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Vor 17 Jahren machte sich Michael Bully Herbig mit seiner Westernparodie „Der Schuh des Manitu“ auch im Kino als Comedyspezialist einen Namen. Seit Kurzem will er nur noch ernste Filme drehen. Der erste kommt nun ins Kino: „Ballon“ – ein Thriller nach wahren Begebenheiten.

Ballon (2018)

Eine Filmkritik von Benjamin Wirtz

Bully macht Ernst

Michael Bully Herbig – dieser Name stand bisher für witzige, allerdings auch alberne Kinounterhaltung. Doch voriges Jahr feierte er mit seinem Episoden-Comedyfilm Bullyparade – Der Film den Abschied vom Komödiengenre. Bereits 2015 hatte Herbig angekündigt, ernstere Filme drehen zu wollen. Nun stellt er mit „Ballon“ seinen ersten Thriller vor.

Herbigs Parodien von Genrefilmen ließen schon erahnen, dass er auch die nicht-parodisierte Form kann. Und mit Buddy, der allerdings an Albernheiten und komödiantischer Einfallslosigkeit scheiterte, zeigte Herbig, dass er große Bilder beherrscht. In Ballon sind die Albernheiten verschwunden, die großen Bilder aber erfreulicherweise geblieben.

Die Geschichte des Films beruht auf wahren Ereignissen: Die Familien Strelzyk und Wetzel wollen Ende der 1970er Jahre aus der DDR in den Westen fliehen. Dafür haben sie sich einen ungewöhnlichen und riskanten Fluchtplan überlegt: In einem selbstgebauten Heißluftballon wollen sie nachts bei Nordwind über die Grenze fliegen. Der Plan geht schief. Nur 300 Meter vor der Grenze stürzt der Ballon ab. Alle Insassen kommen zwar ohne schwere Verletzungen davon, doch nur kurze Zeit später entdeckt die Stasi die Reste des Ballons und leitet eine Großfahndung nach den „Verbrechern“ ein. Es wird nicht lange dauern, bis sie die Familien aufspüren wird, daher beginnen die Strelzyks und Wetzels mit der Planung eines neuen Fluchtversuchs. Doch die Zeit läuft ihnen davon…

Dass die Ereignisse wirklich stattgefunden und die Familien Strelzyk und Wetzel die Filmemacher mit Interviews unterstützt haben, verleiht der fast unglaublichen Geschichte Authentizität. Dazu tragen auch die zeitgenössische Ausstattung des Films, von den Autos über die Inneneinrichtung bis hin zu Mode und Frisuren, und die durchweg gute Besetzung bei: Friedrich Mücke und Karoline Schuch als besorgte Eltern, David Kross als entschlossener, aber vorsichtiger DDR-Gegner und Thomas Kretschmann als wunderbar bösartiger Oberstleutnant. Die thrillerartige Inszenierung nimmt Ballon allerdings etwas von diesem Realismus, lässt ihn mehr wie einen Genrefilm wirken als wie ein historisches Dokument – was ihm jedoch nicht schlecht bekommt, denn Herbig tappt dabei nicht in die Falle, die Geschehnisse von damals für eine fesselnde Inszenierung zu verharmlosen.

Vom ersten Moment an hält Herbig die Spannung hoch, und sie lässt in den folgenden 120 Minuten nur selten nach. Die Ballonfahrt inszeniert er als unglaublich spannende Tour de Force, die Kleinigkeiten als tödliche Gefahren in den Vordergrund rückt. In den weniger mitreißenden Sequenzen schafft er eine Atmosphäre des Misstrauens, wie man sie sich in jenen Tagen der DDR vorstellt. Der Zuschauer wird mit hineingezogen in dieses Misstrauen. Jeder Passant scheint einen zu beobachten, jeder scheint einen zu verfolgen.

