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Mit Filmstars in den 1950er Jahren durch die italienische Nacht streifen? Saverio Costanzos „Finalmente l’alba“ macht cineastische Träume wahr.

Finalmente l'alba (2023)

Eine Filmkritik von Andreas Köhnemann

Eines langen Tages Reise in die Nacht

Italien, kurz vor dem Ende des Zweiten Weltkriegs: Eine junge jüdische Frau, gespielt vom italienischen Schauspielstar Alida Valli, versteckt sich mit ihrem Kind in einer kleinen Kammer vor einem herumbrüllenden Hauptsturmführer und dessen Begleiter. Nach langem Bangen machen die beiden Männer das Versteck ausfindig; alsbald ist die Mutter tot. Das Kind indes wird in letzter Sekunde von einem alliierten Soldaten, verkörpert vom amerikanischen Nachwuchstalent Sean Lockwood, gerettet. Gemeinsam schreiten die zwei Überlebenden in einer eleganten Schwarz-Weiß-Aufnahme die Spanische Treppe herunter, während der melodramatische Score uns emotional aufwühlt. Alles werde gut, verspricht der Soldat, als eine Krankenschwester das Mädchen in ihre Obhut nimmt. The End.

Nun ja, ein bisschen kitschig und plakativ ist dieser Film ja schon. Aber es ist natürlich nur ein Film im Film. Der italienische Schauspielstar Alida Valli ist eigentlich der italienische Schauspielstar Alba Rohrwacher – und das amerikanische Nachwuchstalent Sean Lockwood ist eigentlich das amerikanische Nachwuchstalent Joe Keery (bekannt aus dem Netflix-Hit Stranger Things). Der Film, in dem dieses fiktive Filmuniversum existiert, ist Saverio Costanzos neues Werk Finalmente l’alba, angesiedelt im Rom des Jahres 1953.

Wir sehen, wie die 18-jährige Mimosa (Rebecca Antonaci) mit ihrer Mutter Elvira (Carmen Pommella) und ihrer drei Jahre älteren Schwester Iris (Sofia Panizzi) das Kino verlässt. Die drei Frauen werden von Riccardo (Andrea Ottavi) angesprochen, der sie auf ein Casting im berühmten Filmstudio-Komplex Cinecittà südöstlich der Hauptstadt hinweist. Riccardo scheint insbesondere an Iris interessiert zu sein; doch letztlich sind beide Schwestern auf dem Gelände, wo Statist:innen für einen im alten Ägypten spielenden Sandalenfilm gesucht werden.

Mehrere Zufälle führen dazu, dass sich Mimosa als Magd einer verbitterten Pharaonin, dargeboten von der US-Diva Josephine Esperanto (Lily James), in einer Massenszene mit sehr viel künstlichem Wüstensand und gemalten Kulissen wiederfindet – und bald darauf in einem geschenkten roten Kleid mit Josephine sowie dem bereits erwähnten Sean (der in dem Epos den tragischen Helden gibt) und dem Galeristen Rufus Priori (Willem Dafoe) zum Abendessen und schließlich zu einer schicken Hausparty am Strand von Capocotta unterwegs ist. Von Josephine wird Mimosa dabei kurzerhand die Fake-Identität einer schwedischen Dichterin übergestülpt – was nicht die letzte Lüge und nicht die einzige Divergenz zwischen Schein und Sein in dieser Nacht bleiben wird.

Wie schon in seiner ungewöhnlichen Literaturverfilmung Die Einsamkeit der Primzahlen (2010) arbeitet Costanzo hier teilweise mit einem Elektro-Score, der unter anderem der aufwendigen Sequenz des fiktiven Sandalenfilms eine erstaunliche Atmosphäre und Spannung verleiht. Finalmente l’alba ist ganz offensichtlich eine Hommage auf das Œuvre von Federico Fellini und erinnert, nicht zuletzt aufgrund seines lustvollen Spiels mit der Meta-Ebene, in erster Linie an Achteinhalb (1963). Das Werk entwickelt allerdings auch seine ganz eigenen Reize, die vor allem in der Dynamik zwischen den Figuren liegen.

Die Britin Lily James, die in Filmen wie Cinderella (2015) oder Mamma Mia! Here We Go Again (2018) vor Charme zu sprühen vermochte, verleiht der von Selbstzweifeln geplagten Leinwand-Queen Josephine etwas wunderbar Ambivalentes. Josephine wirkt in einem Augenblick äußerst verletzlich und schon im nächsten kühl, gar richtig fies. Auch Joe Keery spielt geschickt mit seinem Image als Shooting-Star.

In der Darstellung der High Society ist Finalmente l’alba gewiss nicht ohne Klischees. Durch die Protagonistin Mimosa, die von Rebecca Antonaci einfühlsam interpretiert wird, hat der Film jedoch ein Herz und eine Seele, weshalb die Emanzipationsgeschichte, die sich im Laufe weniger Stunden vollzieht, für sich einnehmen kann. Am Ende marschiert Mimosa mit einer entlaufenen Löwin durch die morgendlichen Straßen, abermals im Umkreis der Spanischen Treppe. Mimosa ist von einer Zuschauerin zur Heldin geworden.

Gesehen bei den Internationalen Filmfestspielen von Venedig.

Finalmente l'alba (2023)

Im Film spielt die Italienerin Rebecca Antonaci eine junge, aufstrebende Schauspielerin, die im Laufe einer langen Nacht beim Vorsprechen in den Cinecittà-Studios einige denkwürdige Stunden erlebt.

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