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Ein Mann, eine Jacke, eine Obsession. Georges Leben ist in Trümmern, aber als er die perfekte Jacke findet, ist alles gut. Bis ihn die Jacke darum bittet, dass er alles tut, damit sie die einzige Jacke auf der Welt ist …

Monsieur Killerstyle (2019)

Eine Filmkritik von Beatrice Behn

Hardcore-Fetisch in den französischen Alpen

Georges (Jean Dujardin) fährt Auto. Irgendwann hält er an und betrachtet sich beim Tanken in der Glasscheibe seines Wagens. Runzeln ziehen über seine Stirn. Was ist das für eine Jacke, die er da trägt? Grün? Aus Cord? Nein, die muss sofort weg. Ins Klo versucht er sie zu treten. Ein unbeholfener Versuch, der vielleicht auch schon etwas über Georges mentalen Zustand aussagen würde, wäre er nicht Protagonist in einem Film von Quentin Dupieux.

Wer Dupieux kennt, weiß, worauf er/sie sich einlässt: Absurd und surreal geht es in seinen Filmen zu. Dupieux changiert zwischen Dalí und Dadaismus, zwischen schon schmerzhaftem Wahnwitz und melancholischem Irrsinn. Sein Debüt machte der Regisseur, der Musikfreunden auch als Mr. Oizo bekannt ist, mit Rubber, einem Film über einen mordenden Reifen. Es folgten diverse weitere Filme wie Wrong oder Reality, die sich stets um die Beziehung von Menschen zu ihrer Umwelt (meist Tiere oder unbelebte Objekte) drehen und diese Wechselbeziehung immer mit brutaler Ernsthaftigkeit durchexerzieren. Monsieur Killerstyle handelt nun, das lässt die Entjackung der Hauptfigur schon gleich erahnen, von einem Mann, der eine Beziehung mit einer Jacke eingeht.

Diese Jacke findet Georges irgendwo entlegen in den Alpen bei einem alten Mann, der eine Anzeige aufgegeben hat. Über 7.000 Euro legt Georges für die braune, mit Fransen bestückte Westernjacke hin, die nicht nur kaum getragen, sondern vor allem auch unglaublich schick (in seinen Augen) ist. Denn sie ist zu 100% aus Hirschleder. Georges kann sein Glück kaum fassen und bekommt noch einen alten Camcorder „kostenlos“ dazu. Mit seiner neuen Jacke und dem Camcorder mietet er sich, inzwischen völlig abgebrannt, in einem kleinen Hotel ein. Den Ehering gibt er als Pfand ab, ein Telefonat später ist klar: Georges wurde von seiner Frau rausgeschmissen, weil er ein totaler Loser ist und sie die Schnauze voll hat. Die Jacke hat er vom gemeinsamen Konto bezahlt, das jetzt gesperrt ist. Aber egal. Georges hat seine Jacke. Und diese beginnt er mit dem Camcorder zu filmen. Alsbald spricht sie auch zu ihm. Natürlich in extra-maskuliner Stimmlage.

Als Georges in die Kneipe geht, trifft er Denise (Adèle Haenel). Sie fragt nach seinem Beruf, er antwortet spontan Filmemacher. Sie freut sich, ist sie doch nebenberuflich Editorin und hat gerade Pulp Fiction in die korrekte zeitliche Reihenfolge geschnitten. Denise will bei Georges Film mitmachen. Er willigt ein und gibt ihr eine Kassette, auf der er seine Jacke filmt.

Doch das klingt alles zu lahm für einen Dupieux-Film, auch wenn man schon merkt, dass Georges Faszination durchaus überhandnimmt. Doch dann legt die Jacke nach. Sie will die einzige Jacke auf der Welt sein, sagt sie und Georges merkt: er will auch der einzige Jackenträger der Welt sein. Doch wie soll das gelingen? Die Antwort in Monsieur Killerstyle ist, wie erwartet, extrem konsequent.

