Ein Versprechen (2013)

Eine Filmkritik von Gregor Ries

Im Geflecht der Blicke

Zuletzt konzentrierte sich Patrice Leconte eher auf harmlose, teils leicht satirische, teils klamaukhafte Komödien wie [Nur eine Stunde Ruhe. Mit der Adaption Ein Versprechen nach der Novelle Eine Reise in die Vergangenheit aus Stefan Zweigs Nachlass knüpfte er 2013 an seine kammerspielartigen Beziehungsdramen wie Intime Fremde an, mit dessen Co-Autor Jérôme Tonnere er erneut das Drehbuch verfasste. Seine erste englischsprachige Produktion erlangte international allerdings recht wenig Resonanz und Lob. Zwar bleibt die Verfilmung gelegentlich an der Oberfläche, vereint jedoch dank der vorzüglichen Kameraarbeit und dezenten Inszenierung viele Qualitäten von Lecontes stillen, präzise beobachteten Romanzen. Dazu erweist sich Gabriel Yareds Score, der nur gegen Ende etwas melodramatisch ausfiel, als wohltuend zurückhaltend.
Leconte verzichtet auf die Rückblendenstruktur der Vorlage und entwickelt den Stoff chronologisch: 1912 erhält der junge Ingenieur Friedrich Zeitz (Richard Madden), ehemaliger Absolvent der Freiburger Universität, eine Anstellung im Stahlwerk des Industriellen Karl Hoffmeister (Alan Rickman). Dank seines unermüdlichen Engagements steigt er rasch zu dessen Privatsekretär auf. Nachdem Friedrich der wesentlich jüngeren Frau (Rebecca Hall) seines kränklichen Arbeitgebers begegnet, verbringt er zunehmend Zeit mit ihr. Außerdem schlägt er Charlotte vor, ihrem Sohn Otto Nachhilfeunterreicht zu geben.

Auf Wunsch seines Chefs verlässt Friedrich seine schäbige Dachwohnung samt seiner in ihn verliebten Vermieterin, um ein luxuriöseres Zimmer in der Hoffmeister-Villa zu beziehen. Dabei bleibt es nicht aus, dass sich der ehrgeizige Angestellte allmählich in Charlotte verliebt. Ihrem Mann bleibt deren gegenseitige Anziehung nicht verborgen. Als Friedrich ihm ein Firmenengagement in Mexiko vorschlägt, stimmt Karl Hoffmeister zögerlich dem Expansionsplan zu. Zugleich versetzt er seinen Adjutanten für zwei Jahre auf dem fernen Kontinent. Obwohl sie es sich zunächst nicht eingestehen wollte, bricht besonders für Charlotte eine Welt zusammen.

Über weite Strecken lebt Ein Versprechen vom Wechselspiel aus Nähe und Distanz zwischen dem Paar aus ungleichen Verhältnissen. Bei der ausgeklügelten Bildgestaltung erweisen sich Details und Blicke oft vielsagender als alle Worte, wobei sich Leconte ganz auf das Talent von Eduardo Serra, Claude Chabrols einstigem Stammkameramann, verlassen kann. Bei Friedrichs zweiter Begegnung mit seinem Mentor stehen etwa das goldene Geschirr und eine prachtvolle Schatulle zur Unterstreichung der Klassenkontraste zwischen ihnen. Während Herr Hoffmeister dahinter einen majestätischen Eindruck erweckt, scheint sein Angestellter im Gegenschuss hinter dem Prunk zu verschwinden. An der langen Tafel wirkt der in der Mitte platzierte Ex-Student wie ein Störfaktor zwischen dem Ehepaar.

Häufig entwickelt sich ein Wechselspiel der Blicke: Als Friedrich Charlottes Körper abzutasten beginnt, bemerkt es Karl Hoffmeister erst spät, ohne dass dieser Umstand dem jungen Mann selbst auffällt. Immer wieder nimmt die Kamera Friedrichs Blickwinkel ein, mit dem er Charlottes Gang folgt. Als Sohn Otto bei einem Kirmesbesuch durch die Unachtsamkeit seiner Begleiter verschwindet, unterstreicht Serra ihre Angst und Verwirrung durch Handkameraeinsatz und Unschärfen. Als sich die beiden Liebenden nach langen Jahren endlich wiedersehen und das titelgebende Versprechen einlösen wollen, greift die Kamera Friedrichs Point of View wieder auf. Zugleich wird die Distanz zwischen den Liebenden spürbar.

Zwischendurch verschiebt Patrice Leconte die Erzählperspektive von Friedrich auf seine Geliebte in spe. Weniger deutlich arbeitet er aber gegen Ende die gesellschaftlichen Veränderungen nach dem Ersten Weltkrieg heraus. Als das Paar zum Ort ihrer ersten Zweisamkeit zurückkehrt (in der Vorlage ist es Heidelberg), geraten sie in den Aufmarsch von Kriegsveteranen. Es hätte genügt, das Reichsbanner in den Fokus zu rücken, um die aufkommende Gewalt und das Zerbrechen der Ordnung zu unterstreichen. Die eingesetzten Hakenkreuz-Schilder sind jedoch historisch inakkurat und überflüssig. Zwar zählt Ein Versprechen nicht ganz zur Riege von Lecontes Meisterwerken, doch die bemerkenswerte Arbeit löst ein Versprechen ein, das er zuletzt 2004 mit Intime Fremde gab. Leider enthält die DVD nur den Kino- und diverse Verleihtrailer als Bonusmaterial.

Ein Versprechen (2013)

Zuletzt konzentrierte sich Patrice Leconte eher auf harmlose, teils leicht satirische, teils klamaukhafte Komödien wie „Nur eine Stunde Ruhe“. Mit der Adaption „Ein Versprechen“ nach der Novelle „Eine Reise in die Vergangenheit“ aus Stefan Zweigs Nachlass knüpfte er 2013 an seine kammerspielartigen Beziehungsdramen wie „Intime Fremde“ an, mit dessen Co-Autor Jérôme Tonnere er erneut das Drehbuch verfasste.
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