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Mit „Martyrs“ legte der Franzose Pascal Laugier 2008 einen markerschütternden, aufsehenerregenden Horrorstreifen vor und erarbeitete sich im Handumdrehen den Ruf eines Schreckensmeisters. Schlägt sein neuer Psychothriller „Ghostland“ in dieselbe Kerbe?

Ghostland (2018)

Eine Filmkritik von Christopher Diekhaus

Gefangen in einem Albtraum

Nachdem der beinharte Schocker Martyrs Pascal Laugier 2008 schlagartig international bekannt gemacht hatte, nahm der französische Regisseur und Drehbuchautor im Anschluss seine erste englischsprachige Regiearbeit in Angriff. Der 2012 erschienene Mystery-Thriller The Tall Man – Angst hat viele Gesichter mit Jessica Biel in der Hauptrolle fiel im Vergleich deutlich moderater aus und stieß bei Kritik und Publikum auf größere Gleichgültigkeit. Mit seiner neuen Arbeit „Ghostland“ macht Laugier einen Schritt zurück zum garstigen, intensiven Terrorkino, freilich ohne den enormen Verstörungsgrad von „Martyrs“ zu erreichen.

Seine Fähigkeiten als Schreckensarrangeur demonstriert der Franzose schon im Prolog, der den Zuschauer geradewegs in ein nervenzerfetzendes Horrorszenario schleudert: Gemeinsam mit ihren charakterlich grundverschiedenen Töchtern Beth (Emilia Jones) und Vera (Taylor Hickson) bezieht Pauline (Mylène Farmer) das einsam gelegene Haus ihrer verstorbenen Tante, in dem sie gleich am ersten Abend von zwei Unbekannten (Rob Archer, Kevin Power) attackiert werden. Mithilfe einer schrillen, nie zur Ruhe kommenden Tonspur, schneller Schnitte, überfallartiger Gewaltexplosionen, einer wackeligen Kamera und wilder Schreie nimmt Laugier sein Publikum gefangen, während seine Protagonistinnen in einen grausamen Kampf verwickelt werden, den das Trio nur durch Paulines erbitterte Gegenwehr überlebt.

16 Jahre später hat sich die schon damals äußerst fantasievolle und schreibbegeisterte Beth (nun gespielt von Crystal Reed) in eine erfolgreiche Horrorautorin verwandelt, die nicht zuletzt durch ihre Arbeit versucht, mit dem Erlebten umzugehen. Als sie eines Tages einen panischen Anruf ihrer zunehmend unter Wahnvorstellungen leidenden Schwester (jetzt: Anastasia Phillips) erhält, macht sich die Schriftstellerin auf den Weg in das Haus ihres größten Albtraums, das Pauline und Vera nach wie vor bewohnen.

Zweifelsohne kratzt Ghostland – etwa in der Darstellung der beiden exzentrisch-grobschlächtigen Eindringlinge – an alten Genreklischees. Und ohne Frage legt der Regisseur trotz des Trauma-Aspektes kein besonders ausgeprägtes Interesse für psychologische Feinheiten an den Tag. Vereinfachungen und Versäumnisse wie diese lassen sich jedoch halbwegs verschmerzen, da die französisch-kanadische Koproduktion ein permanentes Terrorklima erzeugt und noch dazu mit einigen überraschenden Wendungen aufwartet. Vor allem zur Hälfte zieht der nicht gerade zimperliche Psychothriller dem Betrachter den Boden unter den Füßen weg und taucht das Geschehen in ein neues Licht. Obwohl das Spiel mit unterschiedlichen Ebenen ungeachtet eines Meta-Elements nicht allzu komplex ausfällt, erweist sich der Aufbau des Drehbuchs als wirkungsvoll und spannungsfördernd.

Nicht nur die schiefen, beunruhigenden Klänge, auch das mit allerlei bizarren Requisiten – beispielsweise einer gruseligen Variation an Puppen – ausgestattete Setting lässt eine dauerhaft beklemmende Atmosphäre entstehen, in der man ständig um das Wohlergehen der Hauptfiguren fürchten muss. Angesichts der konstanten Bedrohungslage fühlt man sich ein wenig an die hysterische Intensität erinnert, die Tobe Hoopers genreprägender Klassiker The Texas Chainsaw Massacre entfacht. Auch wenn Ghostland an dessen Wucht nicht ganz heranreicht, darf man Laugier zu einem unbequemen, packend inszenierten Schocker gratulieren.

Unschöne Nachrichten mit Bezug zum Film drangen Anfang 2018 an die Öffentlichkeit. Wie bekannt wurde, brach Jungdarstellerin Taylor Hickson während des Drehs einer emotional aufreibenden Szene durch eine Glasscheibe und trug gravierende Gesichtsverletzungen davon. Da man die Sicherheitsvorkehrungen am Set offenbar grob vernachlässigt hatte, reichte die von einer riesigen Narbe verunstaltete Schauspielerin eine Klage gegen die Produktionsfirma ein und erhob in ihren Statements auch Vorwürfe gegen den Regisseur. Etwas geschmacklos erscheint im Wissen um diesen schlimmen Vorfall das offizielle Poster zu Ghostland, auf dem das durch Risse entstellte Gesicht von Hicksons Kollegin Emilia Jones zu sehen ist. Ein anderes Motiv wäre sicher deutlich angebrachter gewesen.

Ghostland (2018)

Pascal Laugiers „Ghostland“ erzählt die Geschichte einer zweifachen Mutter, die von ihrer Tante ein Haus erbt. Doch schon in der ersten Nacht muss sie sich gegen Eindringlinge zur Wehr setzen, um so das Leben ihrer Töchter zu schützen. 16 Jahre später kommen die beiden Schwestern erneut in dem Haus zusammen — und abermals entwickeln sich die Dinge in eine merkwürdige Richtung …

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