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Franky ist schüchtern, zurückgezogen, menschenscheu. Das liegt auch daran, dass sie zugleich in einer Parallelwelt lebt: Die skurrilen Angestellten eines bizarren Hotels sind ihre imaginären Charakter-Persönlichkeiten, die mehr und mehr in ihr Leben eingreifen.

Franky Five Star (2023)

Eine Filmkritik von Harald Mühlbeyer

Larifari im Kopf

Franky (Lena Urzendowsky) heißt eigentlich Elena, damit fängt es schon an. Die Mutter redet sie mit Geburtsnamen an, überhäuft sie beim Shoppen mit Kleidern, die ihr nicht stehen, wüsste gerne, wie der Lebensweg aussieht, immer nur an der Kasse im Getränkeladen kann’s ja nicht gewesen sein, und überhaupt, hat Elena, also Franky, eigentlich inzwischen einen Freund? Franky hat keinen Freund. Aber einige Bekannte in einem ziemlich heruntergekommenen Hotel hat sie: Lenny (Cito Andresen), das verspielte Kind, das mondän-verführerische Zimmermädchen Ella (Sophie Killer), den harmoniebewegten, kapitalismuskritischen Pagen Frank (Sven Hönig) und Frau Franke (Gerti Drassl), die von der Rezeption aus mit gouverantenhafter Strenge und gouvernantenhafter Güte für Ordnung zu sorgen hat. Franky hat auch eine Mitbewohnerin, Katja (Meryem Ebru Öz), die hat einen Freund, Hasi (Cino Djavid) – die letzten beiden sind echt. Die anderen in ihrem Kopf.

Birgit Möller führt uns rein in die Welt von Franky, in einem Hotel mit labyrinthischen Zimmer, mit skurrilen Figuren wie aus einem Aki Kaurismäki-Film in Farben wie von Wes Anderson, und in ihre Realität als schüchterne, unsichere junge Frau ohne Plan. Der Aufzug ist die Verbindung zu den Kopfwesen, Wasser kann auch helfen. Ein Huhn wandelt zwischen den Welten. Möller schmeißt den Zuschauer rein in das Chaos rund um Franky, und dass das Umschalten zwischen ihren beiden Welten so gut funktioniert, dass die Dynamik stimmt und zugleich die Figurencharakteristiken nicht überkandidelt wirken, das ist das große Verdienst von Drehbuch (Knut Mierswe) und Möllers Regie.

Erfrischend und ungewöhnlich kommt Franky Five Star daher, als Beziehungskomödie der anderen Art, als Psychodrama der komischen Art, als Generationenporträt der turbulenten Art. Sehr lustig, wie immer wieder das bizarre Durcheinander aus Frankys Hotel in ihr Wesen rüberschwappt. Auf einer kleinen WG-Party steht sie stumm rum, bis Lenny, das Kind, in den Fahrstuhl steigt und in sie fährt. Überschwänglich und aufgedreht tanzt sie, ist voll verliebt in Hasi, der mit Katja zusammen ist, klaut Autoschlüssel, fährt zur Tanke, will ein Eis, will Autofahren… Dann sackt sie wieder in ihr zurückhaltendes Gemüt zusammen. Um anderntags als sexy Verführerin aufzutreten, weil Ella in ihren Charakter eingezogen ist, und im Getränkemarkt zu kündigen, begleitet von einer lautstarken Kapitalismuspredigt, eindiktiert vom Pagen Frank.

Lena Urzendowsky spielt hervorragend gut, wie sich die Charakterschwankungen auf sie einschwingen, in sie stürzen, lässt sich voll ein auf die Verhaltensänderungen ihrer Figur, ohne deren wahren Charakter zu verraten. Es ist ein Kampf der Gefühle und des Denkens, das Urzendowsky in perfekter Balance rüberbringt. 

Etwas forciert mag die Verliebtheit von Hasi – der eigentlich Hasimi heißt – wirken, der so richtig viel von Frankys „wahrem“ Ich nicht mitbekommt, dafür ziemlich viel von den ganz gegengesetzten Polen, die in ihr immer wieder zur Geltung kommen. Zwischenmenschlich problematischer wird das Ganze noch dadurch, weil Franky eigentlich das Projekt „Roman“ verfolgt, das ist der hübsche, coole Musiker aus der Nachbarschaft. Und natürlich will sie Katja nicht verlieren, die sie bemuttert und verdoktort, wenn Franky mal wieder hypochondrisch Hautkrebsflecken an sich sieht, weil sie so gestresst wurde von ihrer Mutter. Wenn dann doch irgendwann die Bombe platzt in Frankys zweigeteiltem Leben, ist erstmal das Chaos perfekt. Und aus den Trümmern kann wieder was Neues werden.

Birgit Möller ist ein sehr origineller und filmisch ausgezeichnet aufgelöster Film um Realität und imaginäre „Freunde“ – oder besser Durcheinanderbringer – gelungen. Das geht bis zur Musik, zum „Larifari“-Chanson von Hildegard Knef, der hier in einer merkwürdigen finnischen Fassung gespielt wird… 

Franky Five Star (2023)

„Sei einfach du selbst!“ Wer kann das schon? Franky jedenfalls hat vier Stimmen in ihrem Kopf, die ihr Leben immer wieder durcheinanderbringen. In ihrer Kopfwelt wohnt sie mit Ella, Frank, Lenny und Frau Franke in einem alten Hotel. Während Franky einfach nur ihr Leben in den Griff kriegen will, haben ihre Alter Egos ganz eigene Ziele. Die wollen Liebe — oder endlich mal Sex. Als sie ausgerechnet dem neuen Freund ihrer besten Freundin immer näherkommt, bricht in ihrem Kopf-Hotel Chaos aus. (Quelle: Filmfestival Max Ophüls Preis 2023)

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