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Was kann ein Junge schon gegen seine überfürsorgliche Familie ausrichten, die ihn von anderen Kindern isoliert? In diesem Kinderfilm des italienischen Regisseurs Samuele Rossi bauen neugierige Gleichaltrige dem von einem seltenen Leiden befallenen Helden eine Brücke nach draußen und ins Glück.

Glassboy (2020)

Eine Filmkritik von Bianka Piringer

Ein Junge im goldenen Käfig

Pino (Andrea Arru) hat scheinbar alles, was ein Junge von elf Jahren begehrt. In seinem großen Zimmer voller Spielsachen stehen ein Teleskop, ein Zelt, eine Musikanlage. Seine liebenden Eltern verwöhnen ihn mit leckerem Essen. Und doch bleibt Pino verwehrt, was er sich am allermeisten wünscht: Er möchte so gerne hinaus vor das Haus auf den Platz, den die wilde Kinderbande von Mavi (Rosa Barboloni) mit ihren Fahrrädern unsicher macht. Pino darf nie das Haus verlassen, denn er leidet an Hämophilie und jede Verletzung könnte gravierende Blutungen nach sich ziehen.

Aber weil Pino die Bande bei ihren Fahrradrennen anfeuert, wird diese auf ihn aufmerksam. Die jungenhafte Mavi klettert unerschrocken zu seinem Fenster hoch und stattet ihm einen Besuch ab. Er solle doch das nächste Mal lieber zu ihnen hinunterkommen. Das geschieht schneller als gedacht. Denn als Pino sieht, dass ein Junge einer rivalisierenden Bande Mavi eine böse Falle in Form eines gespannten Seils stellt, rennt er einfach hinaus und rettet die Radfahrerin im letzten Augenblick. Das ist der Beginn einer wunderbaren Freundschaft und Pinos Mutter (Giorgia Würth) lädt Mavi, Domenico (Gabriel Mannozzi De Cristofaro), die kleine Mei Ming (Mia Pomelari) und den pummeligen, vorlauten Ciccio (Stefano Trapuzzano) zu einem Imbiss in die Villa. 

Pinos Eltern sind zögerlich bereit, dem Rat des Arztes zu folgen und dem Sohn neue Freiheiten zu gewähren. Aber die Großmutter (Loretta Goggi) will das kategorisch verhindern: Pino soll lieber mit ihr nach Schweden reisen und dort eine neue Therapie bekommen. Der Kinderfilm, den der Regisseur Samuele Rossi nach einem Roman von Fabrizio Silei inszeniert hat, erinnert vom Thema her an die wiederholten Verfilmungen eines anderen Romans, Der geheime Garten von Frances Hodgson Burnett. Das Motiv eines Kindes, das aus elterlicher Sorge um seine Gesundheit vom Kontakt mit Gleichaltrigen abgeschnitten ist, berührt gerade auch ein junges Publikum und schickt seine Fantasie auf die Suche nach Abhilfe. Auch hier ist es ein Mädchen, das die Schranken der Isolation durchbricht und einen allmählichen Bewusstseinswandel einleitet: Was Pino am meisten beeinträchtigt, ist nicht die Krankheit an sich, sondern dass die Erwachsenen ihre Angst um ihn nicht in den Griff kriegen.

Allerdings gibt es Rückschläge. Die Geschichte nimmt einen abenteuerlichen Verlauf mit Krimi-Einschlag und Pino wird die tatkräftige Hilfe seiner vier neuen Freunde brauchen. Die Handlung ist relativ simpel erzählt und so manche Dialoge wirken hölzern. Eine gewisse Amateurhaftigkeit aber passt gar nicht so schlecht zur naiv-märchenhaften Färbung der Geschichte. Diese wird auch dadurch befördert, dass sie, wie die Rahmenhandlung zeigt, in Pinos selbst verfasste und gezeichnete Comics eingeflossen ist. Manche Szenen folgen Pinos Fantasien oder Träumen, etwa wenn er in tiefes Wasser taucht und von ferne Stimmen erklingen, die ihn in die Realität zurückrufen. 

Zum Charme des Films tragen ganz wesentlich die jungen Darsteller*innen bei. Vor allem beeindruckt Pinos Darsteller Andrea Arru. Er kann den Jungen sowohl sehr nachdenklich und introvertiert, beinahe erwachsen spielen, als auch seine Fähigkeit, sich unbändig wie ein kleines Kind zu freuen, ausdrücken. Pinos Konflikte mit den Eltern, dem Hauslehrer und der Großmutter stehen im Vordergrund, aber auch Mavi hat Probleme, mit einem jähzornigen Vater. Ganz kindgerecht steuert die Geschichte jedoch einen versöhnlichen Kurs. Konflikte werden als lösbar geschildert, Erwachsene können ein Einsehen haben und Kinder sind grundsätzlich gewillt, zu vergeben. Der Erzählstil bleibt durchgehend lebhaft und unbekümmert. Die gute Laune bricht sich am eindrucksvollsten Bahn, wenn die Kinder in Pinos Kinderzimmer spontan zu Rockmusik zu tanzen anfangen und das so natürlich aussieht, als hätten sie ihr Lebtag nichts anderes gemacht.

Glassboy (2020)

Pino Gambassi (Andrea Arru) ist ein Kind, das an Hämophilie leidet und von einem unbändigen Freiheitsdrang und grenzenlosem Mut beseelt ist: Er beschließt, sein Abenteuer in der Welt zu beginnen und allen zu zeigen, dass er sein Leben wie ein normales Kind leben kann.

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