Valerie (2006)

Eine Filmkritik von Katrin Knauth

Von der Luxuswelt in die Tiefgarage

Eine junge, zierliche Frau fährt lässig mit ihrem alten Jaguar vor dem Grand Hyatt am Potsdamer Platz vor, steigt aus und schreitet beladen mit Beauty-Case, Shopping-Tüten und Rollkoffer hinein in das behagliche Foyer des Berliner Luxushotels. So sehen wir zum ersten Mal Valerie (Agata Buzek), die Frau, deren Schicksal der gleichnamige Film Valerie erzählt.
Sie ist beneidenswert schön, elegant, ihre Ausstrahlung kühl und zerbrechlich. Kein Wunder, schließlich ist die junge Dame aus Polen ein Fotomodell und verdient ihr Geld mit solch bewundernswerten Äußerlichkeiten. Besser gesagt, sie verdiente ihr Geld damit – hier kommt der Haken – denn ihre erfolgreiche Zeit ist vorbei und jetzt ist sie völlig pleite. Der Ernst ihrer Lage ist ihr aber nicht anzusehen: Erstens residiert sie in einem der teuersten Hotels der Stadt, zweitens scheint sie mit ihren 29 Jahren und immer noch zarten Schönheit alles andere als raus aus dem Geschäft zu sein und drittens trägt sie die edelste Gaderobe und bewegt sich mit einer Grandezza umher, die eben nur in der Welt der Reichen und Schönen zu finden ist. Doch diese Welt ist längst zum fragilen Kartenhaus geworden, das jeden Moment einzustürzen droht und nur mit Täuschung, Charme und Gerissenheit länger aufrecht zu erhalten ist. Valerie fällt, doch sie stürzt nicht ab, sie gibt nicht auf, sie macht immer weiter.

Inspiration für das Kinodebüt von Birgit Möller war ein Zeitungsartikel über „Schattenfrauen“ in Amerika, obdachlose Frauen, die im Auto oder unter der Brücke schlafen und trotzdem weiterhin am gesellschaftlichen Leben teilhaben. Frauen, die sich in einer Welt zwischen Unten und Oben bewegen, zwischen Schein und Sein, zwischen Gosse und Champagnerglas. Ein Leben für den Augenblick, so scheint es, und im Fall von Valerie fragt man sich insgeheim, warum sie sich kein finanzielles Pölsterchen für schlechte Zeiten zurückgelegt hat, warum sie zur Not nicht mal schnell ein paar Tage kellnert. Doch das sind alles nur dumme Fragen über eine Frau, für die Geld gleich soviel Bedeutung hat wie sie es wieder um Fenster rausschmeißt und die dazu geboren scheint, ein Model zu sein, ein Star, ein Glamour-Girl, eine Diva.

Als Valerie aus dem Hotel auscheckt, reicht ihr Geld nicht mal mehr für die Parkgebühren. Der Hotelboy, der ihr die Koffer bis zum Auto trägt, muss auf sein Trinkgeld verzichten. Doch als sich Valerie einige Tage später ein bisschen Geld von einer Freundin leiht, zurück ins Hotel kommt und den Hotelboy wieder trifft, drückt sie ihm nachträglich gleich einen ganzen Schein in die Hand. Das nennt man Status und Würde.

Man kann sich für Valerie schwer eine andere Schauspielerin als Agata Buzek vorstellen, die ihre Rolle klug und sensibel gestaltet: Ihre Valerie schwebt wie ein Engel gelassen über den Dingen und lässt sich trotz ihrer Misere nicht aus der Ruhe bringen. Sie ist eine Außenseiterin in einer Traumwelt, ihr Leben hängt am seidenen Faden, doch das scheint sie alles gar nicht wahrzunehmen.

Die Tochter des ehemaligen polnischen Premierministers Jerzy Buzek ist hierzulande noch recht unbekannt, doch hat sie als 30-jährige Schauspielerin schon viele Theater-, Film- und TV-Rollen gespielt, darunter eine Nebenrolle in Andrzej Wajdas Film The Revenge (2002). Auch die Nebenrollen in dem Drama Valerie sind gelungen und prominent besetzt: Zu sehen sind Devid Striesow (Die Fälscher, Yella) als Parkwächter Andre und Birol Ünel (Gegen die Wand) als Liebhaber und Fotograf von Valerie. Devid Striesow, gerade in aller Munde, weil er gleich in zwei Berlinale-Wettbewerbsfilmen mitspielte, trägt dazu bei, den Film weiter aufzuwerten.

Stilistisch ist der Film eine Wucht. Es sind die Bilder, die man sich im Kino wünscht, die einen verzaubern und nicht mehr loslassen, wenn der Abspann längst vorbei ist. Birgit Möller hat ihr Talent als Kamerafrau längst bewiesen als sie zum Beispiel für Catherina Deus Die Boxerin (2005) filmte, aber diesmal hat die den Job Kolja Raschke überlassen und der macht diesen ganz ausgezeichnet. Birgit Möller, geboren 1972 in Osnabrück, hat Kamera und Regie an der dffb studiert und führt seit Ende des Studiums 2003 Werberegie für Kino- und TV-Spots.

Valerie ist ein Film über Einsamkeit in der heutigen, westlichen Gesellschaft. Valeries Schicksal erinnert an das von Sue (1997 von Amos Kollek), die in New York um ihre Existenz kämpft und Job, Beziehung und Wohnung verliert. Beide Frauen bewegen sich in einer zunächst auswegslosen Situation, sind unfähig ein normales Leben zu führen. Das Ende von Sue ist traurig, bei Valerie kommt es plötzlich und es überlässt jeden Zuschauer selbst, den Faden der Geschichte zu Ende zu führen.

Valerie (2006)

Eine junge, zierliche Frau fährt lässig mit ihrem alten Jaguar vor dem Grand Hyatt am Potsdamer Platz vor, steigt aus und schreitet beladen mit Beauty-Case, Shopping-Tüten und Rollkoffer hinein in das behagliche Foyer des Berliner Luxushotels.
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