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Ryan Gosling kommt als CIA-Agent einem Komplott innerhalb der Agency auf die Spur. Diese zeigt sich wenig beeindruckt und hetzt einen psychopathischen Killer auf den guten Killer. Die Folge: lächerlichster Kugelhagel und leerer Bombast.

The Gray Man (2022)

Eine Filmkritik von Sebastian Seidler

Im Rausch der (Action)Bilder

Die Handlung, ja damit sollte man beginnen. Damit man sich bei diesem Film an irgendwas festhalten kann. Da könnte man nun ganz tief einsteigen und all die um emotionale Tiefe bemühten Rückblenden und Seitenstränge aufrufen, wenn sie denn auch nur irgendetwas zu diesem filmgewordenen Sperrfeuer beitragen würden. Diese Verzweigungen sind nur Camouflage. Folglich fährt man besser, wenn man sich an die einfachen Dinge hält. Also Protokoll: Ryan Gosling spielt den CIA-Agenten Sierra Six, der als Teil des Gray-Men-Programms im Geheimen agiert und im Grunde die Drecksarbeit für die Agency erledigt. Bei seinem neuesten Auftrag soll er einen seiner Kollegen um die Ecke bringen. Der übergibt ihm kurz vor dem Ableben einen Stick, auf dem sich unvorteilhaftes Material über die CIA befindet. Der Jäger wird zum Gejagten, an dessen Fersen sich der soziopathische Söldner Llyod Hansen (Chris Evans) und seine Reservearmee aus Freelancer-Killern heften.

Noch einfacher: Der Plot ist in diesem Film ziemlich egal. Chris Evans hetzt Ryan Gosling durch Wien-Prag-Kroatien. Hauptsache, es sieht gut aus und bietet dem weltweiten Publikum eine Traumreise für den großen Eskapismus. Auf dem Weg darf Ana de Armas als CIA-Agentin Dani Miranda dann auch ein wenig mitmischen, während Billy Bob Thornton vor allem seinen Namen hergibt. Im Grunde bleiben Gosling und Evans in diesem Schwarz-Weiß aus Gut gegen Böse unter sich.

Alles, was in diesem Hochglanz-B-Movie zählt, ist der hemmungslose Gebrauch von Schusswaffen aller Art. Und in diesem Film wird wirklich alles kurz und klein geschossen. Die auch im Trailer bereits zu sehende wahnwitzige Actionsequenz in der Mitte des Films, in der nur noch Panzer fehlen, wird ein Teil der Prager Innenstand in Schutt und Asche gelegt. Da bleibt nicht viel stehen. Und ja, da hilft auch kein Augenzwinkern, denn es ist ernst gemeinter Bombast. Da lassen sich die Gebrüder Russo wirklich nicht lumpen. Immerhin sind die Filmemacher durch ihre Arbeit an Avengers: Infintiy War und Avengers: Endgame an das ganz große Besteck gewöhnt und damit decken sie hier auch den Tisch.

Hatte man beim zweigeteilten Finale der Avengers bereits das Gefühl, dass einzelne Set Pieces in einem Topf zu einem großen Ganzen verrührt wurden, damit auch jeder Superheld zu seinem Auftritt kommt, so zerfällt The Gray Man zu einem völlig zusammenhanglosen Kugelhagel. Symptomatisch dafür stehen die Einblendungen der Ortsnamen. Schließlich soll man sich auch schnell orientieren können. Filme, die sich auf solche Einblendungen verlassen, sind eigentlich immer verdächtig. In den meisten Fällen wird nämlich lediglich so getan, als ginge es um die Erzeugung von Raum, während dieser doch nur hinter der Schrift verschwindet. Da ist es egal, ob es sich nun um Wien oder Prag handelt, die Eigenheiten dieser Städte sind unwichtig. Zudem wird der Weg von A nach B grundsätzlich ausgelassen, außer auf diesem Weg kann irgendetwas Feuer fangen und in die Luft fliegen.

