Die Frau in Gold (2015)

Eine Filmkritik von Falk Straub

Ein seltsames Paar

Der Fall Cornelius Gurlitt, in dessen Münchner Wohnung die Augsburger Staatsanwaltschaft vor drei Jahren 1280 Kunstwerke beschlagnahmte, hat das Thema Raubkunst beinahe 70 Jahre nach Kriegsende erneut auf die politische Agenda gesetzt. Die Frau in Gold bringt einen der berühmtesten Fälle um Provenienz und Restitution in die Kinos.

Als „Mona Lisa Österreichs“ bezeichnet der Journalist Hubertus Czernin (Daniel Brühl) Gustav Klimts Gemälde von Adele Bloch-Bauer. Czernin zieht diesen Vergleich im Gespräch mit Maria Altmann (Helen Mirren), der Nichte der Porträtierten. Von den Nationalsozialisten enteignet und in die USA geflohen hatte sich Maria geschworen, nie wieder in ihre alte Heimat zurückzukehren. Nun sitzt sie mit ihrem Anwalt Randy Schoenberg (Ryan Reynolds) dennoch in Czernins Wiener Wohnung. Das Andenken an ihre Tante hat sie umgestimmt. Zu diesem Zeitpunkt ist in Die Frau in Gold längst ein erbitterter Rechtsstreit um das 1907 entstandene Gemälde entbrannt. Auf der einen Seite steht Altmann, die sich als rechtmäßige Erbin sieht, auf der anderen Seite der österreichische Staat, der diese Ikone der Kunstgeschichte nicht kampflos hergeben möchte. Geht es nach Altmann, dann geht es nicht ums Geld, sondern um Gerechtigkeit. Ihr Kampf ist auch einer gegen das Vergessen.

Die Frau in Gold beruht auf wahren Begebenheiten. Um der recht trockenen Geschichte etwas mehr Würze zu verleihen, hat sich Drehbuchautor Alexi Kaye Campbell die eine oder andere dramaturgische Freiheit erlaubt. So ist etwa das Verhältnis der beiden ungleichen Protagonisten humorvoll auf die Spitze getrieben. Helen Mirren und Ryan Reynolds verkörpern dieses seltsame Paar und spielen sich wunderbar die Bälle zu. Sie, die schlagfertige Dame, die mit viel Haltung durchs Leben geht und ihren Anwalt bemuttert. Er, der unerfahrene Berufsanfänger, der sich nur ungern bemuttern lässt und seine Haltung im Leben erst noch finden muss.

Auch Randys Desinteresse an der Vergangenheit – immerhin ist er der Enkel des Wiener Komponisten Arnold Schönberg – ist der Dramaturgie geschuldet. Die Reise nach Europa wird zur Initiation. Dem Mittdreißiger wird die historisch-politische Dimension der eigenen Familiengeschichte erst spät bewusst. In der Stadt Sigmund Freuds bricht das lange Verdrängte schließlich an die Oberfläche.

Im Grunde genug Stoff für einen Film. Doch Die Frau in Gold scheint sich selbst nicht ganz geheuer. Völlig unnötig zieht Drehbuchautor Campbell eine zweite Erzählebene ein. Als Randy nach wenigen Filmminuten Maria zu Hause besucht, fällt sein Blick auf eine Fotografie auf dem Kaminsims. Langsam bewegt sich die Kamera darauf zu, bis das Familienporträt die gesamte Leinwand füllt. Die Figuren werden lebendig – und die Zuschauer ins Wien der Zwischenkriegszeit versetzt. Fortan wechselt die Handlung zwischen filmischer Gegenwart und Vergangenheit, wirft Marias Jugend en détail auf die Leinwand, anstatt sich mit den Ausführungen, Andeutungen und Auslassungen der alten Dame zu begnügen.

Dieser zweite Handlungsstrang stellt sich jedoch als große Schwäche heraus. Er weicht nicht nur stilistisch vom Rest des Films ab, sondern stößt auch inszenatorisch übel auf. Unter einen Gerichtsfilm mit komödiantischen Zügen mischt sich bedeutungsschwanger das Kriegsdrama. Doch die entsättigten Farben und die Kulissenhaftigkeit des historischen Wien lassen die Rückblenden wie einen Fremdkörper erscheinen. Während Helen Mirren und Ryan Reynolds nur einiger weniger Gesten, Blicke oder kluger Sätze bedürfen, um die ganze Schwere des Themas scheinbar beiläufig nachzuzeichnen, tragen die Rückblenden viel zu dick auf. Hier dominieren Rührseligkeit, Pathos und erzwungene Spannungsmomente. Und während sich die alte Dame und ihr Anwalt im Verlauf des Films perfekt ergänzen, bleiben die beiden Erzählstränge bis zum Ende ein seltsames Paar, das nicht so recht zueinander finden mag.

