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Rentner, die sich noch nicht aufs Altenteil abschieben lassen, sind im Kino beliebt. Nun wagt sich eine 83-Jährige an einen Berg in den schottischen Highlands. Ist das mehr als nur das nächste Wohlfühldrama vor pittoresker Kulisse?

Edie - Für Träume ist es nie zu spät (2017)

Eine Filmkritik von Falk Straub

Befreiung am Berg

Sein neuer Film ist Simon Hunter eine Herzensangelegenheit. Der 1969 im englischen Leicester geborene Regisseur ist in Schottland aufgewachsen. Als Kind hat er den Berg, um den die Träume seiner Titelheldin kreisen, selbst bestiegen. Wie die rüstige Rentnerin tanzt auch Hunters Film in seinem überschaubaren Werk gehörig aus der Reihe.

Wenn der Brite, der in Dresden und London lebt, keine Fernseh- und Werbefilme dreht, lehrt er sein Kinopublikum das Fürchten oder Staunen. Sein Langfilmdebüt gab er mit dem Kammerspiel-Horror Lighthouse (1999). Neun Jahre später schickte er Thomas Jane, Ron Perlman, John Malkovich und Benno Fürmann in Mutant Chronicles ins 28. Jahrhundert. Als nächstes steht der Zombie-Schocker Last Blood auf dem Programm. Und dazwischen? Ein Altersdrama am Berg – ganz ohne wilde Kreaturen (wenn man den gemeinen Schotten außer acht lässt), dafür mit Humor und Herz.

Der Berg heißt Suilven, die Frau Edith Moore (Sheila Hancock). Ungeachtet dessen, wie stur sie auf eine förmliche Anrede pocht, nennen sie alle nur Edie. Edies Dickschädel bringt sie auf die fixe Idee, nach dem Tod ihres Mannes statt im Altersheim zu versauern noch einmal die Wanderstiefel zu schnüren. Mit dem Nachtzug reist sie nach Inverness und ins Ungewisse. Dort stolpert sie noch am Bahnhof Jonny (Kevin Guthrie) und seiner Lebensgefährtin Fiona (Amy Manson) in die Arme. Und während sich Fiona erst einmal aus der Handlung verabschiedet, um einen Kredit für den darbenden Familienbetrieb zu besorgen, nimmt sich Jonny grummelnd der alten Dame an.

Der Suilven zählt nicht zu Schottlands höchsten, aber zu seinen steilsten Bergen. Ohne Training ist er für Edie nicht zu meistern. Wie es der Zufall, die Auffassungsgabe von Jonnys Kumpel McLaughlin (Paul Brannigan) und Jonnys chronisch knappe Kasse wollen, ist er als helfende Hand zur Stelle und hält die Hand dabei kräftig auf. Aus der angedachten Abzocke entwickelt sich schnell eine echte Freundschaft, weil Edies radikaler Neuanfang Jonny inspiriert. Wie so viele in seiner Generation wünscht sich auch Jonny ein sinnvolleres Leben, scheut aber den entscheidenden Schritt.

Regisseur Hunter zeigt sich indes trittsicher. Mit seinem Wohlfühldrama beschreitet er zwar keine neuen, aber zumindest wunderschöne, selten gesehene Pfade. Die karge, menschenleere Kulisse beeindruckt. Kameramann August Jakobsson erkundet sie mal im Flug, mal mit geschmeidigen Fahrten, wenn er sich nicht gerade Edies strahlend blauen Augen oder Jonnys spitzbübischem Lächeln widmet. Elizabeth O’Hallorans Drehbuch bleibt hingegen vorhersehbar. O’Halloran setzt auf Gegensätze: die Stadt gegen die Natur, Alt gegen Jung, ein fremdbestimmtes gegen ein selbstbestimmtes Leben. Eine in der Vergangenheit wurzelnde Ursache und eine göttlich anmutende Fügung dürfen da nicht fehlen.

Hunter macht daraus eine einfühlsame Geschichte einer Frau, die sich erst an ihrem Lebensabend befreit. Geht es mit ihrem Mann und ihr zu Anfang noch bergab, ist sie am Ende obenauf. Dass es die 1933 geborene Hauptdarstellerin Sheila Hancock tatsächlich bis auf den Gipfel geschafft hat und kein Double aus Fleisch und Blut oder aus dem Rechner, ist dabei mindestens so aufregend wie die stets etwas zu formelhaft verlaufende Geschichte und so imposant wie die tollen Landschaftsaufnahmen.

Edie - Für Träume ist es nie zu spät (2017)

Es ist niemals zu spät, daran glaubt die 83-jährige Edie fest. Und deshalb zögert sie nicht, ihren alten Wanderrucksack zu packen und das vielleicht letzte Abenteuer ihres Lebens anzugehen — die Besteigung des Mount Suilven in Schottland.

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