In dieser Hatz will damit wahrlich keine Agentenstimmung aufkommen. Dafür aber wird reichlich Testosteron geatmet: Ein traumatisierter Alphamann tritt gegen einen seelenlosen Alphamann in atemloser Hochglanzoptik an; der durchtrainierte Körper von Ryan Gosling darf dabei nicht fehlen. Zwar versuchen die Russos diese Männlichkeit an einigen Stellen zu brechen, wie etwa, wenn ein Faustkampf im völlig überhöhten Finale von einer im Grunde überflüssigen Frauenfigur süffisant kommentiert wird. Doch wirken Tonfall, Erzählhaltung und die Wahl der filmischen Mittel furchtbar eklektisch: Gemacht wird, was gut aussieht. Ein guter Actionfilm lebt aber nicht von seinen Schauwerten allein. Es braucht vor allem eine überzeugende Choreografie der Körper in Bewegung – wuchtige Körperlichkeit und widerständigen Rhythmus. Nach all diesen Dingen sucht man im Bilderstrudel von The Gray Man vergeblich.

Gosling wiederholt die immer gleichen Bewegungsabläufe einer letztlich unbezwingbaren Kampfmaschine, was wohl der Eleganz eines Tanzes gleichen soll, indessen berechnet und unnatürlich wirkt. Dann durchschneidet ein völlig freischwebender und willkürlicher Kameraflug an den unmöglichsten Stellen die Räume. Woher diese Bewegung der Kamera nun kommen mag? Weit kommt man mit dieser Frage nicht. Und statt im Actiongeschehen zu bleiben, wird munter hinaus geschnitten, um dem Publikum die Chance zu geben, dem erhabenen Mündungsfeuer beizuwohnen. Dieser Ästhetizismus erzeugt in den guten Momenten durchaus schöne Bilder, die jedoch in ihrer unendlichen Oberflächlichkeit die Action ausbremsen.

The Gray Man ist somit das beste Beispiel für den miserablen Zustand des gegenwärtigen Actionkinos. Statt die Action aus einer Prämisse und damit aus dem Inneren eines Filmraums konsequent abzuleiten, wie es beispielsweise in Speed oder einem wahnwitzigen Werk wie Con Air gelingt, haben sich die Russo-Brüder einen filmischen Container gebaut. In diesen lassen sich bei Bedarf immer neue Feuerwerkskörper hineinwerfen, um von der eigentlichen Leere abzulenken. Diese Willkür erstickt jegliches Adrenalin, weil sich nicht der Hauch einer „realen“ Gefahr einstellen will. Damit ist dieser Actionfilm nicht mehr als eine 200 Millionen Dollar teure Belanglosigkeit.

The Gray Man (2022)

Die Handlung des Films basiert auf dem gleichnamigen Roman von Mark Greaney. In „The Gray Man” übernehmen Ryan Gosling und Chris Evans die Rollen von zwei Ex-CIA-Kollegen, die nach einer Trennung wieder aufeinandertreffen: diesmal aber nicht als Freunde.

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Meinungen

Max · 14.08.2022

Herr Sebastian Seidler, vielen Dank für diese analytische Punktlandung - meine Anerkennung, ich habe dieses wirre und überladene Pseudo-Blockbusterkino nicht ausgehalten bis zum Schluss.

Ich hatte gehofft, dass ich zumindest Gleichgesinnte finde auf meiner Suche nach ernstzunehmenden Kritiken.
In diesem Sinne, danke.

Allen Freunden des niveauvollen Kinos mit seinen durchdachten Figuren und der durchgehenden Handlung (explizit Handlung ist nicht gleich Lärm und Hektik) rate ich von diesem Werk ab.

Daniel · 07.08.2022

Extrem guter Film und gefiel mir sehr gut! Besser wie Top-Gun. Hoffentlich kommt noch Teil 2!

Martin · 01.08.2022

Geiler Film wo man nicht groß Nachdenken muß.Ordentlich Action die man so eigentlich von Michael bay gewohnt ist.Nach der Gurke 21 Bridges ist den
Russo Brothers hier ein Schnörkeloser Film gelungen.Teil 2 kann kommen