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In „Godzilla vs. Kong“ kämpft Godzilla gegen King Kong. So weit, so gut! Ein paar Menschen wuseln auch herum: Schurken, Forscher, ein Verschwörungs-Podcaster. Das ist schon weniger gut, aber auch nicht weiter schlimm, weil parallel dazu schließlich Godzilla gegen King Kong kämpft.

Godzilla vs. Kong (2021)

Eine Filmkritik von Lucas Barwenczik

Rituale im bunten Nebel

„Mir ging es nie darum, Geschichten zu erzählen. Ich wollte Rituale inszenieren.“ So berichtet die Hauptfigur von Nicolas Mahlers Comic Das Ritual, ein namenloser Spezialeffektkünstler auf den Spuren von Eiji Tsuburaya. Immer wieder baut er Modelle von Tokio und lässt sie von Männern im Gummi-Kostümen zerstören. Der Lauf der Dinge im Kleinen. Schöpfung und Zerstörung, Wachstum und Verfall. Filmreihen und Genre-Kino im Allgemeinen haben immer etwas von feierlichen Zeremonien, sie versprechen Variation im Vertrauten. Eine Form, die der Zeit widersteht. Am Ende zog es Godzilla meistens zum Horizont, wie einen titanischen Westernhelden ohne Hut.

Im Comic heißt es dazu: „Im Prinzip haben wir immer dieselbe Geschichte erzählt. Mit kleinen Variationen. Ein Riesenmonster zerstört Städte und belästigt Menschen. Das Militär kämpft, hat aber keine Chance.“ Das ist natürlich auch heute noch so, bei Adam Wingards Godzilla vs. Kong. Wobei nicht immer klar ist, wer eigentlich wen belästigt, und wodurch. Es handelt sich um einen Film, in dem Aktivität und Ereignis selten zusammenhängen. Seine Kausalketten sind konfus, alles ist Vorwärtsbewegung ohne innere Kohäsion. Drei oder vier verschiedene Drehbücher im wenig produktiven Widerstreit. Eine Diagnose, die sich leicht verallgemeinern lässt: Jüngeren Filmen über King Kong oder Godzilla hat oft die Simplizität gefehlt. Die metaphorische Kraft der Monster lag schließlich darin, dass sie so einfach wie vieldeutig waren.

Zuletzt wütete Godzilla nur noch mittelbar als Avatar atomarer Zerstörung, sondern trat als Echo von Umwelt- und Klimakatastrophen auf. Etwa in Hideaki Annos herausragendem Shin Godzilla, in dem das Monster zum Sinnbild der Reaktorkatastrophe von Fukushima wurde und nicht einfach mit Waffen, sondern mit politbürokratischen Manövern abgewendet wurde. Adam Wingards Riesenkreaturen sind schwer zu verorten. Sein Kong ist ähnlich menschlich wie der von Peter Jackson. Er wird geleitet von abstrakten Konzepten wie Familie und Heimat, über Zeichensprache kann er sogar mit Menschen kommunizieren. Godzilla hingegen dient vor allem als Gegenspieler, die Schnittmenge mit dem fidelen Teilzeit-Menschenfreund aus den Sechziger- und Siebzigerjahren ist gering.

Wingards Film beginnt deshalb auch konsequenterweise bei King Kong – seiner aus Kong: Skull Island von 2017 bekannten Inkarnation – der von dem bösartigen Mega-Konzern Monarch in einer Truman Show-artigen Simulakren-Welt gefangen gehalten wird – wohl auch, um ihn vor einen Kampf mit Godzilla zu schützen. Ein Szenario, dass für einen eigenen Film reichen würde. Natürlich wird Kong kurz darauf aus seiner Simulation entlassen, denn er soll eine Expedition zum Kern der hohlen Erde leiten. (Was auch sonst?) Das lockt Godzilla an, die beiden Spitzenprädatoren geraten in Konflikt.

