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Männer und Frauen passen einfach nicht zusammen – was Loriot schon wusste, füllen Devid Striesow und Aglaia Szyszkowitz mit Leben, wenn sie sich in der Paartherapie fetzen. Eine Sitzung von anderthalb Stunden, filmisch in Echtzeit erzählt: zum Fremdschämen und Wiedererkennen.

Die Wunderübung (2018)

Eine Filmkritik von Harald Mühlbeyer

Sakrament, die Ehe!

90 Minuten sind 90 Minuten. Die richtige Zeit für einen Film, die richtige Zeit für ein Theaterstück. Daniel Glattauer hat das Stück Die Wunderübung geschrieben, Michael Kreihsl hat das Stück am Theater in der Josefstadt für die Bühne inszeniert und jetzt auch als Film: Und das funktioniert. Weil sich Inhalt – Sitzung beim Paartherapeuten – und Form – Theaterstück bzw. Film – kongruent übereinanderlegen: Sitzungszeit ist Filmzeit. Wobei der Film die Bühnenhaftigkeit nie verleugnet – weil ja auch Joana und Valentin, das Ehepaar beim Therapeuten, sich aufführen wie sonst noch was.

Joana weiß ganz genau alles über ihren Mann. Und das ist nichts Gutes. Sie weiß, wie er reagieren wird, was er sagen will, was er denkt. Und ihr Wissen um ihren Mann – oder was sie zu wissen glaubt – posaunt sie auch gerne raus. Valentin sagt gar nichts mehr. Zeigt nichts mehr von sich. Bemüht sich auch gar nicht. Wozu auch? Aber natürlich hat auch er einige Pfeile im Köcher, mit denen er gezielt seine Frau abschießen kann. Der Therapeut verzweifelt eigentlich schon am Anfang. Ein Gespräch kann nicht aufkommen, wenn jeder sich verschließt, um dem anderen keine Blöße zu geben. Und aus der Deckung heraus den anderen beackert.

Zu Anfang des Films gibt es eine Paar-Übung: Beide sitzen sich gegenüber, geschlossene Augen, sie sollen sich in eine schöne Erinnerung hineinversenken. Das ist der einzige Punkt, an dem der Film durchhängt. Weil Striesow zu plakativ einschläft bei dieser Selbstsuggestion. Und weil der Therapeut sich während der Übung völlig desinteressiert gibt und sich mit Joghurt bekleckert; wobei der Fleck im weiteren Verlauf des Films von seinem Hemd verschwindet. Der Rest der Zeit: Ein großes Vergnügen. Weil es eine Freude ist, wenn sich zwei fertigmachen, vor allem, wenn dieses gegenseitige Fertigmachen mit so viel Sinn für Ironie und Polemik einhergeht. Joana und Valentin: Was Schlagfertigkeit angeht, passen sie bestens zusammen.

Der Film, das Theaterstück: Sie erzählen in Echtzeit. Und das muss man auch erst können. Das richtige Timing, der richtige Tonfall zur richtigen Zeit, zumal, wenn sich alles nur in einem Raum abspielt. Therapeut und zu Therapierende, er auf der einen, die anderen auf der anderen Seite: Kreihsl schafft es, dass die Konstellation nicht statisch wirkt. Joana trinkt aus ihrer Flasche, Striesow steht erregt auf, nur um sich dann resigniert wieder zu setzen. Der Therapeut blickt gütig, in ruhiger Buddhahaftigkeit. Und dann gibt es eine Pause. Jawohl, eine Pause. Das hat mit einer Therapiesitzung nichts zu tun, wohl aber mit einem Theaterabend – der Film übernimmt medienüberspringend diese dramaturgische Konvention, und es macht gar nichts aus. Denn nach der Pause ändert sich die Situation. Ein weiteres Element kommt hinzu, der Therapeut hat eine E-Mail bekommen.

Jetzt ist das, was folgt, an sich keine große Überraschung; zumindest nicht für einen, der öfters ins Kino geht, oder der schon länger verheiratet ist. Aber das Tolle ist: Selbst, wenn die Handlung vorhersehbar ist, mitsamt ihren Twists und Wendungen: Das ist total OK. Weil’s nicht drauf ankommt. Die Dialoge, die Charaktere: Die genügen völlig, weil sie ganz rund durchgearbeitet sind, mit all ihren Ecken und Kanten, und weil drei Leute locker 90 Minuten füllen können.

Die Wunderübung (2018)

Seit 17 Jahren sind Joana und Valentin nun schon ein Paar, doch die ganz normale Mittelstandsehe besteht nur noch auf dem Papier. Und genau aus diesem Grund suchen die beiden einen Paartherapeuten für eine Probestunde auf. Doch die Sitzung läuft aus dem Ruder — bis das Handy des Psychologen klingelt und auf einmal einen Nachricht im Raume steht, die die Stunde vollends ad absurdum führt …

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Meinungen

Claudia · 19.01.2020

Erfrischend, super!

Wolfgang · 02.08.2018

Wie im richtigen Leben - super!