May und die Liebe

Eine Filmkritik von Andreas Köhnemann

"Warum bin ich nicht einfach glücklich?"

Wird in einem Liebesfilm von den Vorbereitungen für eine Hochzeit erzählt, handelt es sich zumeist um eine Hochzeit mit der falschen Person. Als der/die „Richtige“ erweist sich dann zum Beispiel die sympathische Frau, die das Fest organisieren soll (in Wedding Planner), oder der erheblich aufregendere Bruder des Bräutigams (in Mondsüchtig) oder der höchst enervierende, gleichwohl charmante Journalist, der über die Trauung berichten will (in Die Braut, die sich nicht traut).
So ahnt man rasch, dass die bevorstehende Heirat in May und die Liebe nicht das eigentliche Erzählziel dieses Films ist – wobei diese Ahnung durch das Auftauchen eines neuen potenziellen „love interest“ für die Protagonistin bald ihre Bestätigung zu finden scheint. Wer nun aber glaubt, dass die von Cherien Dabis geschriebene und inszenierte Tragikomödie nichts weiter als konventionelle Romanik-Unterhaltung zu bieten hat, der irrt sich. Denn Dabis zeigt hier auf äußerst kluge und einfühlsame Weise, wie vermeintlich „banale“ Beziehungsprobleme die Menschen auch in unmittelbarer Nähe zu Kriegs- und Krisengebieten völlig einnehmen können.

Im Zentrum des Geschehens steht die erfolgreiche Autorin May (verkörpert von Dabis selbst), die aus New York anreist, um in ihrer Heimat Amman ihre Hochzeitsfeier in Gang zu bringen. In einem Monat soll das Fest stattfinden – Mays zukünftiger Gatte, der Akademiker Ziad (Alexander Siddig), wird in Kürze nachkommen; ihre Schwestern Yasmine und Dalia (Nadine Malouf und Alia Shawkat) wurden als Brautjungfern ausersehen. May, Yasmine und Dalia sind die Töchter der palästinensischen, strenggläubigen Christin Nadine (Hiam Abbass) und des ebenfalls in Jordanien lebenden US-Amerikaners Edward (Bill Pullman). Letzterer hatte wiederholt Affären, weshalb das Paar geschieden ist. Während sich Nadine ganz ihrem Glauben gewidmet hat (und hofft, dass ihre Töchter „zu Jesus finden“ werden), ist Edward inzwischen mit der wesentlich jüngeren Inderin Anu (Ritu Singh Pande) zusammen, möglicherweise jedoch erneut untreu.

Neben dem Konflikt mit der Mutter, die nicht zur Hochzeit kommen will, da Ziad ein Moslem ist, sowie dem Versuch, wieder eine Bindung zum entfremdeten Vater herzustellen, regt sich in May leiser Zweifel an der Vermählung mit Ziad. Die Autorin leidet unter einer Schreibblockade; überdies lernt sie gerade jetzt den netten Tour-Veranstalter Karim (Elie Mitri) kennen.

May und die Liebe feierte bereits Anfang 2013 auf dem „Sundance Film Festival“ seine Premiere. Verglichen mit Cherien Dabis‘ eindrücklichem Langfilmdebüt als Writer-Director – dem semidokumentarisch gestalteten Willkommen in Amerika (2009; Originaltitel: Amreeka) –, wirkt diese Nachfolgearbeit in der Mischung aus tragischen und komischen Elementen deutlich weniger ungeschönt-mutig. Dennoch ist der Filmemacherin auch hier ein Werk gelungen, das die Stimmung im Umfeld der Figuren differenziert einzufangen weiß.

Für die titelgebende Heldin und ihre dysfunktionale Familie entwickelt man als Zuschauer_in schnell großes Interesse – was auch dem engagierten Spiel des Ensembles zu verdanken ist. Die Chemie zwischen Dabis und ihren beiden Filmschwestern ist wunderbar; Alia Shawkat (bekannt aus der Comedyserie Arrested Development) liefert als Dalia eine angenehm renitente Performance. Zu den stärksten Momenten gehört indes eine Vater-Tochter-Sequenz zwischen May und Edward, in welcher Dabis den Zorn und die Traurigkeit eines vernachlässigten Kindes glaubhaft zum Ausdruck bringt – und Bill Pullman die Schuldgefühle eines Mannes, der viele Fehler in seinem Leben begangen hat, zu vermitteln versteht. May und die Liebe ist eine fein beobachtete Familiengeschichte, die ihren Themen humorvoll, aber mit dem nötigen Ernst begegnet.

May und die Liebe

Wird in einem Liebesfilm von den Vorbereitungen für eine Hochzeit erzählt, handelt es sich zumeist um eine Hochzeit mit der falschen Person. Als der/die „Richtige“ erweist sich dann zum Beispiel die sympathische Frau, die das Fest organisieren soll (in „Wedding Planner“), oder der erheblich aufregendere Bruder des Bräutigams (in „Mondsüchtig“) oder der höchst enervierende, gleichwohl charmante Journalist, der über die Trauung berichten will (in „Die Braut, die sich nicht traut“).
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