren würden. Sportlehrerinnen wie Jean sind das Hauptziel solcher Anschuldigungen. Deshalb ist sie gezwungen, ein Doppelleben zu führen. Unter der Woche pflegt sie das Bild der angesehenen Mitarbeiterin. Am Wochenende unternimmt sie mit ihrer Freundin Viv heimliche Ausflüge in die Schwulenszene von Newcastle. Eines Tages begegnet Jean in einer Lesbenbar eine Schülerin von ihr. In der Folge wird sie zu extremen Anstrengungen gezwungen, ihren Job und auch ihre geistige Gesundheit zu retten.

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