Straßensamurai

Eine Filmkritik von Alina Impe

Wer stresst, muss draußen bleiben

„Es kann sein, dass ich manchmal ein Messer trage. Das ist nicht angenehm, aber aufgrund des Publikums möchte man sich dann doch adäquat verteidigen.“ Oli, genannt „DasKnie“, trifft seine Vorbereitungen für die anstehende Schicht. Klappstullen werden geschmiert, eine Thermoskanne wird mit heißer Suppe gefüllt. Seinen Security-Ausweis hat er sowieso immer dabei, auch wenn dieser, wie er selbst sagt, eigentlich überflüssig ist. Im unberechenbaren Berliner Nachtleben zählen scheinbar andere Dinge als Formalitäten.
Straßensamurai, als heroischer Titel für die Schwarzweiß-Doku von Samer Halabi Cabezón gewählt, sind die Türhüter der Berliner Clubs und Bars, in die das Partyvolk allabendlich auf der Suche nach Vergnügen und Eskapismus strömt. Manchmal auch auf der Suche nach Stress. Wer zu betrunken oder zu vollgedröhnt ist und einen gewaltbereiten Eindruck macht, darf wieder nach Hause gehen. Das klingt logisch. Ganz so einfach funktioniert das Regelwerk, nach dem die undurchsichtigen Partywärter ihre Auswahl treffen, in der Realität allerdings doch nicht.

In knapp 70 Minuten porträtiert Straßensamurai verschiedene Persönlichkeitstypen, die sich hinter den menschlichen Schutzblockaden verbergen – darunter etwa ein Kampfsportlehrer, ein alleinerziehender Vater, ein ausgebildeter Schauspieler und eine junge Frau, die bald ihr Abitur nachholen möchte. Keiner von ihnen hat bewusst diesen Beruf ergriffen. Für die meisten ist die Tür nur eine Zwischenstation, um das benötigte Grundeinkommen sicherzustellen, während der eigentliche Traum entweder auf Eis liegt oder nur unzureichend Erfüllung findet.

Entsprechend bemüht sich der Film, das Menschliche seiner Protagonisten in den Fokus zu rücken und hartnäckige Vorurteile von muskelbepackten Schränken ohne Seele nachhaltig abzubauen. Leider nur mit mäßigem Erfolg: Thematische Redundanz und weitschweifige Monologe ohne informativen Mehrwert sorgen bereits nach einem Drittel des Films für Langatmigkeit. Dafür bleiben andere Aspekte, die für den Zuschauer umso mehr von Interesse sind, entweder völlig auf der Strecke oder werden höchstens angeschnitten. Dass beispielsweise die Selektion des Publikums meistens nach den Vorgaben des Veranstalters betrieben wird, fällt hier nur in einem Nebensatz. Fragen nach den falschen Schuhen, dem falschen Hemd oder dem falschen Gesicht werden erst gar nicht gestellt. Kritische Selbstreflexion: Fehlanzeige. Nur Singlevater Cengiz streut ein, dass er lieber an der Tür von alternativen Läden Wache schiebt, da hier das Aussortieren aufgrund von vermeintlichen Coolness-Faktoren entfällt. Immerhin.

Umso häufiger fallen grenzwertige Kommentare zum Thema eigene Gewaltbereitschaft. Statements, die offenbar keine Konsequenz von aktivem Nachfragen sind, sondern stattdessen wie versehentlich ausgeplaudert daherkommen. „Wenn Reden nicht mehr funktioniert, kommt halt die Faust“, sagt Philip, der regelmäßig vorm Farbfernseher an der Skalitzer Straße über rein oder raus entscheidet. Seine Kollegin Lotte ist da etwas deutlicher: „Ich finde, Prügeln macht Spaß.“ Dass sie ihre Konfliktpartner vorwarnt, bevor sie zuschlägt, ist da auch nicht wirklich tröstlich.

Dennoch bleibt es natürlich fraglich, inwieweit die Deeskalation von Konflikten durch diplomatische Kommunikation überhaupt möglich ist. In der Theorie sollten handfeste Lösungen mittels Knockout grundsätzlich vermieden werden – in der Praxis hat aber jeder Mensch, Türsteher eingeschlossen, seine Grenzen. Die affektive Reaktion als Folge von Provokation ist nun mal Teil unseres Überlebenstriebs. Ein unbequemer Kausalzusammenhang, dessen objektive Darstellung sich zugegeben schwierig gestaltet. Selbst ein Dokumentarfilm, der zumindest eine Annäherung an die Wirklichkeit erzielen möchte, kann diesen Anspruch nur bedingt leisten. Straßensamurai ist, trotz aller guten Absichten, seinen Zuschauern der alleinige Versuch einer verständnisfördernden Abbildung schuldig geblieben.