Besonders wird das Gefühl des Zuschauers aber von der stark präsenten Filmmusik geleitet. Sie gibt die Stimmung der Szenen vor, erleichtert es dem Zuschauer, der Handlung zu folgen. In den besten Moment verstärkt sie die mitreißende Spannung (oder ist sogar hauptsächlich für sie verantwortlich), in den schlechteren Momenten gerät sie in Gefahr, die Szene in Kitsch abdriften zu lassen. Doch insgesamt hält Herbig eine gute Balance: Er nimmt sich Zeit, seine Charaktere als Menschen darzustellen, lässt aber trotzdem den Thriller nie zu kurz kommen.

Nur ein inszenatorischer Kniff misslingt, da er zu oft angewandt wird: Herbig legt für den Zuschauer zu oft bewusst falsche Fährten – nur Kleinigkeiten zwar, dafür in Fülle. So klingelt etwa das Telefon und die dröhnende Musik sowie die Inszenierung lassen Gefahr wähnen – dann ist es doch nur ein harmloser Anrufer. Oder die Familie wird von der Stasi gestellt – und dann ist es doch nur ein Traum gewesen. Die hohe Anzahl solcher in die Irre führender, aber leicht durchschaubarer Szenen führt leider dazu, dass der Clou am Ende des Films sofort durchschaut wird. Trotzdem gibt Herbig seinem Film einen gelungenen Schluss – es wird klar, dass das große Happy End erst 1989 kam.

Hätte man sich zu weit aus dem Fenster gelehnt, Ballon gar als deutschen Oscarbeitrag in Betracht zu ziehen? Schließlich ist die Inszenierung sehr amerikanisch, es geht um mutige Helden gegen einen übermächtigen Gegner und um die deutsche Geschichte. Aus einer Oscarnominierung ist zwar nichts geworden, aber dennoch: Die Hoffnung ist groß – auf die nächsten Filme von Michael Bully Herbig.

Ballon (2018)

Die DDR im Jahr 1979. Eine Familie aus Thüringen möchte in die BRD flüchten und weil der Weg über die Grenze immer schwerer wird, schmieden sie einen wagemutigen Plan: sie wollen sich per Heißluftballon auf die andere Seite schmuggeln. Und der muss auch erst einmal selbst gebaut werden. Mit „Ballon“ wendet sich Herbig das erste Mal ernsterem Stoff zu.

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Meinungen

Sven · 05.11.2019

Ich bin Jahrgang 80 und nicht weit von der damaligen Grenze und dem Schauplatz im Osten geboren und aufgewachsen. Ich war sehr überwältigt und gefesselt von Bullys Dramadebüt. Ein aufwühlender Film der mich zum weinen gebracht hat weil ich mir sehr gut vorstellen konnte was diese Menschen riskiert haben und ich mir nicht sicher bin das auch durchzuziehen. Ich war noch ein Kind und habe deshalb einen schönen Blick auf meine knapp 9 Jahre DDR aber auch wir haben Erfahrungen mit dem System gemacht die mir damals aber als 5 Jähriger nicht so bewusst waren.
Es ist keinesfalls überzogen oder ausgedacht wie dieses Ausfragen im Kindergarten betrifft... Vielleicht weil wir viel Familie und Freunde im Westen hatten.Ich kann mich noch an meine Sehnsucht erinnern und es gibt Geschichten in denen ich partout im,, Westauto,, von Freunden meiner Familie über die Grenze wollte und nicht ausgestiegen bin.
Es ist unvorstellbar für ein Kind an einer Grenze Abschied nehmen zu müssen und nicht versteht warum dieser,, eiserne Vorhang,, überhaupt existiert.
Ich denke heute immer daran und es ist ein schönes Gefühl wenn ich die ehemalige Grenze passiere und meine Familie in Thüringen besuche und ich komme sehr gerne zurück denn die Mauer ist weg und Thüringen das schönste Bundesland ;) in unserer schönen BRD.
Es ist das beste was uns passieren konnte.

