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In seinem Debüt als Regisseur erzählt Jonah Hill vom Erwachsenwerden im Los Angeles der 1990er Jahre. Im Zentrum des Geschehens: ein 13-Jähriger auf der Suche nach Anschluss.

Mid90s (2018)

Eine Filmkritik von Andreas Köhnemann

Teen Spirit

Das Regie-Debüt eines Schauspiel-Stars, das eine Coming-of-Age-Story schildert, die in genau jener Zeit angesiedelt ist, in welcher der Macher selbst jung war, und die zudem dessen Geburtsstadt als Handlungsort nutzt? Ja, das klingt erst einmal nach einem ziemlich narzisstischen, wenig reizvollen Film. Doch ähnlich wie Greta Gerwig in ihrem ersten Solo-Regiewerk Lady Bird geht es Jonah Hill in „Mid90s“ nicht darum, das eigene Leben auf kinematografischem Wege therapeutisch aufzuarbeiten und nur um eigene Befindlichkeiten zu kreisen, sondern darum, eine authentisch anmutende Geschichte mit komplexen Figuren zu erzählen. Dabei überzeugen Hills Drehbuch und Inszenierung vor allem in der Gestaltung von zwischenmenschlichen Beziehungen – die mal rau, mal rührend sind.

Zu Beginn sehen und hören wir, wie sich der 13-jährige Stevie (Sunny Suljic) mit seinem älteren (Halb-)Bruder Ian (Lucas Hedges) prügelt. Es ist keine harmlose Rauferei, vielmehr eine extrem brutale Auseinandersetzung. Und doch zeigt sich schon kurz darauf, dass Stevie Ian auch bewundert – wenn er heimlich in dessen Zimmer die Basecaps, Sneakers, Musikmagazine, MCs, CDs und Sportgeräte seines Bruders betrachtet und ihm später stolz eine CD zum 18. Geburtstag schenkt, von der er durch seine „Recherche“ weiß, dass Ian sie noch nicht besitzt. An dem gerade Volljährigen prallen die Zuwendungsversuche des Jüngeren indes völlig ab. Mit ihrer alleinerziehenden Mutter Dabney (Katherine Waterston) wohnen die beiden in Los Angeles – und ihr schwieriges Verhältnis zueinander, das sich im Laufe des Films noch mehrmals wandelt, ist nur eine der zahlreichen interessanten Verbindungen, die Hill beleuchtet, ohne sie gänzlich zu erklären oder sie im Rahmen einer klassischen Dreiaktstruktur eine klare Entwicklung durchlaufen zu lassen.

Stevies häusliche Situation wird nur angedeutet – und wirkt durch die Leerstellen und Ambivalenzen umso glaubwürdiger. Ebenso treffend fängt Hill das Umfeld ein, das Stevie für sich entdeckt: die Skater-Szene. Durch den etwa gleichaltrigen Ruben (Gio Galicia) wird Stevie allmählich zum Mitglied einer Clique um den coolen Ray (Na-kel Smith), den überdrehten Fuckshit (Olan Prenatt) und den zurückhaltenden Fourth Grade (Ryder McLaughli), der alles mit seiner Videokamera festhält. Die Sprache dieser Teenager hat etwas Echtes; obendrein demonstriert Hill ein gutes Gespür für Gruppendynamik. Wenn die jungen Männer an verbotenen Plätzen skaten, vor der Polizei flüchten oder gemeinsam im lokalen Skateshop und auf Hauspartys abhängen, hat das einerseits etwas Spaßig-Ausgelassenes – andererseits gibt es aber auch Regeln, die Stevie befolgen (oder im perfekten Moment brechen) muss, um von den anderen anerkannt zu werden. Zudem sind auch in den Freundschaften Konflikte spürbar, etwa wenn Ray sich einer anderen Gruppe zuzuwenden beginnt, um die Möglichkeit einer Karriere als Profi-Skater ergreifen zu können. Die Beziehungen sind brüchig, niemand ist bereits „angekommen“ – und nichts ist zwangsläufig „für immer“.

Hill zählt Larry Clarks Kids (1995) zu seinen Inspirationen – und tatsächlich ist Mid90s in seinem Look sehr ähnlich geraten. Im Gegensatz zu Clark baut Hill zu seinen Figuren aber wesentlich mehr Nähe auf. Wir fühlen mit Stevie sowie mit dessen Familie und neuen Freunden mit, auch wenn sich alle nicht durchweg „richtig“ verhalten. Wie Stevie sich bemüht, dazuzugehören und Respekt zu erlangen, wird von Sunny Suljic (bekannt als Sohn aus The Killing of a Sacred Deer) einnehmend gespielt. Der Film ist allerdings kein harmlos-hübscher Nostalgietrip; die auf 16mm gedrehten Bilder von Kameramann Christopher Blauvelt sowie das Produktions- und Kostümdesign verwenden Kulissen, Requisiten und Klamotten nicht als lustiges Augenfutter, sondern können wirklich den Eindruck erwecken, man sehe ein Werk aus dieser Zeit. Mid90s bietet keinen Retro-Fun – sondern den nervigen, aufregenden, schrecklichen und schönen Prozess des Erwachsenwerdens, der ganz unverstellt gezeigt wird.

Mid90s (2018)

Jonah Hills Regiedebüt erzählt von dem 13-jährigen Stevie, der in den 1990er Jahren in Los Angeles aufwächst und zwischen einem zerrütteten Zuhause und neuen Freunden, die er in einem Skater-Laden kennenlernt, seinen eigenen Weg finden muss.

 

 

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Meinungen

SteRu · 07.03.2019

Wenn man den Trailer sieht und vor allem den Songtrack hört, könnte man meinen, Jonah Hill hat sich auch von dem fantastischen *This Ain't California* beeinflussen lassen! Ich bin jedenfalls gespannt auf Mid90s