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In „Der Killer“ zeigt David Fincher seinen Hauptdarsteller Michael Fassbender als nüchternen Fachmann, der in Schwierigkeiten gerät.

Der Killer (2023)

Eine Filmkritik von Andreas Köhnemann

I am human…

Die Einsamkeit des Auftragsmörders vor dem Schuss: Nach einer knallig schönen, extrem stilisierten Vorspannsequenz beginnt David Finchers Thriller „Der Killer“ damit, dass wir den titelgebenden Protagonisten, verkörpert von Michael Fassbender, in einem verlassenen Pariser Bürogebäude erleben, als dieser gerade geduldig und hoch konzentriert auf der Lauer liegt, um seine gut bewachte Zielperson im Gebäude gegenüber zu erschießen. Via Voice-Over führt uns der Killer in seine nihilistische Welt(-sicht) ein und liefert uns Zahlen, Daten und Fakten, die seine vollendete Professionalität unterstreichen.

Die äußerst präzise Schauspielleistung von Fassbender besteht im Grunde aus zwei Teilen. Zum einen dem sprachlichen Teil als Erzähler, der beinahe wie in einem Dokumentarfilm über das Metier des Tötens gegen Bezahlung anmutet und etliche Infos über Desinfektion, angemessene Ernährung, nötigen Schlaf und optimalen Puls, aber auch Gedanken über die Zivilisation und das Menschsein bietet. Und zum anderen dem häufig wortlosen Teil des Agierens vor der Kamera – als Körper, der zu funktionieren hat, um den Job „sauber“ zu erledigen. Beide Teile zeichnen sich durch eine bemerkenswerte Kühle und zuweilen durch tiefschwarzen Humor aus. Auf der Straße versuche er den Anschein zu erwecken, ein deutscher Tourist zu sein, erfahren wir etwa – denn mit denen wolle nun wirklich niemand etwas zu tun haben.

Obwohl Der Killer ein vergleichsweise schnörkelloses Werk ist, finden Fincher und sein Bildgestalter Erik Messerschmidt doch ausreichend Zeit und Raum, um interessante und recht ungewöhnliche Details einzufangen – zum Beispiel, dass der Anti-Held auf einer Yogamatte trainiert und dass er bei seiner Arbeit per In-Ear-Kopfhörer Musik hört. „I am human and I need to be loved / Just like everybody else does“, singen The Smiths in ihrem Song How Soon Is Now?, just in dem Moment, in dem der Killer durch sein Zielfernrohr blickt und die Personen gegenüber ins Visier nimmt. Er selbst teilt uns derweil auf der Voice-Over-Ebene gänzlich abgebrüht mit: „I don’t give a fuck.“ Empathie sei eine Schwäche.

Während etliche Geschichten über Gangster im Allgemeinen und über professionelle Mörder im Besonderen davon handeln, dass ein allerletzter Auftrag durchgeführt werden soll (der dann natürlich völlig aus dem Ruder läuft), lässt der Protagonist hier keine Ambitionen erkennen, seinem Berufsfeld allzu bald den Rücken zu kehren. Gewissensbisse und moralische Bedenken sind im Drehbuch von Andrew Kevin Walker, das auf der gleichnamigen Graphic-Novel-Reihe von Alexis Nolent und Luc Jacamon aus dem Jahr 2018 basiert, nicht von Bedeutung. Stattdessen wird – aufgeteilt in kurze Kapitel, die jeweils eine Station abdecken – geschildert, wie der anfangs etablierte Pariser Auftrag nicht wie gewünscht verläuft und sich dadurch unvorhergesehene Komplikationen ergeben. Der Killer muss improvisieren – was ihm gar nicht gefällt.

Als er in sein Versteck in der Dominikanischen Republik zurückkehrt, ist dort alles verwüstet. Offenbar haben sich die Leute, die ihn beauftragt haben, gegen ihn gestellt. Rabiat und ohne Rücksicht findet er über den zwielichtigen Anwalt Hodges (Charles Parnell) und dessen Sekretärin Dolores (Kerry O’Malley) heraus, wer hinter der Sache steckt – und stattet diesen Personen, darunter Tilda Swinton als trockenhumorige Kollegin im Killergeschäft, einen „Besuch“ ab.

Stilprägend wie Finchers Sieben (1995) ist Der Killer gewiss nicht. Auch nicht so wendungsreich wie Fight Club (1999) oder so komplex wie Zodiac (2007). Eine rasche Flucht aus der nächtlichen Stadt und ein eskalierender Nahkampf in einem Haus in Florida gehören zu den virtuosen Action-Highlights; die Stärke und Brillanz des Films liegen allerdings gerade in seinem Minimalismus. Jede Etappe, die die Hauptfigur eisern absolviert, hat ihre ganz eigene Spannung – und im Gesamten ergibt sich so ein Genrewerk, das seine einzelnen Elemente hocheffektiv und zielgenau einzusetzen vermag.

Gesehen bei den Internationalen Filmfestspielen von Venedig.

Der Killer (2023)

Nach seinem psychischen Zusammenbruch entwickelt der Auftragskiller Christian langsam ein Gewissen. Eigentlich will er in Mexiko ausspannen, aber seine Kunden verlangen von ihm, dass er weiterhin seiner Arbeit nachkommt

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