Log Line

Was macht der Corona-Lockdown mit einer Ehe, die bereits am Ende ist? In der britischen Tragikomödie, die jetzt bei Amazon Prime zu sehen ist, müssen sich James McAvoy und Sharon Horgan mit dem Virus und sich selbst auseinandersetzen.

Together (2021)

Eine Filmkritik von Markus Fiedler

Mann, Frau, Kind, Corona

London im März 2020 – der Corona-Lockdown beginnt. Er (James McAvoy) und Sie (Sharon Horgan) tragen die Einkäufe ins Haus, sehen kurz nach dem gemeinsamen Sohn Arthur – und reißen dann die vierte Wand ein, indem sie das Publikum direkt ansprechen und als Adressaten ihrer Gespräche nutzen. Das wird fast für den gesamten Rest des Films so bleiben. Beide rechtfertigen ihr Tun nicht voreinander, sondern vor den Zuschauer:innen. Und erlangen nur langsam und mühsam die Fähigkeit zurück, über ein paar auserwählt erzählte Tage im Zeitraum von einem Jahr wieder miteinander zu reden. Dazu trägt auch ein tragischer Verlust bei, der Fassaden bröckeln und Masken fallen lässt.

Drehbuchautor Dennis Kelly arbeitet hauptsächlich fürs Theater, Regisseur Stephen Daldry zog es nach Filmen wie Billy Elliot – I will Dance und The Hours auch immer wieder dorthin. Und so wundert es nicht, dass Together über die komplette Zeit ein Kammerspiel ist, dass nur an einem Ort spielt und problemlos auf einer Theaterbühne zur Aufführung kommen könnte. Lediglich die Nähe zu den Schauspielern durch die Kamera unterscheidet den Film noch vom Platz im Theatersaal. Er und Sie erinnern dabei immer wieder an George und Martha aus Wer hat Angst vor Virginia Woolf?, allerdings brauchen sie kein junges Paar als Spiegelung ihrer selbst, haben sich längst in ihren hässlichen Umgang miteinander ergeben, obwohl sie kein erfundenes, sondern ein reales Kind haben, das erst ganz am Ende von Together ein einziges Mal sprechen wird.

Wesentlich stärkere Parallelen als zu Edward Albees Bühnen- und Filmklassiker zeigt Together allerdings zum neuesten Werk eines anderen großen Autors: Der Film erinnert immer wieder frappierend an Nick Hornbys Serienprojekt State of the Union, in deren zwei Staffeln jeweils ein lange verheiratetes Paar nach oder während einer Trennung direkt vor den Sitzungen mit einem Therapeuten Leben und Zustand ihrer Ehe analysiert – mit ähnlich starken Dialogen, wie sie Dennis Kelly hier vorlegt. Wer die Serie mit ihren tollen Schauspielern Rosamund Pike, Chris O‘Dowd Brendan Gleeson und Patricia Clark mag, wird auch an Together viel Freude haben.

Hier wie dort beschreiben die Autoren, wie sich zwei Menschen, die sich eigentlich gut kennen, durch äußere Faktoren dazu gezwungen sehen, sich einander noch einmal neu zu öffnen – nicht immer mit schönen Ergebnissen. So weist Together sicherlich einen der schlimmsten Heiratsanträge der Filmgeschichte auf. Kelly gelingt es, zwei reale Menschen reden zu lassen, die sich bei allen vorhandenen Klischees (er hat sich vom Arbeiterkind zum egoistischen Firmeninhaber hochgebissen, sie engagiert sich sozial in der Flüchtlingshilfe) doch sehr lebendig anfühlen und niemals nur als vorgestanzte Rollen erscheinen, auch wenn sie ein wenig unoriginell ausfallen.

Das ist der Verdienst des auch in schlimmen Situationen immer einen letzten Rest Sympathie behaltenden James McAvoy, der zudem eine ebenso glaubhafte wie emotional packende Wandlung durchlebt. Und der großartigen Sharon Horgan, die bereits in Serien wie Catastrophe und leicht verdaulichen Komödien wie Game Night ihr Talent für Dramedy bewiesen hat und sich auch hier mit vollem Einsatz in die Rolle wirft. Und für die emotionalen Höhepunkte eines an Gefühl nicht gerade armen Films sorgt.

Regisseur Stephen Daldry inszeniert seine Stars nüchtern, verlässt sich ganz auf deren Wirkung auf das Publikum – und macht damit alles richtig. Denn McAvoy und Horgan halten in jeder Sekunde das Interesse an dieser anstrengenden, lauten, hässlichen, selten wunderschönen und sich echt anfühlenden Beziehung aufrecht. Sie sorgen für von Herzen kommende Lacher, sich ertappt fühlende Kicherer, aber auch für einen Kloß im Hals, wenn der schlimmste Aspekt von Corona die Familie trifft. Und vor allem Sharon Horgan das Gefühl der Leere und unendlichen Trauer intensiv vermittelt.

Erst als sich das Paar dadurch wieder einander nähert, beginnen sie, miteinander zu reden statt in die Kamera. Und das Publikum, nicht länger als Katalysator für ihren Streit benötigt, wird vom willkommenen Gast zum ignorierten Beobachter. Es liegt in der Natur der Grundidee, nur wenige Tage des Jahres exemplarisch zu beleuchten, dass die Geschichte hin und wieder wirkt, als wäre sie im Zeitraffer erzählt, die Entwicklung ist manchmal schlicht zu schnell. Das ist aber auch schon das Einzige, was bei diesem Film mitunter stört.

Together ist stark geschriebenes Schauspielerkino, das mit seinen beiden Stars glänzt und den Seelenstriptease der Protagonisten glaubwürdig und hochemotional in Szene setzt. Wem der gallige, britische Humor liegt und Kammerspielen gefallen, bekommt mit Stephen Daldrys Film einen starken Vertreter seiner Art.
 

 

Together (2021)

Die Geschichte eines Paares, das durch die Realität des Corona-Lockdowns gezwungen wird, sich selbst und seine Beziehung neu zu bewerten.

  • Trailer
  • Bilder

Meinungen