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Seit Jahrzehnten wollte David Fincher diesen Film drehen, nun hat Netflix ihm das nötige Budget zur Verfügung gestellt. „Mank“ erzählt, wie das Drehbuch zu „Citizen Kane“ entstanden sein könnte – und taucht tief ins Hollywood der 1930er und 1940er Jahre ein.

Mank (2020)

Eine Filmkritik von Sonja Hartl

Künstler unter sich

Denkt man an „Citizen Kane“, denkt man an Orson Welles. Er hat den Film produziert, Regie geführt und die Hauptrolle gespielt, dieser Film hat seinen Ruhm zementiert. Das Wunderkind, das mit 26 Jahren einen Film gemacht hat, der seither immer wieder unter den besten Filmen aller Zeiten auftaucht. Ein Genie oder Tyrann, je nachdem, wem man glauben schenkt. Aber „Citizen Kane“ wäre nicht „Citizen Kan“e ohne das Drehbuch, ohne Herman J. Mankiewicz, der das Drehbuch geschrieben hat. Angeblich hat ihm Welles 10.000 Dollar angeboten, damit er auf die Nennung seines Namens verzichtet. Welles hat das bestritten, letztlich wurden sie beide als Autoren genannt, Mankiewicz zuerst. 

Im Gegensatz zu Welles ist aber Herman J. Mankiewicz außerhalb von bestimmten Filmliebhaberkreisen weitgehend vergessen. Einer der besten Drehbuchschreiber des klassischen Hollywoods, ein schwerer Alkoholiker mit trockenem, prägnantem Witz. Doch David Fincher bringt ihn nun wieder in Erinnerung und erzählt in Mank eine mögliche Version der Entstehungsgeschichte des Drehbuchs von Citizen Kane

Nach einem schweren Autounfall schickt Welles (Tom Burke) Mankiewicz mit einer Krankenschwester (Monika Gossmann), einer Sekretärin (Lily Collins) und Manks Kollegen John Houseman (Sam Troughton) als Babysitter und Aufpasser auf eine Ranch im ländlichen Kalifornien, wo Mank in 60 Tagen ein Drehbuch schreiben soll. Mank beginnt damit, die dichte und komplexe Story zu entwickeln, aus der Citizen Kane werden wird. Während er also im Bett liegt und schreibt, werden immer wieder Rückblenden eingeflochten, die zeitlich nicht linear sind. Mank erinnert sich an die Zeit, in der er Marion Davies (Amanda Seyfried) kennengelernt hat, die Tante von dem Autor Charles Lederer, mit dem er befreundet war. Durch sie machte er die Bekanntschaft von William Randolph Hearst (Charles Dance), jenem Medienmogul, der als Vorbild zu Charles Foster Kane fungiert. 

Fortan wechselt der Film zwischen der Erzählebene in der Gegenwart und Rückblenden, sie alle aber erzählen vom Filmemachen und der Filmindustrie in den 1930er und 1940er Jahren in Hollywood. Mank ist ein Film, der vor allem Filmliebhaber*innen begeistern wird – und bei dem es hilfreich ist, sich im klassischen Hollywood auszukennen. Wenn legendäre Drehbuchautoren wie Ben Hecht und Charles Lederer in einem Raum aufeinandertreffen, werden sie zwar namentlich vorgestellt – aber mehr wird nicht erklärt. Die Witze über Manks kleinen Bruder Joseph sind erst dann wirklich lustig, wenn man weiß, wie erfolgreich er später sein wird. Diese Art Anspielungen gibt es zuhauf in diesem Film – nicht zuletzt auch eine mögliche „Erklärung“, was sich hinter dem legendären „Rosebud“ auch verbergen könnte.

