Vive la France - Gesprengt wird später

Eine Filmkritik von Sophie Charlotte Rieger

Andere Länder, andere Pointen

Vive la France hinterlässt – und das soll gleich eingehend formuliert werden – Ratlosigkeit. Trotz des offensichtlichen Bezugs zu Borat stellt sich nach dem Film die Frage, was dieser politisch unkorrekte Klamauk eigentlich sein will.
Wie schon ihr Vorgänger kommen auch die Helden der französischen Komödie aus Zentralasien, jedoch nicht aus Kasachstan, sondern aus dem fiktiven Land Taboulistan, wo – man ahnt es ja schon – der Taboulé erfunden wurde. Dabei stehen die Sitten dieser ominösen Region in der Nähe von Afghanistan, Tadschikistan und Kirgisistan den von Borat so eindrücklich dargelegten kasachischen Traditionen in ihrer Derbheit in nichts nach. Doch insbesondere was das Geschlechterverhältnis angeht, legt Regisseur, Drehbuchautor und Hauptdarsteller Michaël Youn noch eine Schippe drauf und verlangt von seinem Publikum, sich darüber auszuschütten, dass die taboulischen Männer ihren Frauen beim Nationaltanz eine Ohrfeige nach der anderen verabreichen.

So ist es auch nicht weiter verwunderlich, dass Muzafar (José Garcia) und Feruz (Youn) sich bei ihrer Reise nach Frankreich vor allem darüber wundern, dass das Schlagen von Frauen in diesem europäischen Land verboten ist. Wie kann das nur sein? „Stell Dir einfach vor, sie ist ein Mann“ rät der etwas bravere Feruz seinem Bruder, als diesem den kulturellen Gepflogenheiten zum Trotz „die Hand ausrutscht“. Und noch einmal sollen wir lachen. Vielleicht würde diese arg fehlgeleitete Ironie ja gar funktionieren, wenn der Film selbst nicht so schrecklich sexistisch wäre. Michaël Youn scheint große Freude daran zu haben, seine Ehefrau Isabelle Funaro als weiblichen Sidekick der taboulischen Brüder freizügig in Szene zu setzen. In Minirock erklimmt sie einen Zaun, wobei ihr das ohnehin schon knappe Kleidungsstück natürlich bis zum Bauchnabel hochrutscht und nur die geschickte Kameraeinstellung verhindert, dass wir Form und Farbe ihres Höschens begutachten können. Sollen wir darüber etwa ebenfalls lachen? Und auch wenn Muzafar und Feruz die Frauen in diesem Land merkwürdig gleichberechtigt erscheinen, so sind im Frankreich von Vive la Fance die Ärzte männlich, die Schwestern weiblich, die Männer Rugbyspieler und die Frauen in der Küche beschäftigt.

Doch mit dieser fragwürdigen Darstellung der Geschlechterverhältnisse hat sich das politisch unkorrekte Potential noch nicht erschöpft. Muzafar und Feruz sind nämlich Terroristen, die beauftragt werden ein Flugzeug zu entführen und dieses in den Eiffelturm zu lenken. Auch wenn dieses Unternehmen misslingt, birgt alleine die Idee schon ausreichend geschmacklose Assoziationen mit 9/11. Muss das denn sein?

Vive la France ist zu großen Teilen ein chaotischer Roadtrip, der die taboulischen Möchtegerntouristen, die in ihrer Dämlichkeit Dick und Doof Konkurrenz machen, von Korsika über Marseille bis nach Paris führt. Wo immer sie auftauchen, sorgen sie für Chaos, insbesondere wenn Musik erklingt und sie ihren Traditionstanz aufführen. Und noch eine Ohrfeige. Einmal lachen bitte.

Wenn wir uns nicht über die Misshandlung von Frauen amüsieren wollen, so bleibt uns nur noch der Slapstickhumor, der zu Gunsten platter Gags auch gerne mal über Logik hinweg sieht. Während der Film zu Beginn noch ordentlich Seitenhiebe auf die Franzosen austeilt und damit vielleicht Kenner der französischen Kultur amüsieren kann, wandelt er sich gen Ende vollkommen überraschend in ein Loblied dieser Nation. Auch hier macht sich wieder Ratlosigkeit breit. Will Michaël Youn nun die Eigenarten seiner Landsleute auf die Schippe nehmen oder seine Heimat beweihräuchern? Die Frage lässt sich nicht beantworten.

Besonders bedauerlich ist, dass Vive la France durchaus kultverdächtige Elemente besitzt. Bis auf die Ohrfeigen schreit die taboulische Choreographie geradezu danach, angeheitert auf einer Party nachgetanzt zu werden. Und auch die Landessprache der Hauptfiguren liefert Ausdrücke, die mit einem zwinkernden Auge zumindest vorübergehend in die Umgangssprache übernommen werden könnten. Da aber der Rest des Konzepts hauptsächlich zur Fremdscham einlädt, lassen sich diese originellen Ideen nur schwer wertschätzen.

Vielleicht sind die Franzosen ja eher in der Lage, die Absicht hinter Vive la France sowie den Humor des Films zu verstehen. Vielleicht entgeht uns als deutsches Publikum einfach ein intelligenter Subtext, der alles wieder ins rechte Licht rückt. Vielleicht aber ist Humor auch einfach eine kulturell bedingte Geschmackssache. Und Vive la France ist aus deutscher Sicht einfach ziemlich bitter.

Vive la France - Gesprengt wird später

„Vive la France“ hinterlässt – und das soll gleich eingehend formuliert werden – Ratlosigkeit. Trotz des offensichtlichen Bezugs zu „Borat“ stellt sich nach dem Film die Frage, was dieser politisch unkorrekte Klamauk eigentlich sein will.
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Meinungen

Armin · 05.02.2022

Mein Gott!
Nicht der Film ist peinlich, sondern diese Filmkritik!!!!