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Whodunnit? Im unterhaltsamen Rätselkrimi „Knives Out – Mord ist Familiensache“ von Rian Johnson, das mit einem beachtlichen Staraufgebot aufwartet, spielt das allerdings eine eher untergeordnete Rolle

Knives Out - Mord ist Familiensache (2019)

Eine Filmkritik von Rochus Wolff

Der Autor, mit dem Dolch, im Arbeitszimmer

War es Colonel Mustard im Arbeitszimmer mit dem Revolver? Oder doch Miss Scarlett mit dem Strick im Billardzimmer? Bei „Knives Out – Mord ist Familiensache“ scheint die Sache wesentlich klarer zu sein als im heute leicht angestaubt wirkenden Gesellschaftsspiel „Cluedo“, sieht man doch schon in den ersten Minuten: Es war Harlan Thrombey selbst, mit dem Dolch, im Arbeitszimmer.

Aber nichts ist, wie es scheint. Rian Johnsons „Murder Mystery“ mag zunächst sehr altmodisch daherkommen, aber das ist elegante, sehr zugestellte Oberfläche – ähnlich wie das Haus, in dem Thrombey lebte, ein Haus, wie einer der anwesenden Polizisten bemerkt, gleich einem Cluedo-Spielbrett. So ein großes, amerikanisches, herrschaftliches Haus, mit knarzenden Treppenstufen, viel Holz, überall Regale, Bücher, gesammelte Statuen, Büsten, ach, Schnickschnack. Und mitten im Wohnzimmer ein großes Ornament mit kreisförmig auf einen Mittelpunkt angeordneten Messern, Dolchen, Bajonetten.

Harlan Thrombey also ist tot, gestorben in der Nacht nach seiner Geburtstagsfeier, in seinem Arbeitszimmer oben unterm Dach. Harlan (Christopher Plummer) war Krimiautor, sein Markenzeichen: verwobene, komplexe Plots; der Geist von Agatha Christie scheint durch diese großbürgerlich-amerikanischen Hallen zu wehen, und das liegt vielleicht auch an dem Detektiv, der unversehens auf dem Familienstammsitzes erscheint.

Auftritt Benoit Blanc, eigentlich sitzt er plötzlich einfach da, erst unscharf im Hintergrund, dann enervierend einzelne Tasten des Klaviers betätigend, mitten in den Gesprächen, die der ermittelnde Polizist (Lakeith Stanfield) mit den Hinterbliebenen führt. Daniel Craig spielt diesen Blanc (natürlich Französisch ausgesprochen, Hercule Poirot lässt grüßen) als durchaus sehr von sich und seiner Bedeutung überzeugten, etwas aufgeblasenen Ermittler, mehrfach wird auf das Portrait verwiesen, das über ihn im New Yorker erschienen sei.

Er werde sich wie ein Ornament verhalten, erklärt er Harlans ältester Tochter Linda, ein stiller, respektvoller Beobachter der Wahrheit. Später wird er sagen, seine Suche nach der Wahrheit ließe sich mit Gravity‘s Rainbow von Thomas Pynchon beschreiben, das er im Übrigen nicht gelesen hat: Wie ein Geschoss, so lege auch die Wahrheit eine parabelförmige Bahn zurück – er, Blanc, schaue einfach nur genau hin und beobachte, schlendere dann schließlich einfach zum anderen Ende der Parabel, wo ihm die Auflösung direkt vor die Füße falle.

Das ist natürlich mythisierender Schwachsinn höherer Ordnung, aber es ist ganz und gar großartig. Knives Out – Mord ist Familiensache sind die unterhaltsamsten zwei Stunden Kino, die es seit langem zu sehen gab. Das liegt gar nicht so sehr am Mordfall selbst – oder ist es doch Selbstmord, wie es am Anfang erscheinen muss? Mehr mag man gar nicht verraten, außer vielleicht: Die Auflösung ist weder so einfach noch so kompliziert, wie man denken mag.

Das eigentliche Glück aber ist es einfach, diesem Film zuzusehen. Die Begeisterung der Darsteller_innen strahlt förmlich von der Leinwand herab: Jamie Lee Curtis und Don Johnson als sich liberal gebendes Paar Linda und Richard mit dem missratenen Sohn Ransom (Chris Evans), Michael Shannon, Riki Lindhome und Jaeden Martell, Toni Collette und Katherine Langford und schließlich K Callan in der wohl reduziertesten feinen Rolle des ganzen Familienclans – Messer raus, Familienfest!

Vor allem Chris Evans hat sichtbar einen Heidenspaß, wie befreit von den Lasten der großen Marvel-Filme, und natürlich drängt sich auch der Eindruck auf, dass Rian Johnson, der hier sein eigenes Buch verfilmt (und produziert) hat, eine große Lockerungsübung nach Star Wars: Die letzten Jedi durchzieht, es kommt aus allen Poren: Man sieht‘s in der Ausstattung des Hauses, im spielerischen Umgang mit seinen Figuren, im leichtfüßigen Einsatz von Perspektiven, Timing, Wortwitz.

Ana de Armas‘ Marta Cabrera aber ist in mehr als einer Hinsicht das Herz dieses Films. Sie ist Harlan Thrombeys Krankenpflegerin, sie kümmert sich um seine Medikamente und hört ihm zu. Der Mann ist noch agil und geistig rege, und anders als in der Haushälterin Fran (Edi Patterson) hat er in Marta jemanden gefunden, der er sich anvertrauen mag – und die außerdem besser Go spielt als er.

Dass sie einer Familie von Migrant_innen entstammt, spielt im Film immer wieder eine Rolle – vor allem darin, wenn die Kinder und Enkel_innen von Harlan sich als möglichst liberal positionieren wollen oder wenn es darum geht, dass Martells Jacob als „alt-right internet troll“ zu ihr eine ganz andere Meinung hat. Das ist zwar mehr als nur ein billiger politischer Seitenhieb und wird im Film noch eine Rolle spielen, aber das Spiel mit Martas rechtlichem Status (und dem ihrer Familie) ist tatsächlich das einzige Element, wo es im Film ein wenig knirscht, weil ihre Situation doch etwas zu sehr als Hebelpunkt verwendet wird, durch den verschiedene andere Elemente in Bewegung gebracht werden.

Das lässt sich aber leicht vergessen, weil Knives Out – Mord ist Familiensache sonst in allem ein solcher Genuss ist. Craigs knarzig-blasierter Detektiv erinnert daran, dass der Mann auch noch wesentlich mehr kann als nur James Bond; und dass Ana de Armas nun an seiner Seite in James Bond 007: Keine Zeit zu sterben zu sehen sein wird, hach: Bitte mehr davon!

Knives Out - Mord ist Familiensache (2019)

Als bei einer Geburtstagsparty der Patriarch einer Familie gewaltsam zu Tode kommt, werden die Gäste von zwei Detectives festgehalten, denn der Mörder muss noch unter den Anwesenden sein. Als dann noch einige Überraschungen passieren, wird die Lage immer angespannter.

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Meinungen

David · 14.02.2020

flach, einfach nur flach und überwiegend schlecht gespielt.

Christa · 26.01.2020

Ein toller Film! Bis zum Ende wusste man nicht so genau wie Harlan zu Tode kam. Ein Sehr hintergründiger Film. Jeder der Schauspieler hat seine Rolle mit Bravour gemeistert.

Margit · 07.01.2020

War ehrlich gesagt enttäuscht. Habe mir ob der guten Kritiken und der guten Besetzung mehr erwartet. Ein Kammerspiel auf durchschnittlichem Niveau.