Rabid Dogs

Eine Filmkritik von Gregor Ries

Actionreiche Flucht

Mit dem Remake des italienischen Gangsterthrillers Cani Arrabbiati (dt. DVD-Titel: Wild Dogs) legt Ex-Journalist und Produzent Éric Hannezo sein Regiedebüt vor. Wie in Mario Bavas Original von 1974 entführen in Rabid Dogs (Enragés) drei flüchtende Gangster zunächst eine junge Frau und später einen Vater samt dessen krankem Kind, um mit ihnen vor der Polizei zu entkommen. Während Bava in seinem klaustrophobischen Kammerspiel rund um drei unberechenbare Kriminelle, eine hysterische Geisel und einen besonnenen Fahrer auf die explosive Kombination aus Angst, Gier und Gewalt baute, setzt Hannezos stilisierte Neuadaption stärker auf Actionelemente und einen weitaus höheren Bodycount.
Das Original gehört zu den weniger bekannten Werken des Meisters des artifiziellen Schauerkinos, der mit seinen Arbeiten den gotischen Schocker, den Giallo getauften Horrorkrimi und den Slasher stark mitprägte. Wie in vielen seiner Siebziger-Jahre-Arbeiten fehlen hier jedoch die stilisierten Einstellungen und eine ausgeklügelte Farbdramaturgie. Aus Geldgründen musste Bava, unterstützt von seinem Sohn Lamberto als Co-Regisseur, seinen Kameramann entlassen und die Bildgestaltung selbst übernehmen. Der raue Look verstärkte noch die bedrückende Atmosphäre. Sieht man von Man-Eaters George Eastman als psychopathischem Hünen ab, kam das Low-Budget-Unternehmen ohne Stars aus. Doch als die Produktionsfirma Konkurs anmelden musste, konnte der Film nicht beendet und in die Kinos gebracht werden. Erst 25 Jahre später gelang es, die Rechte zu erlangen und das Werk zu rekonstruieren, wobei Lamberto Bava eine eigene Fassung erstellte.

Das Remake, das seine Deutschlandpremiere als Centerpiece des Fantasy Filmfest 2015 erlebte, orientiert sich an Schlüsselszenen, schlägt aber streckenweise neue Bahnen ein. Der stilisierte Vorspann und Laurent Eyquems pulsierender Electroscore huldigen dem Vorläufer mit seinem schneidenden, eingängigen Soundtrack. Spannungsgeladen und mit Blick auf Details eröffnet Hannezo mit einem Bankraub, den er ganz aus der Sicht des Fahrers Sabri (Guillaume Gouix) schildert. Auf der Flucht vor der Polizei lässt das schießwütige Quartett zahlreiche Leichen zurück, darunter eine männliche Geisel, als sie im Parkhaus eines Einkaufszentrums schließlich gestellt werden. Erneut gelingt dank der Entführung einer Passantin (Virginie Ledoyen) die Flucht, bei der der Anführer (Laurent Lucas) jedoch seinen Verletzungen erliegt.

Um an einen neuen Wagen zu gelangen, kidnappen Sabri, Manu (Franck Gastambide) und Vincent (Francis Arnaud) kurzerhand einen biederen Mann (Lambert Wilson). Zu spät entdecken sie, dass sich auf der Rückbank noch ein Kind befindet. Dem Vater bleiben nur wenige Stunden, um das kranke Mädchen in ein Krankenhaus zu bringen, doch das wollen die Gangster keineswegs zulassen. Zunehmend erscheint es fraglich, ob sie bei ihrer albtraumhaften Odyssee über Autobahnen und ländliche Regionen ihre Gefangenen überhaupt am Leben lassen werden.

Ebenso wie der Vorläufer als Beispiel des harten Siebziger-Terrorkinos konzentriert sich die aktuelle Version auf die zunehmenden Konflikte zwischen den Entführern und den Geiseln sowie auf die Spannungen unter den Tätern. Mit Ausnahme des durchweg aggressiven Vincent werden die Kriminellen ambivalent gezeichnet, dazu sollen auch die ins Rot getauchten Rückblenden beitragen. Durch sie verschieben sich die Sympathien allmählich.

Rabid Dogs besitzt Qualitäten in der bestechenden Kameraarbeit, dem Score, den Darstellerleistungen und streckenweise im Spannungsaufbau. Doch gerade dieser wird durch manche Exkurse getrübt: Virginie Ledoyens Dessous-Auftritt zu Beginn soll offenbar für etwas Erotik sorgen, wirkt aber überflüssig. Ebenso verändert der nächtliche Abstecher in ein Walddorf, in dem gerade „Der Tag des Bären“ gefeiert wird, den Tonfall, so dass man sich fast in einem Horrorfilm à la Die Horde wähnt, zu dem Co-Autor Yannick Dahan das Drehbuch verfasst hat. Während sie sich von ihren Gefangenen (zu) vieles gefallen lassen, gehen die brutalen Antagonisten bei allen anderen, weniger wichtigen Nebenfiguren über Leichen. Außerdem besitzt die Neuauflage zwar ein noch nihilistischeres Ende als Mario Bavas Gangsterdrama, aber gerade hier liegt das Hauptmanko: Hannezo gibt die Schlusswendung schon zu früh preis. Für aufmerksame Zuschauer erweist sich das düstere Ende daher als wenig überraschend.

Rabid Dogs

Mit dem Remake des italienischen Gangsterthrillers „Cani Arrabbiati“ (dt. DVD-Titel: „Wild Dogs“) legt Ex-Journalist und Produzent Éric Hannezo sein Regiedebüt vor. Wie in Mario Bavas Original von 1974 entführen in „Rabid Dogs“ („Enragés“) drei flüchtende Gangster zunächst eine junge Frau und später einen Vater samt dessen krankem Kind, um mit ihnen vor der Polizei zu entkommen.
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