Mit seinem perlenden Schwarz-Weiß hält sich Mank von der Titelsequenz bis zum Schluss auch ästhetisch an die Filme dieser Ära – natürlich wird auch Citizen Kane mehrfach im Bild referenziert, wenngleich der Titel niemals genannt wird. Es ist ein männliches, heterosexuelles Hollywood, das David Fincher hier präsentiert. Wenn er von den Menschen am Rand erzählt, sind es vor allem die Drehbuchschreiber, die ihn interessieren. Dennoch spart Mank einige Widersprüche dieser Zeit und insbesondere Hollywoods nicht aus. Die Abhängigkeit von Studios wird deutlich; der Kontrast zwischen der grassierenden Armut und Arbeitslosigkeit; die Ungerechtigkeiten des Star-Systems, die Ausbeutung der Filmarbeiter zugunsten der Studiobosse. Die zweifelhafte Rolle, die reiche Männer wie Louis B. Mayer (Arliss Howard) und Hearst gespielt haben, wird ebenso deutlich wie ihr Einfluss, den sie unter anderem mithilfe von produzierten „Fake News“ auf die Gouverneurswahl genommen haben, damit ein Sieg des demokratischen Kandidaten Upton Sinclair (ein Cameo von Bill Nye) verhindert wird. Damit zieht der Film zugleich eine klare Parallele in die Gegenwart und zu Citizen Kane, in dem es ja ebenfalls um die Macht der Medien ging. 

Im Zentrum dieses cleveren Films steht indes ein universaler Konflikt. Mank weiß, dass er Alkoholiker ist und den Alkohol braucht, damit er besser schreibt. Aber er weiß auch, was ihn das kostet – nicht nur hinsichtlich seiner Gesundheit, sondern auch seiner Würde. Mit diesem Drehbuch aber tut er, was Künstler*innen immer wieder tun: Er schöpft aus seinem Privatleben, aus den Beziehungen und Freundschaften zu Menschen, die ihm am Herzen liegen. Wenn dann das Drehbuch fertig geschrieben ist, ist ihm anzusehen, welchen Preis er dafür zu zahlen hatte.

So wie Citzen Kane nicht das Werk eines Einzelnen ist, so ist auch Mank dank mehrerer Faktoren ein guter Film. Gary Oldman ist eine exzellente Besetzung für Mankiewicz. Er spielt ihn mit Verve und Einsatz; der eloquente Charme des talentierten Autors blitzt stets hervor, seine Zweifel werden sehr gut angedeutet. Amanda Seyfried ist die perfekte Besetzung für Marion Davis. Sie verbindet der mädchenhaft-kindliche Charme, jedoch ist hier endlich zu erkennen, dass sich dahinter eine kluge Frau – und Schauspielerin – verbirgt. Auch Seyfried wurde allzu oft auf die Rolle der Freundin festgelegt, wie viel mehr sie kann, deutete sie in Twin Peaks an und zeigt sie hier in voller Kraft. In manchen Blicken lässt sich die Traurigkeit des Wissens erahnen, was sie die Beziehung zu Hearst gekostet hat, egal wie sehr sie auch davon profitiert hat. Sie ragt heraus in diesem Film, in dem Frauen vor allem am Rand stehen, aber wie Manks Ehefrau „poor“ Sara (Tuppence Middleton) wenigstens einige gute Drehbuchzeilen bekommen. 

Die Musik von Trent Raznor und Atticus Ross schafft die Verbindung aus den späten 1930er und frühen 1940er Jahren mit der Gegenwart. Das ist nicht nur Retro-Charme hier, vielmehr gibt sie mit ihrem Tempo deutliche Hinweise auf das Jetzt und das Schaffen von Fincher. Unterstrichen wird das durch die Kameraarbeit von Erik Messerschmidt – wenn sich die Giraffe auf dem Hearst-Anwesen im Hintergrund erhebt, ist das eine bemerkenswerte Einstellung. 

Mankiewicz hat am Ende für das Drehbuch zu Citizen Kane einen Oscar erhalten. Er musste ihn sich teilen mit Welles, und es war der einzige Academy Award, den der Film erhalten hat. Dass nun auch Mank als heißer Favorit für die Oscars gehandelt wird, verwundert wenig. Denn nichts liebt die Academy mehr als einen Film über Hollywood.

Mank (2020)

Dieses Filmdrama über das alkoholkranke Genie Herman J. Mankiewicz, der das Drehbuch zu „Citizen Kane“ verfasste, wirft ein neues Licht auf das Hollywood der 30er-Jahre.

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