Die Verschwörung - Verrat auf höchster Ebene

Eine Filmkritik von Martin Beck

Spionage hinter Cocktailgläsern

My goodness, der britische MI5 steckt mal wieder in einer Krise. Perfekt gekleidete Spione passen ihre Gesichtszüge dem Muster der Hintergrundtapete an und konferieren über Augenbrauen. Johnny Worricker (Bill Nighy) erhält von seinem Freund und Vorgesetzten, Benedict Baron (Michael Gambon), brisante Unterlagen, die nicht nur beweisen, dass die USA geheime Verhörbunker unterhalten, sondern auch, dass dem Premierminister (Ralph Fiennes) seine ausländischen Freunde wichtiger sind als die inländischen Gesetze. Was tun? Am besten völlig cool bleiben und dann strategisch manövrieren, gerne unterstützt durch die politisch aktive Nachbarin (Rachel Weisz), die allerdings ihrerseits das Problem hat, die Ermordung ihres Bruders durch die israelische Armee nachweisen zu wollen.
Die Verschwörung, eine TV-Produktion unter der Regie von David Hare, der unter anderem für die Drehbücher von Der Vorleser und The Hours verantwortlich ist, wandelt überdeutlich auf Dame, König, As, Spion-Spuren. Quasi ein Bond-Film hinter Schreibtischen, bei dem die Feinde kaum als solche zu erkennen sind und der Protagonist ein Minenfeld aus Cocktailgläsern bewältigen muss, immer auf der Hut vor böswilligen Schattengestalten, die für ihre hinterfotzigen Taten weder eine von Ken Adam entworfene Untergrundfestung noch eine dicke Streichelkatze benötigen. Der moderne Spion als Upperclass-Dressman, intelligent, gefühlskalt und zerfressen von Paranoia. Seine entscheidende Waffe: Dialoge, Dialoge und noch mehr Dialoge.

Nein, halsbrecherische Verfolgungsjagden darf man bei Die Verschwörung nicht erwarten, und eine richtig bahnbrechende Geschichte sucht man besser auch woanders. Die Enthüllungen des Films, namentlich das mit den Verhörbunkern und dem Premierminister, sind fester Bestandteil jeder hochwertigen Klowand, und damit leider nur bedingt geeignet, den dramatischen Puls entscheidend nach oben zu peitschen. Ganz so distanziert wie bei Dame, König, As, Spion geht es zum Glück hier nicht zu, doch über weite Strecken bleibt einfach ein gewisser Rahmen gewahrt – bedingt vor allem durch die agierenden Personen, die ihrerseits einen gewissen Rahmen wahren.

Die Verschwörung ist quasi gefangen im Netz ihrer Geschichte, so dass es an der erstklassigen Besetzung liegt, einen Zugang zum schleichenden Geschehen zu öffnen. Wenn man erstmal den Wunsch nach Spannung als Wunschdenken abgeheftet hat, bleiben immerhin noch großartige Schauspieler, allen voran Bill Nyghy, der viel öfter so wollen müsste wie hier. David Hare beweist erneut ein ausgefeiltes Händchen für feine Nuancen und findet tatsächlich die entscheidenden Zwischentöne, die irgendwann doch noch packen können, die vor allem der Beziehung zwischen Nighy und Weisz wohltemperierte Eindringlichkeit verleihen. Je mehr sich das Geschehen verdunkelt, desto inniger verbindet sich der Zuschauer mit den Protagonisten. Selbst hinter Geheimdienstmechanismen regen sich immer noch menschliche Zuckungen.

Irgendwie beruhigend, diese Feststellung, und letztendlich ein guter Grund, warum Die Verschwörung sehenswert ist. Dieser Konflikt aus Maßanzug und innerer Unruhe kann einfach nur eine begrenzte Zeit gutgehen, danach müssen Emotionen kanalisiert werden – was hier immerhin in begrenztem Umfang passiert und dabei das Geschehen so weit öffnet, dass man den Menschen hinter der MI5-Marke greifen kann. Eine erstklassige Produktion, eine erstklassige Besetzung und ein Regisseur, der nicht zum ersten Mal beweist, dass es auch in sperrigen Umgebungen vertraut menscheln kann. Wer grundsätzlich noch eine weitere Runde Stühlesägen beim MI5 als Thema eines abendfüllenden Films akzeptiert, kommt hier auf seine sowohl gediegenen als auch überschaubaren Kosten.

Die Verschwörung - Verrat auf höchster Ebene

My goodness, der britische MI5 steckt mal wieder in einer Krise. Perfekt gekleidete Spione passen ihre Gesichtszüge dem Muster der Hintergrundtapete an und konferieren über Augenbrauen. Johnny Worricker (Bill Nighy) erhält von seinem Freund und Vorgesetzten, Benedict Baron (Michael Gambon), brisante Unterlagen, die nicht nur beweisen, dass die USA geheime Verhörbunker unterhalten, sondern auch, dass dem Premierminister (Ralph Fiennes) seine ausländischen Freunde wichtiger sind als die inländischen Gesetze. Was tun?
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Meinungen

Martin Zopick · 26.02.2024

Ein äußerst komplexer Spionagethriller, der an †John le Carré erinnert. Johnny, ein alter Mitarbeiter des MI5 (Bill Nye, souverän wie immer), bekommt von seinem Vorgesetzten Benedikt Baron (Michael Gambon) eine Akte zugespielt mit prekären Informationen über amerikanische Gefängnisse an geheimen Orten in Europa, in denen gefoltert wird. Johnny sucht Beweise für seine Quelle. Es ist eine Akte, auf deren Seite 8 (Originaltitel!) die wichtigen Infos stehen. Vor allem in drei Bereichen wird Johnny fündig:
Er kontaktiert alte Freunde (z.B. die Kunsthändlerin Marthe Keller), Holly Aird oder seine Ex (Alice Krige). Natürlich werden auch seine Kollegen aus der Spionageabwehr auf ihn aufmerksam: Julie Davis sowie Innenministerin Catcheside, Saskia Reeves. Die Welle schlägt weitere Kreise bis hin zum Premierminister Beasley (Ralph Fiennes). Aber auch sein Privatleben wird in Mitleidenschaft gezogen. Tochter Julianne (Felicity Jones), eine Malerin, die gerade recht erfolgreich ist, streitet sich mit ihm über die Kunst. Am nachhaltigsten trifft ihn seine Nachbarin Nancy (Rachel Weisz). Und sie hat einen guten Grund, warum sie den Spionageexperten anbaggert: ihr Bruder wurde von Israelis beim Schwenken einer weißen Fahne erschossen. Die Fülle der Akteure verwirrt zunächst etwas, erhöht aber im Laufe der Zeit die Spannung. Auch, die Tatsache, dass beteiligte Politiker die Beförderungstreppe rauf fallen, sind halt allseits bekannt.
Den Deal, den Johnny mit dem Staatsschutz aushandelt, kann man noch vernachlässigen, doch den Ausgang der zärtlich angedeuteten Lovestory zwischen ihm und seiner Nachbarin Nancy kaum. Johnnys letzter Gang am Flughafen stellt alle Steine auf null.
Altmeister David-Wetherby-Hare hat eine geniale Balance zwischen Spionagealltag und familiärem Umfeld entwickelt, zwischen Nachrichtenaustausch verbunden mit menschlichen Lösungen und so die Welt ein klein wenig hoffnungsvoller gemacht.