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Walter Ruttmann brachte uns 1927 Berlin als „Sinfonie der Großstadt“ näher. Johannes Schaff verarbeitet seine Berlin-Eindrücke 9 Jahrzehnte später mit elektronischen Klängen zu einer „Symphony of Now“. Hält die Gegenwart dem Vergleich mit der Vergangenheit stand?

Symphony of Now (2018)

Eine Filmkritik von Falk Straub

Viel Party, nichts dahinter

90 Jahre nach Walter Ruttmann hat Johannes Schaff einen Querschnittsfilm über die deutsche Hauptstadt gedreht. Aus der Sinfonie der Großstadt wird die „Symphony of Now“. Und die Metropole pulsiert immer noch, was bei Schaff allerdings weniger an den experimentellen Mitteln und mehr an der fortgeschrittenen Stunde seiner Streifzüge liegt.

Den zeitgenössischen Verkehrsmitteln entsprechend, langte Walter Ruttmanns Publikum mit dem Zug in Berlin an. Diese ersten Bilder der Sinfonie der Großstadt, wenn die Lok in den Anhalter Bahnhof rollt, zitiert Johannes Schaff direkt. Die Musik dazu ist neu. Sie ahmt das Rattern der Räder nach, bevor die Überreste des im Zweiten Weltkrieg zerstörten Gebäudes uns in Farbe in die Gegenwart und in Schaffs Film holen. Der Regisseur nimmt noch einmal Anlauf. Statt auf Schienen nähert sich die Kamera der deutschen Hauptstadt nun durch die Lüfte. Am Horizont glitzert die Kuppel des Fernsehturms verführerisch.

Schaffs bisheriges Schaffen ist musikalisch geprägt. Der 1982 geborene Regisseur, Kameramann und Cutter drehte Musikvideos und mit Das Wassup (2017) einen ersten langen Dokumentarfilm über die Hip-Hopperinnen der amerikanischen Band Yo! Majesty. Da scheint es nur konsequent, auch sein Update der Berliner Befindlichkeit vornehmlich um Amüsierbetriebe kreisen zu lassen. Zwar hat er die 5-Akt-Struktur und die Spieldauer von 65 Minuten vom großen Vorbild übernommen. Doch wo Ruttmann einen Tag in den Blick nahm, stürzt sich Schaff kopfüber in die Nacht. Schon nach 13 Minuten setzt die Dämmerung ein. Electro-Größen wie Frank Wiedemann und Modeselektor liefern den passenden Soundtrack.

Nun putzt sich das Feiervolk heraus und die Künstler gehen hinter den Bühnen noch einmal ihre Auftritte durch. Erst wird gegessen, dann eine Kulturveranstaltung besucht und schließlich bis zum Morgengrauen durchgetanzt. Ab und an schleicht sich ein Promi ins Bild, erhält aber keine größere Aufmerksamkeit als Otto Normalberliner. In diesen demokratischen Szenen, wenn Schaff das ganze Spektrum – von der Dönerbude bis zum Luxusrestaurant, von Oper und Theater bis zum Hinterhofkino und Kellerkonzert – abbildet, ist seine Collage am stärksten. Dann überträgt sich dieses schwer fassbare Berlin-Gefühl in den Kinosaal. Dann gehen uns Augen und Ohren über und die Lust macht sich breit, all die Facetten dieser Stadt einmal selbst zu erleben.

Die zeitgenössische Kritik warf Walter Ruttmann Oberflächlichkeit vor. Diesen Vorwurf muss sich auch Schaff gefallen lassen. So schön die visuellen Assoziationsketten auch sein mögen, so sehr der Beat auch pocht, viel zu viele – Alte, Arme, Obdachlose etwa – kommen in diesem Kaleidoskop nicht einmal an den bunten Rändern vor. Dafür erinnert der Film, bei dem Musikvideoproduzent Lil‘ Internet für die visuelle Gestaltung verantwortlich zeichnet, viel zu sehr an eben solche Clips. Bald verharrt die Kamera, bald gleitet sie. Mal filmt sie im Vorüberfahren, mal ist sie mittendrin. Richtig dabei ist sie selten.

Symphony of Now (2018)

Eine Ode an die Stadt Berlin, in der der Regisseur Johannes Schaff Fragmente seiner persönlichen Geschichte mit Bildern und Szenen des nächtlichen Berlin mischt.

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