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In „Zwischen uns der Fluss“ entwerfen Michael Klier, Gaya von Schwarze, Lena Urzendowsky und Kotti Yun ein zurückhaltendes und doch einnehmendes Städte- und Generationenporträt.

Zwischen uns der Fluss (2023)

Eine Filmkritik von Andreas Köhnemann

Erwachsenwerden an der Elbe

Filme sind eine Gruppenleistung. Dennoch wird häufig die Regie führende Person als kreative Spitze hervorgehoben. Bei „Zwischen uns der Fluss“ erhalten hingegen der Regisseur Michael Klier, die Editorin Gaya von Schwarze und die beiden Hauptdarstellerinnen Lena Urzendowsky und Kotti Yun gemeinsam den Credit „Ein Film von“. Der 1943 in Karlsbad geborene Klier, der seit den 1960er-Jahren in diversen Funktionen an etlichen Kurz-, Fernseh- und Kinofilmen mitgewirkt hat, entwickelte die Dialoge in enger Zusammenarbeit mit seiner Co-Autorin Karin Åström und mit den zwei jungen Frauen vor der Kamera; zuweilen wurde improvisiert.

Geschildert wird eine in Dresden angesiedelte Geschichte, die viel Dramatik beinhaltet. Die Inszenierung legt den Schwerpunkt allerdings größtenteils auf die ruhigen, nachdenklichen Momente, die sich daraus ergeben. So wurde Alice (Lena Urzendowsky) nach einer Umweltschutz-Demo, auf der sie angeblich einen Polizisten angegriffen haben soll, zu zwei Monaten Sozialdienst verurteilt. Von einer Therapeutin (verkörpert von Laura Tonke, die einst in Ostkreuz unter Kliers Regie ihr Filmdebüt gab) bekommt sie nun in einer psychiatrischen Einrichtung die vietnamesisch-stämmige Patientin Cam (Kotti Yun) zugeteilt. Diese ist traumatisiert, seit sie Opfer eines vermutlich rassistisch motivierten Angriffs wurde.

Zwischen uns der Fluss ist zum einen ein Porträt der Stadt Dresden. Auch hier entscheidet sich Klier mit seinem Kamerateam Markus Koob und Jenny Lou Ziegel für die stille, sehr intensive Beobachtung. Zum anderen ist das Werk die Coming-of-Age-Story zweier Frauen. Alice kümmert sich „zwangsweise freiwillig“ um Cam, die zunächst „nicht spricht und böse guckt“, wie Alice genervt bemerkt. Langsam öffnet sich Cam. Sie beginnt, sich mitzuteilen, und will die Klinik verlassen. Da sie ihre Wohnung verloren hat, wird sie von Alice aufgenommen. Während sich Cam unter anderem durch die Arbeit in einer Theatergruppe allmählich wieder einen Alltag aufbaut, treten die Brüche im Leben von Alice immer stärker hervor.

Auf interessante Weise setzt sich Zwischen uns der Fluss mit dem Aktivismus der Protagonistin auseinander. Schon zu Beginn sehen wir, wie Alice in einem Video die Bebauungspläne rund um die Elbwiesen kritisch kommentiert. Sie wohnt in einem Villenviertel und studiert, wie auch ihr Freund Chris (Jeremias Meyer), Architektur. Ihr Vater, der an der Uni doziert, fungiert als Initiator jener Pläne, gegen die sie so vehement rebelliert. Von Cam wird sie schonungslos auf ihre privilegierte Position hingewiesen: „Du kannst dir alles erlauben“, meint Cam.

Der Vater und die Mutter von Alice bleiben für uns unsichtbar. Der Film fokussiert sich auf die junge Generation. Er nimmt sie ernst, zeigt ein Gespür für deren Bedürfnisse, konfrontiert sie aber zugleich mit unschönen Wahrheiten, die ihr eigenes Verhalten und ihre eigene Denkweise betreffen. Lena Urzendowsky buhlt in ihrem Spiel nicht um unsere Sympathien. Sie lässt erkennen, wie widersprüchlich Alice oft agiert. Kotti Yun ist in ihrer konzentrierten Interpretation ein spannender Gegenpol.

Zwischen uns der Fluss kommt wiederum nicht als Film daher, der von perfekter Ergänzung erzählt. Nicht alles fügt sich ineinander, nicht alles löst sich endgültig auf. Bei aller Nähe, die entsteht, bleiben Differenzen und Distanzen, wie der Titel bereits andeutet. Klier und sein kreatives Team reflektieren über die Gründe der Unstimmigkeiten, ohne uns klare Antworten vorzugeben.

Zwischen uns der Fluss (2023)

Alice (Lena Urzendowsky) wurde nach einer Umweltaktion des zivilen Ungehorsams beschuldigt und zum Sozialdienst verurteilt. Sie soll sich um Cam (Kotti Yun) kümmern, die nach einem rassistischen Überfall traumatisiert ist. Als Cam sich gegen eine Verlängerung des Klinikaufenthalts entscheidet, nimmt Alice die verschlossene Frau mit zu sich ins gutbürgerliche Villenviertel in Dresden. Dort löst sich etwas in Cam; in dieser idyllisch geschützten Umgebung kann sie erwachen. Alice kümmert sich und ist zunehmend fasziniert. Die unerwartete Zuneigung ist spürbar. Doch das Verhältnis wandelt sich und Cam hält Alice’s Fürsorge einen kritischen Spiegel vor — und wird ihren eigenen Weg gehen. (Quelle: Real Fiction Filmverleih)

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