Voices of Violence

Eine Filmkritik von Peter Osteried

Das System der Gewalt

Claudia Schmids Voices of Violence ist nicht leicht anzusehen. Dabei gibt es kaum etwas zu sehen. Die Filmemacherin setzt ganz darauf, jenen Menschen eine Stimme zu geben, die über so lange Zeit hinweg schweigen mussten. Sie hat Frauen in der Demokratischen Republik Kongo aufgesucht, die systematisch das Opfer von Vergewaltigung als Kriegswaffe geworden sind.
Die kongolesischen Frauen erzählen erst zurückhaltend, dann immer expressiver – mit großen Gesten und großen Worten. Sie berichten von Erlebnissen, die man eigentlich nicht in Worte fassen kann. Es ist schmerzlich, ihnen zuzuhören. Noch schmerzlicher ist die Erkenntnis, dass hier nicht nur Körper und Seele, sondern gewachsene familiäre Gruppen vernichtet werden. Weil man sich in einer Gesellschaft befindet, in der das Opfer in Schande lebt, weswegen sich Männer und Kinder abwenden. Dies ist die zweite, weit nachhaltigere, weit schmerzhaftere Vergewaltigung, weil das Leben dieser Frauen für alle Zeiten vernichtet wurde. Mag der Körper auch heilen, die Seele sich wieder fangen, aber die Erkenntnis, dass die eigene Familie einen verachtet – das ist eine Hölle, aus der es kein Entkommen gibt.

Es ist ein Blick auf eine andere Kultur, keineswegs schön, oftmals völlig unverständlich, mitunter sehr unmenschlich. Etwa dann, wenn ein Ehemann erklärt, er hätte seine Frau verstoßen müssen, sich aber dazu entschieden hat, doch mit ihr zusammenzubleiben. Nicht, weil er sie liebt – zumindest sagt er das nicht –, sondern weil er jemanden braucht, der auf seine Kinder aufpasst. Weil er im Krankenhaus erfahren hat, dass sie kein Aids hat, wie man sich im Dorf von jeder Frau erzählt, die in die Fänge der Rebellen geraten und vergewaltigt worden ist. Was zuerst wie ein kleines Licht der Hoffnung erscheint, hinterlässt so einen bitteren Geschmack. Denn um Liebe scheint es bei den Familienverbänden hier nie zu gehen.

Es sind die Geschichten eines Dorfes, die Schmid hier sammelt. Das ist umso erschreckender, weil dieser Mikrokosmos der Demokratischen Republik Kongo aufzeigt, wie verbreitet die Spirale der Gewalt, wie evident und in der Gesellschaft verwurzelt aber auch die Verachtung des Mannes vor der Frau ist. Das arbeitet Schmid in den Interviews mit Männern heraus, die sich ausgiebig darüber auslassen, welche Rechte Frauen haben. Die sind ausgesprochen nichtig. Der Mann kann sie bestrafen, und das nicht nur, wenn sie ihn hintergeht (sprich: vergewaltigt wird), sondern auch wenn sie Hexerei betreibt. Ja, derart ist die kongolesische Gesellschaft, in der die patriarchalische Struktur nicht nur überall hervorsticht, sondern von weit verbreitetem Aberglauben untermauert ist.

Voices of Violence ist das bedrückende Porträt eines Systems, das nicht nur archaisch, sondern barbarisch ist. Ein wichtiger Film über ein Thema, das nicht totgeschwiegen werden darf.

Voices of Violence

Claudia Schmids „Voices of Violence“ ist nicht leicht anzusehen. Dabei gibt es kaum etwas zu sehen. Die Filmemacherin setzt ganz darauf, jenen Menschen eine Stimme zu geben, die über so lange Zeit hinweg schweigen mussten. Sie hat Frauen in der Demokratischen Republik Kongo aufgesucht, die systematisch das Opfer von Vergewaltigung als Kriegswaffe geworden sind.
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