Man könnte detaillierter beschreiben, was die menschlichen Figuren – gespielt von Stars wie Millie Bobby Brown, Rebecca Hall oder Kyle Chandler – wollen und tun, aber das wäre Zeitverschwendung. Die Menschen in Godzilla-Filmen hatten immer schon die wichtige Aufgabe, vollkommen egal zu sein. Gewaltige Monster verorten die Menschheit neu. Sie darf nicht freudig staunen wie bei Spielberg, sondern muss vor ihrer Erhabenheit zittern. Ihre Handlung (im Sinne von Plot) und ihr Handeln waren wohltuend bedeutungslos, sie waren eigentlich selbst Zuschauer. Auch dann, wenn hier und da mal ein Transmissionsriemen zur Macht der Kreaturen entdeckt wurde, eine Bombe von Dr. Serizawa, eine Blitzwaffe oder die Zwillinge, über die man mit Mothra und damit dann auch mit Godzilla kommunizieren konnte. Wahrscheinlich will man leben wie ein Soldat in diesen Filmen – grenzenlos optimistisch in der Illusion der eigenen Wirkmächtigkeit, glücklich wie Sisyphos. Am Ritual Godzilla nehmen wir nur passiv teil.

Die persönlichen Sorgen und Traumata der Figuren sind arg mechanisch aufgebaut. Auf eine Szene mit dem persönlichen Problem folgt später eine mit der Lösung, die manchmal sogar ganz ausbleibt. Am auffälligsten ist noch die Rolle von Brian Tyree Henry: Bernie Hayes ist ein untypischer Held – ein Verschwörungstheoretiker, der sich mit Bleiche wäscht und Angst vor Fluorid im Wasser hat. Er scheint kein begnadeter Propagandist zu sein, doch zumindest Madison (Millie Bobby Browns Rolle) kann er für sich vereinnahmen. Auch wenn er immer wieder als Spottobjekt dient, ist er bei wichtigen Dingen doch im Besitz der Wahrheit. Je nach Perspektive könnte er morgen das Kapitol in Washington stürmen oder als heroischer Whistleblower auftreten. Der moderne Blockbuster, wie so oft, als inkohärenter Text, als Sammlung von Angeboten und Kippfiguren.

Klarheit schafft der Film überraschenderweise immer da, wo es zum Kampf kommt. Was im Franchise-Kino der Gegenwart oft die Domäne des Chaos ist, arrangiert Wingard in bemerkenswert klaren Comic-Bildern. Kräftige, bunte Farben und saubere Konturen ergeben eine große Lesbarkeit. Es dominiert die leider längst zum Klischee gewordene Türkis-Orange-Palette, später gibt es zumindest noch andere Abstufungen von Rot, Lila und Grün. Während die Menschen oft in etwas schummrigen Räumen herumstehen, erstrahlen die Monster wie unter Flutlicht. Die Schnittfrequenz ist nie langsam, aber bedächtig genug, um dem konstruierten Einzelrahmen Bedeutung zu verleihen. So geben wenigstens die drei zentralen Kämpfe an zwei Schauplätzen (zuerst eine Flugzeugträger-Flotte, später Hong Kong) dem Film ein wenig Struktur.

Diese Monster-Duelle sind nicht unbedingt emotional mitreißend. Nie entsteht das sanft melancholische Gefühl des Verlusts, das so viele Godzilla-Geschichten durchzieht und Fallhöhe schafft. Das Hong Kong des Films hat weniger mit der tatsächlichen Stadt zu tun als die schlichtesten Modelle der Suitmation-Zeit. In seiner neonstrahlenden Abstraktion wirkt es eher wie eine Kulisse aus Tron, ein Traumreich aus buntem Nebel ohne Bewohner. Aber nach der etwas pathetischen Farblosigkeit von Godzilla (2014), dem schäbigen Zynismus von Kong: Skull Island und den unbefriedigenden Kompromissen von Godzilla 2: King of Monsters flackert bei Godzilla vs. Kong zumindest hier und da ein Hauch aufrichtiger Pop-Schönheit auf. Buntes Rauschen, zumindest Ansätze des großen Godzilla-Rituals. Ein Abglanz. Um es mit dem eingangs erwähnten Comic zu sagen: „Natürlich war alles ziemlich sinnlos. Aber was ist das nicht?“

P.S.: Der Ausgang des ersten Zweikampfs zwischen Godzilla und King Kong (in Die Rückkehr des King Kong von 1962) muss rückblickend als das Wembley-Tor der Filmgeschichte verstanden werden. Ein historischer Irrtum, der in diesem Film zum Glück nicht einfach reproduziert wird.

Godzilla vs. Kong (2021)

Der gigantische Kong trifft auf die unaufhaltsame Godzilla. Die Welt schaut zu, um zu sehen, wer der König aller Monster wird.

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