Vorname Carmen

Groteske eines klassischen Stoffes

Mit diesem Film, so erscheint es, hat sich der französische Filmemacher Jean-Luc Godard einen schamlosen, selbstironischen kleinen Schelmenstreich beschert. Vorname Carmen von 1983 ist ein wildes Stück über eine kurze, drastische Liebesgeschichte mit tragischem Ende, die von kriminalistischen Elementen wie einem Banküberfall und einer geplanten Entführung flankiert wird. Innerhalb der chaotisch anmutenden Dramaturgie wird zudem ein Film gedreht, und Jean-Luc Godard selbst spielt mit offensichtlich großem Vergnügen den kauzigen Regisseur. Der abgefahrene, humoristische wie mitunter melancholische Film wurde bei den Filmfestspielen von Venedig mit dem Goldenen Löwen sowie einem Spezialpreis für die Beste Technik ausgezeichnet.
Die junge attraktive Frau (Maruschka Detmers), die zu Beginn des Films in einem Brief bemerkt, dass ihr Vorname zwar Carmen sei, sie sich im Grunde aber nicht so nennen dürfe, ist eine ebenso exzentrische wie extremistische Person, die bei einem von ihr initiierten Banküberfall gemeinsam mit dem einsamen Polizisten Joseph (Jacques Bonnaffé) flieht. Dieser Außenseiter ist ihr offensichtlich vom ersten Augenblick ihrer seltsamen Begegnung an verfallen, er vergisst seine Pflichten und und schlüpft mit Carmen in der Wohnung ihres Onkels (Jean-Luc Godard) unter, eines berühmten Regisseurs, der sich allerdings als hartnäckiger Patient in einer Nervenklinik einquartiert hat. Die Bankräuberin und der Polizist kommen sich rasch näher, und gleich zu Anfang dieser Amour fou spricht Carmen eine Prophezeiung aus, die sich bald als nur allzu wahr herausstellen soll: „Ich sag´s dir ganz offen: Wenn ich dich liebe, bist du erledigt.“

Auch wenn Joseph von seinen Kollegen geschnappt und für eine Weile inhaftiert wird, schließt er sich doch Carmen und ihren Freunden an, die unter dem Vorwand, einen Film zu drehen, die Entführung eines Industriellen planen. Doch die Zeiten im Banne der ebenso verführerischen wie eiskalten Geliebten gestalten sich um einiges distanzierter, als Joseph sich erhofft hatte, und er leidet unter dieser Entfremdung, die er durch verzweifelte Annäherungen aufzuhalten bemüht ist, während Carmen ihn durch zynische Provokationen nur noch anheizt. Derweil sind die Dreharbeiten unter mäßiger, widerstrebender Beteiligung ihres Onkels im Gange, die vom Meeresszenario aus strategischen Gründen in das Hotel InterContinental nach Paris verlegt wurden, in dem auch jener Industrielle verkehrt …

In Sequenzen parallel zur Geschichte taucht immer wieder ein Streicherquartett auf, das Stücke von Ludwig van Beethoven einstudiert, die als Musikarrangements die Handlung flankieren, die ihre Stränge beim pathetischen Finale im Hotel zusammenführt. Ansprechende, heftige Erotik zählt gleichermaßen zu den stimmungsvollen Aspekten der Dramaturgie wie ausführliche Meeresbetrachtungen zu den musikalischen Impressionen, und die geniale Darstellung der karikierten Nervenklinik deutet bereits zu Beginn daraufhin, dass das filmische Universum von Vorname Carmen sich jenseits der gewöhnlichen Normalität befindet. Auch wenn der Einstieg den Zuschauer in einige Ratlosigkeit jenseits der üblichen Sehgewohnheiten schleudert, fügt sich im Verlauf der Geschichte doch alles in ein schräges System der inszenierten Verwirrung, deren Details eine köstliche Widerborstigkeit produzieren – eine ganz wunderbare Groteske in Anlehnung an den klassischen Stoff der Oper „Carmen“ von Georges Bizet, die es vor Verrücktheiten wimmeln lässt und letztlich möglicherweise die Botschaft transportiert, dass eine Amour fou zwar das Leben kostet, doch nichtsdestotrotz ihren Preis wert ist.

(Marie Anderson)

Vorname Carmen

Mit diesem Film, so erscheint es, hat sich der französische Filmemacher Jean-Luc Godard einen schamlosen, selbstironischen kleinen Schelmenstreich beschert. „Vorname Carmen“ von 1983 ist ein wildes Stück über eine kurze, drastische Liebesgeschichte mit tragischem Ende, die von kriminalistischen Elementen wie einem Banküberfall und einer geplanten Entführung flankiert wird.
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