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Bertolt Brecht ist seit jeher umstritten. Heinrich Breloer präsentiert auf der Berlinale seinen Blick auf den meistgespielten Dramatiker des 20. Jahrhundert und konzentriert sich vor allem auf eins: Brechts Verhältnis zu seinen Frauen.

Brecht (Miniserie, 2019)

Eine Filmkritik von Verena Schmöller

Brecht und die Frauen

Nach der Verfilmung der Buddenbrooks (2008), die schon mehr als zehn Jahre zurückliegt, kehrt Heinrich Breloer nun mit „Brecht“ wieder zu der von ihm spezifischen Form des Doku-Dramas zurück. Damit bringt er nicht nur Brechts Leben und Werk auf die Leinwand bzw. den Bildschirm, sondern auch die Brechtsche Form. Ein gefälliger Fernsehfilm in zwei Teilen, der im Programm der Berlinale als 180-minütiger Film zu sehen ist.

Ausgehend vom Jahr 1956, Brechts Todesjahr, blickt der Film zurück auf die Zeit des Ersten Weltkriegs und die letzten Schuljahre von Bertolt Brecht (Tom Schilling) in Augsburg. Er erzählt die Geschichte des Aufstiegs des jungen Literaten, der sich als solcher früh berufen fühlt, aber ein Medizinstudium aufnimmt, um nicht in den Krieg eingezogen zu werden. Die Geschichten, die seine Freunde von der Front erzählen, brechen ihm das Herz und prägen und bestärken ihn in seiner politischen Haltung. Er schreibt erste Stücke und wird mit „Trommeln in der Nacht“ über Nacht zum Star der Bühnen Deutschlands.

Was anfangs nur als Seitenstrang erscheint, übernimmt schließlich dann das Ruder: der Blick auf Brecht und die Frauen. Brecht zeigt, wie schnell, aber auch tief sich Brecht verlieben und die Herzen der Frauen erobern konnte. Mit seiner Jugendliebe Paula Banholzer (Mala Emde) wird er das erste Mal Vater, das Kind aber wird von Pflegeeltern im Allgäu aufgezogen. Es folgen Sängerin Marianne Zoff (Friedericke Becht), Schauspielerin Helene Weigel (Lou Strenger) und Mitarbeiterin Elisabeth Hauptmann (Leonie Benesch). Die Erfolge mit der Dreigroschenoper wirken wie ein Nebenprodukt, der Aufstieg der Nazis wird weitaus weniger ausführlich erzählt als die Wirren des Ersten Weltkrieges. Und plötzlich muss Brecht fliehen.

Der zweite Teil erzählt von Brechts Wirken im Nachkriegsdeutschland. Es wechselt das Darstellerensemble – die nun älter gewordenen Figuren werden von anderen Schauspielern dargestellt: Brecht von Burkhart Klaußner, Helene Weigel von Adele Neuhauser. Das funktioniert sehr gut – und nicht nur deshalb, weil das Fernsehpublikum den Film in zwei Teilen sehen wird, sondern auch, weil der Film generell mit der fiktionalen Form spielt.

Heinrich Breloer hat das Doku-Drama – über Jahrzehnte mit entwickelt und ist für seine Filme, darunter zum Beispiel Die Manns – Ein Jahrhundertroman (2001) oder Speer und Er (2004), vielfach ausgezeichnet worden. Das Doku-Drama verknüpft Dokumentation mit Spielfilm: In Brecht überwiegen die nachgestellten Spielszenen und werden durch Archivaufnahmen und Interviews unterbrochen, mal offensichtlich durch harte Schnitte, mal gehen Dokumentation und Fiktion ineinander über, wenn Breloer seine Darsteller alte Fotos nachstellen lässt. Oder aber beide werden in einem Bild kombiniert, wenn Brecht im Zug sitzt und an historischen Stadtbildern vorbeifährt. Und damit findet sich das Brechtsche Programm quasi im Film wieder, wird man doch auch immer ein wenig gestört beim Verfolgen der nachgestellten Geschichte und auf das Gemachte des Films verwiesen. Das ist dem Genre Doku-Drama imminent, passt aber natürlich wunderbar zum Erfinder des epischen Theaters.

Ein wunderbarer Coup ist die Besetzung Brechts durch zwei Darsteller: Tom Schilling ist der schmale, schüchtern wirkende junge Brecht, dem man sein Wirken auf das weibliche Geschlecht noch nicht so recht abnehmen mag. Sein Brecht ist arrogant und selbstverliebt, und doch manchmal wirkt er auch unsicher. Burkhart Klaußner als zurückgekehrter Brecht im Berlin der Deutschen Demokratischen Repulik ist einerseits selbstbewusster geworden – er mimt einen Brecht, der vom Erfolg bestätigt und von den Frauen verehrt wird –, aber auch zarter. Großartig sind die weiblichen Darstellerinnen, allen voran Adele Neuhauser als Helene Weigel, die hinnimmt und doch verbittert.

Nach seiner Premiere in Berlin ist der Zweiteiler eine Woche im Kino zu sehen, bevor er dann Ende März im Fernsehen läuft. Zeitgleich wird das Buch „Brecht. Roman seines Lebens“ erscheinen. Heinrich Breloer hat lange recherchiert: Über Jahrzehnte hinweg hat er sich mit Weggefährten Brechts getroffen – natürlich mit dessen Frauen, Geliebten, aber auch Familienmitgliedern und Freunden gesprochen und sie zu Bertolt Brecht befragt. Kritisch, so wirkt es, war er dabei nur bedingt: Die Fragen an die vielen Frauen, die mit Brecht liiert, verlobt oder verheiratet waren, würden durch #MeToo heute vielleicht anders ausfallen.

Bertolt Brecht wird im Film vor allem gefeiert: Als Mann mit Charisma, dem die Frauen erliegen, als Andersdenkender, als Erneuerer, erfolgreicher Theatermacher, und nicht zuletzt als „der letzte Dichter der deutschen Sprache, das letzte deutsche Genie“, wie sich Brecht selbst genannt hat. Er hatte ein gutes Selbstbewusstsein, das macht der Film sehr deutlich und präsentiert es als berechtigt. Seine Grausamkeit, die er zum Beispiel Marianne Zoff entgegenbringt, wird gezeigt, angesprochen, von Brecht selbst dokumentiert – aber eben auch wieder aus dessen Perspektive. Trotzdem: Der Film zeigt den Privatmann Brecht und diesen Einfluss auf seine Arbeit. Ein Lehrstück, das wenig Neues erzählt, das zu Erzählende aber unterhaltsam aufbereitet. Ein Lehrstück, das seine Zuschauer finden wird.

Brecht (Miniserie, 2019)

Zweiteilige TV-Serie von Heinrich Breloer, die ihre Weltpremiere bei der Berlinale 2019 feiern wird, bevor sie im Fernsehen zur Ausstrahlung kommt.

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