Straßensamurai

„Es kann sein, dass ich manchmal ein Messer trage. Das ist nicht angenehm, aber aufgrund des Publikums möchte man sich dann doch adäquat verteidigen.“ Oli, genannt „DasKnie“, trifft seine Vorbereitungen für die anstehende Schicht. Klappstullen werden geschmiert, eine Thermoskanne wird mit heißer Suppe gefüllt.
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Meinungen

Samer Halabi Cabezon · 15.09.2015

Zunächst einmal möchten wir Danke sagen, dass Du Dir die Zeit genommen hast Dir unseren Film anzuschauen und Dich inhaltlich damit auseinanderzusetzen.
Dennoch stellt sich uns nach der Lektüre Deiner Filmkritik die Frage, ob Du Dir die zum einen die vollen 71 Minuten angeschaut hast und zum anderen, ob Du die Intention der Filmemacher in seiner Gänze erfasst hast.
Deswegen möchten wir hier gerne zu einigen der von Dir getroffenen Äußerungen Stellung nehmen.

Ja, der Film nimmt sich Zeit seine Figuren einzuführen, auch um diese mit all ihren Facetten zu zeigen. Es kommen sehr persönliche und auch heikle Themen zur Sprache, wobei der „Gewalt“ und „Gewaltbereitschaft“ ein besonderer Stellenwert eingeräumt wird und auch eingeräumt werden muss. Niemand wird gerne damit konfrontiert, nur sind gerade die Menschen „an der Tür“ besonders exponiert und fungieren quasi als Prellbock für die Wut und Frustration ihrer Klientel.
Man interpretiert diese Auseinandersetzung mit der Gewalt falsch, wenn man den von Lotte eingeworfenen „Spaß“ am „Prügeln als Non plus Ultra für alle porträtierten und nicht porträtierten Türsteher herausgreift und darstellt.
Der Film ist im Laufe von 2 Jahren entstanden, in denen alle Protagonisten, allen voran die weibliche Hauptfigur Lotte eine persönliche (Weiter-) Entwicklung vollzogen haben. So etwas kann ein Filmemacher nicht gezielt planen, kann nur darauf hoffen. In unserem Film ist es so passiert und wir würden uns wünschen, dass dies auch von außen anerkannt wird.

Wichtig ist uns auch hier noch einmal deutlich zu sagen, dass diese Dokumentation nicht mit der Absicht gedreht wurde der Öffentlichkeit darzulegen wie „Selektion“ in bekannten Berliner Clubs betrieben wird. Für die Türsteher ist es in erster Linie wichtig, dass kein Stress in „ihrem“ Laden entsteht. Natürlich gehört dazu, dass Leute abgewiesen werden, weil sie als vermeintlicher „Stress-Faktor“ ausgemacht werden, der sich bereits im Club befindlichen Personen schaden könnte, nicht aber weil sie Turnschuhe tragen.
Solche Banalitäten sind hier nicht ausschlaggebend, es geht um das menschliche Miteinander und wie damit umgegangen wird, wenn sich das Gegenüber nicht an diese „Benimmregeln“ hält. Selbstreflexion ist ein zentrales Thema bei allen Protagonisten.

Unser oberstes Ziel und zugleich Herzensangelegenheit war und ist es zu zeigen, dass die Menschen „an der Tür“ eben auch nur Menschen sind wie Du und ich, mit vielen Stärken, aber auch Schwächen.
Der Mythos des brutalen und überheblichen Türstehers soll enttarnt und gängige Vorurteile abgebaut werden.
Das Feedback einer Besucherin, die mit dieser „Szene“ so rein gar nichts zu tun hat, fasst es ganz gut zusammen: Ich bin in eine Welt eingetaucht, die ich bis dato nur vom Hören Sagen kannte und komme mit dem guten Gefühl von Sympathie und positivem Mitgefühl für Türsteher wieder raus.

SHC/IP