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In der Komödie „Meine Schwester, ihre Hochzeit & ich“ von Laurent Tirard verkörpert Benjamin Lavernhe einen Mann am Rande des Nervenzusammenbruchs.

Meine Schwester, ihre Hochzeit & ich (2020)

Eine Filmkritik von Andreas Köhnemann

In Adriens Kopf

Wieso denn bloß wollte sie eine Beziehungspause? Weshalb meldet sie sich nun seit Wochen gar nicht? Und warum nur verlangt der enervierende Schwager-in-spe eine Rede zur Hochzeit der Schwester? Das sind die Fragen und Sorgen, die Adrien (Benjamin Lavernhe) in der französischen Komödie „Meine Schwester, ihre Hochzeit & ich“ umtreiben. Keine hochdramatischen Konflikte, keine überdrehten Eskalationen – sondern einfach nur alltägliche Probleme, an denen eine leicht neurotische Person wie Adrien allerdings durchaus schnell verzweifeln kann.

Der Regisseur Laurent Tirard, der schon aufwendige Mainstream-Produktionen wie Molière (2007), Der kleine Nick (2009) und Asterix & Obelix – Im Auftrag Ihrer Majestät (2012) (mit-)geschrieben und inszeniert hat, hat den 2018 veröffentlichten Roman Le Discours von Fabrice Caro für die Leinwand adaptiert. Der 1967 geborene Franzose spricht in einem Interview von „einem zweiten Erstlingsfilm“, bei dem es ihm möglich gewesen sei, Dinge auszuprobieren und Risiken einzugehen. Im Vergleich zu jenen starbesetzten Großprojekten ist Meine Schwester, ihre Hochzeit & ich tatsächlich ein recht bescheidener Film ohne pompöse Ausstattung oder wilde Actioneinlagen, jedoch mit dem erkennbaren Willen zur Verspieltheit. Die Haupthandlung findet an einem einzigen Abend statt, während eines Familienessens zu fünft.

Mit seiner Mutter (Guilaine Londez), seinem Vater (François Morel), seiner Schwester Sophie (Julia Piaton) und seinem baldigen Schwager Ludo (Kyan Khojandi) sitzt Adrien am Tisch und ist abgelenkt. Denn kurz zuvor hat er eine Nachricht an Sonia (Sara Giraudeau) geschickt – seine (Ex?)Freundin, die vor 38 Tagen um eine Pause gebeten hat. Sonia hat die Nachricht empfangen, reagiert aber nicht. Das veranlasst Adrien dazu, sich die abenteuerlichsten Dinge auszumalen, um eine Begründung für das Schweigen zu finden. Darüber hinaus stürzt ihn besagte Bitte von Ludo in eine Krise. Schließlich kann bei so einer Rede zu solch einem Anlass ja allerhand missglücken.

Den Bewusstseinsstrom des Protagonisten setzt Tirard auf lustvoll-kreative Weise um. So sehen wir etwa, welche möglichen Hindernisse Sonia davon abgehalten haben könnten, auf Adriens Nachricht zu antworten. Auch diverse denkbare Abläufe der Hochzeitsrede – mal als Triumph, mal als schrecklich peinliche Niederlage – werden visualisiert. Immer wieder wird für Adriens innere Monologe die vierte Wand durchbrochen, indem der Held direkt zu uns in die Kamera spricht. Das erinnert unter anderem an Ferris macht blau (1986) von John Hughes und Singles (1992) von Cameron Crowe sowie an etliche RomComs der 1990er Jahre und an die frühen Episoden von Sex and the City. Es ist keine völlig neue Idee; sie wird hier jedoch überaus charmant umgesetzt – was nicht zuletzt dem sympathischen Spiel von Benjamin Lavernhe zu verdanken ist. Dieser kombiniert das Schrullig-Einnehmende seines Parts in Birnenkuchen mit Lavendel (2015) mit der Egozentrik, die er als Bräutigam in Das Leben ist ein Fest (2017) an den Tag legte – und verkörpert so eine ambivalente Figur, die etwas zu sehr in ihrer eigenen Welt lebt, aber dennoch liebenswert erscheint.

In einigen Rückblenden, in denen wir etwa miterleben, wie sich Adrien und Sonia auf einer Kostümparty unter ziemlich chaotischen Umständen erstmals begegnen und wie beim ersten Date der beiden rasch die Funken sprühen, wodurch sich Adriens sorgsam vorbereitete Liste mit potenziellen Gesprächsthemen erfreulicherweise als überflüssig erweist, ist Meine Schwester, ihre Hochzeit & ich zudem eine schöne romantische Komödie mit reichlich Dialogwitz und einer stimmigen Chemie zwischen dem Leinwandpaar.

Meine Schwester, ihre Hochzeit & ich (2020)

Adrien sitzt fest — bei einem Familienessen. Bei dem Papa die gleichen Anekdoten wie immer zum Besten gibt, Mama die ewig gleiche Lammkeule serviert und Sophie, seine Schwester, ihrem zukünftigen Ehemann zuhört, als wäre er Einstein. Adrien wartet stattdessen, wartet darauf, dass Sonia, die Liebe seines Lebens, auf seine SMS antwortet und die „Pause“ beendet, die sie ihm und ihrer Beziehung seit einem Monat verordnet hat. Doch sie antwortet nicht. Zu allem Überfluss bittet ihn Ludo, sein zukünftiger Schwager, auch noch, eine Rede auf ihrer Hochzeit zu halten. Adriens Angst schlägt in Panik um. Aber was, wenn diese Rede das Beste ist, was ihm passieren kann? Und so nimmt sie in seiner Phantasie schon vielfältige Formen an, die er bereitwillig mit dem Publikum teilt.

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