Der Künstler Gottfried Helnwein

Eine Filmkritik von Joachim Kurz

Annäherung an einen "schwierigen" Künstler

Längst gehören seine mit irritierender Akkuratesse gemalten Bilder zum Fundus der Populär- wie der Hochkultur. Und dennoch sind sie auch heute noch gleich in mehrfacher Hinsicht ein Skandal, ein Aufreger und ein Tabubruch: Seit den frühen 1970er Jahren thematisiert er in seinem Bildern immer wieder geschändete, missbrauchte und verletzte Kinder und macht damit schon früh aufmerksam auf ein Tabuthema, das man damals schlichtweg nicht wahrnahm – oder es nicht wahrhaben wollte. Die Reaktionen auf das massiv Verdrängte ließen in Helnweins Heimat Österreich und auch anderswo nicht lange auf sich warten. Bereits bei seiner ersten Ausstellung im Wiener Künstlerhaus prangten kurz nach der Eröffnung gelbe Schildchen mit der Aufschrift „Entartete Kunst“ auf den Exponaten. Diese heftige Reaktion war für den verdutzten Künstler ein deutliches Indiz dafür, dass er seinen Finger auf eine Wunde gelegt hatte. Denn es ging neben den Bildmotiven offensichtlich auch darum, welche Phantasmen sie im Betrachter evozierten. Es sind genau diese verschütteten Assoziationen, die den eigentlichen Schrecken seiner Bilder ausmachen – sie machen den Zuschauer unwillkürlich zum Komplizen, der sich ertappt fühlen muss.
Neben diesem eher privaten Zugang zu Helnweins Wirken eröffnen seine Bilder aber auch eine klar gesellschaftliche, politische und historische Perspektive: Seine Kunst ist nicht nur ein Mahnmal für die Kinder, sondern für alle gequälten und geknechteten Kreaturen, sie verweisen auf Machtausübung und Unterdrückung, auf Gewalt und die Unermesslichkeit des Leides und nehmen immer wieder Bezug auf die NS-Herrschaft wie etwa in dem Bilderzyklus The Ninth November Night. Auch das brachte ihm in gewissen Kreisen den Ruf eines Störenfriedes und Nestbeschmutzers ein. Ausgemacht hat ihm das nie etwas: „Und der Tag, an dem mich die gesamte Spießergesellschaft umarmen würde, wäre der Tag, an dem ich meine künstlerische Arbeit beenden würde. Dann wüsste ich, ich habe etwas falsch gemacht.“

Zwei Jahre lang hat die Filmemacherin Claudia Schmid den Künstler Gottfried Helnwein mit der Kamera begleitet. Sie zeigt ihn bei der Arbeit in seinem Anwesen in Irland und in den USA, also an jenen beiden Orten, die Helnwein seit nunmehr vielen Jahren Heimat geworden sind. Immer wieder sehen wir ihm dabei zu, wie er letzte Hand anlegt an seine Bilder, die für unsere Augen fertig zu sein scheinen. Und unwillkürlich fragt man sich, ob die nur ein inszenatorischer Trick ist, weil hier ein Künstler gezeigt wird, der sich eigentlich bei der Arbeit nicht gerne über die Schulter schauen lässt. Stattdessen redet Helnwein lieber über seine Kunst, gibt Einblicke in sein Denken und das, was ihn beeinflusst hat. Vertraute, Freunde und Experten kommen in diesem Film hingegen nicht zu Worten – mit einer Ausnahme: Kaliforniens Governator Arnold Schwarzenegger, Helnweins langjähriger Freund und einer der begeistertsten Sammler seiner Kunst.

Claudia Schmid arbeitet seit vielen Jahren als freie Regisseurin und Filmautorin für Sender wie den WDR, 3sat und ARTE. Im Lauf der Zeit hat sie zahlreiche Künstlerporträts und Beiträge zur Bildenden Kunst realisiert. Diese Kenntnis der Materie merkt man diesem Film – es ist ihr erster abendfüllender Dokumentarfilm – auch an. Ihre Einführung in das Werk und das Leben Gottfried Helnweins, bei denen vor allem der Künstler selbst zu Wort kommt, wendet sich eher an all jene, die bereits mit den Bildern des Österreichers vertraut sind. Trotzdem lohnt sich der Film auch für all jene, die durch die Bilder neugerig geworden sind auf den Menschen hinter diesen schaurig-düsteren und zugleich ungemein poetischen Bilderwelten. Denn so viel Wissenswertes aus berufenem Künstlermund kriegt man sonst selbst in anderen Künstlerporträts selten zu hören und zu sehen.

Der Künstler Gottfried Helnwein

Längst gehören seine mit irritierender Akkuratesse gemalten Bilder zum Fundus der Populär- wie der Hochkultur. Und dennoch sind sie auch heute noch gleich in mehrfacher Hinsicht ein Skandal, ein Aufreger und ein Tabubruch: Seit den frühen 1970er Jahren thematisiert er in seinem Bildern immer wieder geschändete, missbrauchte und verletzte Kinder und macht damit schon früh aufmerksam auf ein Tabuthema, das man damals schlichtweg nicht wahrnahm – oder es nicht wahrhaben wollte.
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Meinungen

Heidi Banerjee · 17.01.2011

Ich bin der Meinung,daß diese Bilder öffentlich ausgestellt werden sollen,und falls es sich beí den Trailern um Ausschnitte eines Gesamtwerkes handelt,wäre wichtig zu erfahren,ob dieser Film irgendwo und irgendwann zu sehen sein wird.Kürzlich lief im Nachbardorf eine Kampagnie gegen die private Unterbringung eines mehrfach straffällig gewordenen Gewaltverbrechers an Kindern,Jugendlichen und Frauen.Die Kampagnie benutzte eine Photomontage,die beim bloßen Hinsehen bei mir Entsetzen auslöste und ich in den Laden ging,um mich näher zu erkundigen.Die Aktion der Gemeinde hat hohe Wellen geschlagen mit dem Erfolg,daß die Familie Abstand von ihrem Vorhaben nahm.Dieser Straftäter sitzt wahrscheinlich noch in Haft,weil er selbst im Gefängnis sich Dinge hat zuschulde kommen lassen.
Öffentlichkeitsarbeit ist unersetzlich und sehr effektiv.
Wer hätte gedacht,daß das Naziregime millionenfach Menschenrechtsverletzungen verübte.Hat es wirklich niemand gewußt wie immer wieder behauptet wird?
Wie steht es um die Heimkinder?Warum haben alle weggesehen,oder aus falscher Moral dieses Unrechtssystem unterstützt?Vermutlich ist das,was nach dem Krieg geschah,ein Ablenken von den Greueltaten während der Kriegsjahre.Vielleicht waren die Kinder auch nur die Opfer,die büßen mußten für die Mißstände und die Enttäuschungen einer ganzen Nation.

dierk schäfer · 21.06.2010

Seit langem beschäftige ich mich mit dem Schicksal von ehemaligen Heimkindern. Viel früher bereits stieß ich auf die Bilder von Gottfried Helnwein mit den verstörend gemalten gequälten Kindern, verstörend, weil so irreal wirkend. Der Künstler schafft mit seinen albtraumartigen Bildern die Verbindung mit der albtraumhaften Realität: Einerseits mit den auch mir bekannten Bildern von zu Tode gequälten Kindern aus der Gerichtsmedizin, andererseits die Verbindung mit den mir vorliegenden Berichten gequälter ehemaliger Heimkinder. Der Film wird wohl leider nicht in unsere finstere Provinz kommen. Hier läuft (fast) nur Mainstream. Wann gibt’s den Film auf DVD?