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Eine Mokumentary über Stefanie Sargnagel, mit Stefanie Sargnagel und irgendwie auch von Stefanie Sargnagel. Das hätte eine bitterböse Satire über das Eigenleben einer Kunstfigur und den österreichischen Kulturbetrieb werden können. Stattdessen stolpert der Film ohne filmische Idee durch depressive Tristesse.    

Sargnagel – Der Film (2021)

Eine Filmkritik von Sebastian Seidler

Abhängen in der Kunstfigur 

Stefanie Sargnagel ist eine enorm wichtige Zumutung. In ihren Texten seziert die Autorin bissig und angriffslustig die österreichische Gesellschaft und den Kulturbetrieb. Feministisch und obszön, hemmungslos hedonistisch und abgründig depressiv ist die Frau mit der roten Baskenmütze. Respekt hat sie vor nichts und niemanden. Humor dient als Waffe. Das Lachen kippt immer auch in ein Erschrecken über die Monotonie des Lebens und den Starrsinn der Menschen. Stefanie Sargnagel will ätzend sein. Sie will nerven. Und das gelingt derart grandios, dass sie mit Hass und Liebe gleichermaßen überschüttet wird. 

Nun also ein Film über diese Kneipen- und Suffpoetin, die zwischen Kunst und Prekariat herrlich taumeln kann. Wobei man da schon genau sein muss. Das Regieduo Sabine Hiebler und Gerhard Ertl wollte ursprünglich einen Spielfilm drehen. Diese Idee scheiterte an der Finanzierung. Mit dem Vorschlag, einen Dokumentarfilm über die Autorin zu drehen, hatte man schließlich Erfolg bei den Geldgebern. Herausgekommen ist nun eine Mockumentary, in der so getan wird, als würde man einen Film über die Sargnagel drehen. Eigentlich eine gute Idee. Denn wie sollte man sich sonst einer Kunstfigur nähern, die davon lebt, dass das eigentliche Doppelleben von der Inszenierung überdeckt wird? Leider wird dieses Spiel der Identitäten in Sargnagel – Der Film kaum aufgegriffen. Zwar ist der Film voll von Metaebenen und satirischen Überhöhungen der Kulturbranche. Am Ende wirkt das Ganze dennoch wie der angestrengte Versuch, eine klassische Komödie mit dem Witz der Wienerin zu inszenieren. 

So stolpert man mit Stefanie Sargnagel durch eine Filmproduktion und ihr Leben. Ständig wird sie von einem Kamerateam begleitet. Es handelt sich um Recherche. Der Produzent (Thomas Grazer) will dran sein an der echten Person, damit der Film möglichst authentisch wird. Schauspieler und Regisseur Michael Ostrowski spielt eine ironische Version seiner selbst und muss sich mit einer Ehefrau Hilde Dalik (im Film wie im echten Leben) durch wenig subversive Anspielungen auf die Ibiza-Affäre quälen. Alle glauben an das Potenzial ihres gemeinsamen Filmprojektes, während sie allesamt den Wagen mit Ach und Krach über die Ziellinie schieben. Dazwischen gibt Alexander Jagsch den antriebslosen Freund von Sargnagel, der ausschließlich in Alltagsaphorismen spricht und sich nur beim Scheißen authentisch fühlt. 

Lustig ist das selten, denn keine Figur wird ernst genommen. Jeder spielt auf Anschlag, kaputt und überzogen. Alle agieren wie fleischgewordene Sätze aus den Büchern von Stefanie Sargnagel, womit jedwede Offenheit und Selbstreflexivität des Schreibens verloren geht. Die Metaebene ist der Modus Operandi sämtlicher Akteure. Jedoch zerschellen an diesem Overacting alle Pointen, weil guter Humor immer auch echte Tragik benötigt. Witzfiguren, wie sie auch gerne in deutschen Komödien für Unterhaltung sorgen sollen, haben einfach keine Fallhöhe. Der Witz drängt sich auf und will mit äußerster Penetranz auch noch über sich selbst lachen. Da vermag auch der Wiener Schmäh den Sturz in angestrengte Albernheit nicht verhindern. 

So folgt die Kamera also einer Autorin in ihre chaotische Wohnung, filmt das Saufgelage der Kulturblase in der Stammkneipe und ist schließlich auch bei der  kräftezehrenden Lesereise durch Österreich und Deutschland dabei. Dem Leben einer Kunstfigur kommt man jedoch in diesem Film nicht auf die Spur, weil es eben nur die Künstlichkeit gibt, die sich in ihrer verstrahlten Planlosigkeit wie ein zäher Schleim über den Film legt. Die Doppelbödigkeit ist reine Illusion. Wohlwollend könnte man sagen, dass Sargnagel – Der Film in seiner ganzen Form buchstäblich zu Stefanie Sargnagel wird. Das ist dann alles in allem nur leider keine produktive Zumutung, sondern schlicht und ergreifend langweilig und nichtssagend. 

Sargnagel – Der Film (2021)

Das Buch „Fitness“ von Stefanie Sargnagel soll verfilmt werden. Einzige Bedingung seitens der Filmförderung: Sargnagel soll sich selbst spielen. Neben der Autorin tauchen auch zahlreiche Akteur/innen der Wiener Kulturlandschaft in Cameo-Auftritten auf, um den österreichischen Kulturbetrieb und seine Mechanismen satirisch zu sezieren. (Quelle: Diagonale 2021)

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