Lea · 12.03.2019

Großartiger Film, sehr spannend und klärt sehr gut über die damalige Zeiten in DDR und BRD auf, sehr belehrend. Nur weiter zu empfehlen!

Susann · 08.11.2018

Ich bin ein Kind dieser Zeit (Jugendweihe 1979 :-)) Mich hat der Film sehr aufgewühlt. Auch bin ich ausdrücklich dankbar für die erneute Aufarbeitung des Themas, da ich für mich persönlich bereits festgestellt habe, dass sich rückblickend alles schon etwas verklärt. Man kann dieses schlimme Thema der innerdeutschen grenze nicht oft genug wieder ins Bewusstsein holen. In der DDR durfte ich meinen Traumberuf nicht ergreifen. Zum Pharmaziestudium erhielt ich keinen Zugang. Dennoch fiel mir auf, dass das im Film gehandelte Medikament "Gravistat" (wenn ich mich recht erinnere) kein Schilddrüsenmedikament war :)
Sehr guter Kinofilm.

Steffen · 04.11.2018

Super Film...ich war echt begeistert!
Spannend von Anfang bis Ende.
Sehr gute schauspielerische Leistung...super
Kameraführung ...klasse Filmschnitt...

Im Kino gab es Beifall und alle blieben bis zum Abspann sitzen.. habe ich noch nie erlebt!

Kino Zeit Bewertung echt mal voll daneben!

Henning · 28.10.2018

Ein sehr gut gelungener Film. Dramaturgisch, schauspielerisch, hier stimmt einfach alles.

Maike · 14.10.2018

Super Film! Von Anfang bis Ende Spannend !

Andreas · 05.10.2018

Ganz großes Kino. Damit hat Bully gezeigt, das er nicht nur Comedy, sondern auch ernste Themen aufgreifen kann.👍

Katrin · 03.10.2018

Gänsehautfeeling pur. Absolut fesselnd und authentisch. Wirklich zu empfehlen!

Elvira · 30.09.2018

Der Film ist mega . Wieder ein Meisterwerk von Billy.

Mira · 26.09.2018

der Film an sich war gut- nur er hat die Lebensumstände in der DDR nicht dargestellt- z.B. fehlen hier die lieben SED Genossen auf der Arbeit oder der sogenannte ABV (Polizist vor Ort) und Trhiller kann man auch nicht sagen - weil man ja das Ergebnis schon kannte

Mira · 25.09.2018

habe den Film gesehen- Spezialeffekte - toll- Handlung für mich weniger - aber man kann ja auch nicht das Leben in der DDR in 1 1/2 Stunden packen-was fehlte war das Umfeld der Ballonfahrer - das kam etwas zu kurz - auch das nur die Stasi am Werke war - hätte anders laufen können- es fehlten die lieeben SED Genossen -viele junge Leute die den Film sehen werden- wissen sehr sehr wenig über die DDR und haben somit Probleme- aber an sich ein guter Film

Dorothea Jacob · 13.09.2018

Diesen Film hat Holylywood bereits vor Jahren verfilmt. Gibt es nicht genug neuen Stoff den man verfilmen kann. Sehr schlechte Leistung nur ein Abklatsch.

Jan · 15.09.2018

Holylywood hat 1979 einen schlechten Film zum Thema gemacht. Das ist richtig.
Dieser Film ist aber unvergleichlich viel besser und spannender. Grossartiges Spannungskino!

Torsten · 03.10.2018

Der Disney-Film von 1980 hat seinen Schwerpunkt auf die Fluchtvorbereitungen und die Flucht selbst. Die politischen Hintergründe werden dort größtenteils ausgeblendet und vom aktuellen "Ballon" deutlich besser gespiegelt.
Beide Filme haben etwas, Bullys Film ist ein Stück weit näher an der deutschen Geschichte bzw. der DDR-Realität dran.