Regisseur Simon Curtis kommt vom Fernsehen. In My Week with Marilyn (2011) schickte er die Monroe aufs Land und hat bewiesen, dass er historische Stoffe auch fürs Kino umsetzen kann. Mit Die Frau in Gold bleibt Curtis diesen Beweis bei seinem zweiten Versuch auf der großen Leinwand schuldig.
 

Die Frau in Gold (2015)

Der Fall Cornelius Gurlitt, in dessen Münchner Wohnung die Augsburger Staatsanwaltschaft vor drei Jahren 1280 Kunstwerke beschlagnahmte, hat das Thema Raubkunst beinahe 70 Jahre nach Kriegsende erneut auf die politische Agenda gesetzt. „Die Frau in Gold“ bringt einen der berühmtesten Fälle um Provenienz und Restitution in die Kinos.

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Meinungen

wignanek-hp · 03.08.2015

Die Kritik geht ja noch milde mit dem Film um. Ich fand ihn stellenweise recht ärgerlich. Manche Szenen hätte man sich mit mehr psychologischem Spürsinn gewünscht. Die Charaktere vor allem in der Gegenwart – außer Helen Mirren – wirken flach und ohne Tiefe. Als Randy plötzlich die Wurzeln seiner Familie erkennt, ist das für den Zuschauer wie aus heiterem Himmel. Es ist psychologisch kaum unterfüttert, ebenso die Motivation von Daniel Brühls Charakter, Maria Altmann zu helfen. Ist es wirklich so simpel? Ich denke zwei Dinge tun diesem Film nicht gut. Die unsägliche Simplifizierung der Geschichte und damit vieler Dialoge – vielleicht im Blick auf ein mögliches amerikanisches Publikum, das sowieso darüber nichts weiß und dass man nicht überfordern will und das Casting quer durch alle Nationen. Nicht die Rückblicke, wie die Kritik meint, wirken störend, sondern der Film kann sich nicht entscheiden, ob er Familien- oder Courtroom-Drama sein will. Diese unsägliche Familiengeschichte des Anwaltes mit liebender Gattin zu Hause, die so viel Verständnis hat, wirkte wie ein Fremdkörper und ist ganz augenscheinlich als Köder für das amerikanische Publikum gedacht. Ebenso war Reynolds für mich eine Fehlbesetzung. Die spritzigen Dialoge mit Helen Mirren habe ich vergeblich gesucht. Alles war vorhersehbar und platt, ebenso die Zeichnung der Altmann-Gegner auf österreichischer Seite. Ich denke solche Dinge passieren, wenn man sich im Vorfeld einfach über atmosphärische Notwendigkeiten hinweg setzt. Es geht ja auch so! Ein Kompliment muss ich allerdings den englisch-sprachigen Schauspielern (in dem OmU) machen. Sie sprachen ein exzellentes Deutsch. Das hat man schon schlimmer erlebt. Aber vielleicht hätte man ja auch diese Rollen mit Österreichern oder Deutschen besetzten können! Aber stopp - dann würde sich der Film ja nicht gut im englischsprachigen Teil der Welt vermarkten lassen. Es ist schade, dass gerade bei einem solchen Stoff solche Überlegungen wichtiger sind als der Inhalt. Leider ist dieser Film – was das betrifft – ja kein Einzelfall.

Hartmut T. · 13.06.2015

Man kann die Dramaturgie so beurteilen, wie Falk Straub das getan hat. Er kennt aber wahrscheinlich die Fakten um die Geschehnisse nach 1930 besser als so manch jüngere Zuschauer, bei dem die zweite, rückblickende Ebene Emotionen wecken mag. Insgesamt hat mich der Film doch sehr an "Philomena" erinnert: Alte Dame arbeitet - mit männlicher Unterstützung - ihre Vergangenheit auf. "Die Frau in Gold" reicht aber nicht ganz an "Philomena" heran.