Yusuf-Trilogie (3-DVD Special Edition)

Eine Filmkritik von Joachim Kurz

Lebensläufe eines Dichters

Spätestens mit dem Erfolg von Bal — Honig, der bei der 60. Berlinale vollkommen verdient den Goldenen Bären gewann, ist Semih Kaplanoğlu, der neben Nuri Bilge Ceylan zu den erfolgreichsten Regisseuren des jungen türkischen Autorenfilms zählt, endgültig fest etabliert im Kreise der Filmemacher mit unverwechselbarer eigener künstlerischer Handschrift. Für den 1963 in Izmir geborenen Regisseur geht mit dem großen Erfolg in Berlin eine Saat auf, die bereits viel früher gepflanzt wurde, denn Bal – Honig ist lediglich der Abschluss einer Trilogie, die 2007 mit Yumurta – Ei begann und die ein Jahr später mit Süt – Milch fortgeführt wurde. Die drei Filme, die allgemein als Yusuf-Trilogie bekannt sind, sind nun erstmals gemeinsam in einer DVD-Edition erschienen – wer Bal gesehen hat, sollte sich auf keinen Fall die Gelegenheit entgehen lassen, auch die beiden Vorgängerfilme schleunigst nachzuholen. Zumal man nach dem Betrachten von Yumurta und Süt manches bei Bal mit anderen Augen sehen wird.
Der erzähltechnische Kniff bei der Trilogie liegt nämlich darin, dass alle drei Filme die gleiche Hauptperson ins Zentrum rücken – den Dichter Yusuf. Wir sehen ihn in den drei Filmen als Erwachsenen, als jungen Heranwachsenden und als Kind, jedoch ist die Chronologie der Narration bei Kaplanoglu auf den Kopf gestellt. In dessen erstem Film, der Trilogie mit dem Titel Yumurta, ist Yusuf (Nejat Işler) ein schweigsamer Mann mittleren Alters, der nach dem Tod seiner Mutter zurückkehrt nach Anatolien, wo er herstammt. Zerrissen zwischen dem Leben in der Metropole und seiner ländlichen Abstammung aus ärmsten Verhältnissen ist er ein Getriebener zwischen den Welten, ein ewiger Wanderer zwischen Traditionen und dem Aufbruch. Süt, ein Jahr später in den Kinos gestartet, springt zurück in der Zeit, Yusuf (nun gespielt von Melih Selçuk) ist Anfang 20 und lebt noch gemeinsam mit seiner Mutter Zehra (Basak Köklükaya) in Anatolien, wo die beiden sich mehr schlecht als recht mit dem Verkauf von Milchprodukten über Wasser halten. Eisern hält die Mutter noch an den Traditionen des Landlebens fest, doch Yusuf hat längst andere Pläne: Seit eines seiner Gedichte in einer Literaturzeitschrift abgedruckt wurde, träumt er von einem Leben als Schriftsteller – und steht damit vor einer schweren Entscheidung, die sein ganzes zukünftiges Leben bestimmen wird.

In Bal schließlich springt Kaplanoğlu zurück in die Kindheit Yusufs. Schüchtern und gehemmt wird der Junge in der Schule von seinen Mitschülern gehänselt und muss schließlich den Tod des Vaters miterleben, der für ihn das jähe und viel zu frühe Ende seiner Kindheit bedeutet.

Die Yusuf-Trilogie stellt nicht nur die eindrucksvolle Biographie eines fiktiven Dichters dar, die metaphorisch für all die Kämpfe steht, denen Künstler sich generell stellen müssen. Darüber hinaus fokussieren die speziellen Lebenssituationen, in denen wir Yusuf in drei Lebensabschnitten sehen, auf allgemeinere und universellere Themen wie Familie, Abschied und Tod, Identität und Selbstverleugnung, Erfüllung und Pflicht. Und zugleich zeichnen die Filme ein differenziertes Bild der Türkei als Land, das zwischen den Polaritäten von Tradition und Moderne balanciert und das ebenso wie Yusuf seinen Weg erst finden muss.

Von Kritikern weltweit mit Preisen geradezu überschüttet – der Goldene Bär in Berlin stellt hierbei nur die Spitze des Eisbergs dar – ist die Yusuf-Trilogie ein beeindruckendes Monument des neuen türkischen Films, der eindrucksvoll unter Beweis stellt, dass der Siegeszug der jungen Filmemacher vom Bosporus womöglich gerade erst begonnen hat. Und wenn man bedenkt, dass Kaplanoğlu gerade erst fünf Langfilme vollendet hat, dann berechtigt das zu den schönsten Hoffnungen.

Yusuf-Trilogie (3-DVD Special Edition)

Spätestens mit dem Erfolg von „Bal — Honig“, der bei der 60. Berlinale vollkommen verdient den Goldenen Bären gewann, ist Semih Kaplanoğlu, der neben Nuri Bilge Ceylan zu den erfolgreichsten Regisseuren des jungen türkischen Autorenfilms zählt, endgültig fest etabliert im Kreise der Filmemacher mit unverwechselbarer eigener künstlerischer Handschrift.
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