Nicht immer gelingen Dupieux‘ Filme und nicht immer vermögen sie sich über absurd-lustige und vereinzelt in ihrer Konsequenz gruselig verhandelte Momente hinauszubewegen. Die Geschichten, die er in seinen Filmen, Monsieur Killerstyle eingeschlossen, erzählt, sind meist recht dünn und werden vor allem davon getragen, dass das Ensemble sie zusammenhält. Dujardin und Haenel haben mehr als genug Verve und nehmen sich und ihre Rollen bei aller Absurdität bitter ernst, so dass Monsieur Killerstyle durchaus genug Sog entwickelt, um sein Publikum mehr und mehr einzufangen und auf seine Reise mitzunehmen.

Dabei schafft der Regisseur, ob gewollt oder nicht, auch ein interessantes Portrait über die Macht der Obsession. Man vermag darüber zu lachen, weil diese in einem Akt massiver Fetischisierung einer Jacke eingebettet ist, doch genau dieses Lachen schafft eine hervorragende analytische Distanz, um die zerstörerischen Mechanismen von Macht und Gier einmal näher zu betrachten, die Georges und später auch Denise reiten und verleiten.

Monsieur Killerstyle (2019)

Georges verlässt seine Wohnung mit dem festen Vorsatz, sich endlich die Hirschleder-Jacke seiner Träume zu kaufen. Ein Kauf, der all seine Ersparnisse aufzehren wird und der längst zu einer Obsession geworden ist. Und dieser dringende Wunsch, die Jacke zu besitzen, wird Georges schließlich auf einen Pfad des Verbrechens führen.

 

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Meinungen

Martin Zopick · 25.10.2022

Dazu fällt mir nur ein Titel von Henscheid ein ‘Trilogie des laufenden Schwachsinns‘. Aber man würde Henscheid ja Unrecht tun. Seine Bücher sind doch blanke Satire, voller Ironie. Und das machte immer Sinn. Der Regisseur dieses Filmchens Quentin Dupieux, verarscht das Publikum 80 Minuten lang. Und das gelingt auch nur weil man den beiden Hauptdarstellern Jean Dujardin (George) und Adèle Haenel (Denise) keinen Unfug zutraut und dranbleibt, weil man hofft irgendwann einen Sinn in den Bildern um eine Wildlederjacke zu finden. George dreht einen Film über das Kleidungsstück, ohne Geld, ohne Drehbuch und eine arbeitslose Cutterin hilft ihm mit wenig bis gar keinem Geld dabei. Morde gibt’s ab und an so zufällig willkürlich wie beim Kegeln. Erleichterung nach gut einer Stunde.
Das ist kein Film Off-Mainstream, sondern Inside-Shit. Kein Wort mehr darüber. Zudecken mit dem Mantel des Schweigens.

Ralf · 21.12.2022

Wow. Ich denke, du hast ihn nicht verstanden, zu mögen. Ist schon ein großartiger Film, ich könnte auch ausführen, warum ich das denke. Aber bin mir nicht sicher, ob das erwünscht ist. Ich kann ihn jedem Arthouse-Liebhaber und cineastischen Ästheten ans Herz legen. Ich werdet begeistert sein :)

Chris · 04.08.2020

Heute in der Sneak gesehen, liebe Franzosen, wir müssen reden: das ist kein komischer Film. Und ein Thriller schon gar nicht. Ich habe mich durch eine Stunde siebzehn Minuten Filmmaterial gequält und fast ebenso lange überlegt, ob ich meine Zeit nicht unterhaltsamer verbringen könnte. Nachdem ich den Film doch tatsächlich bis zum Ende durchgestanden habe, möchte ich diese Frage mit einem klaren „ja“ beantworten. Er ist langweilig. Öde. Die Musik nervt. Nein, diesen Film würde ich nicht empfehlen. Fußnägelschneiden ist unterhaltsamer. Da hat man am Ende wenigstens was von. Von mir in der Bewertung nur ein Punkt von zehn.

Ralf · 21.12.2022

Liebe Franzosen, verzeiht meinem Landsmann. Denn er weiß nicht, wovon er spricht. Ich finde ihn ganz großartig, aus vielerlei Gründen.