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In ihrem neuen Werk schickt Naomi Kawase Juliette Binoche auf die Suche nach einer seltenen Pflanze in den Wäldern von Nara.

Die Blüte des Einklangs (2018)

Eine Filmkritik von Andreas Köhnemann

Wir sind Suchende

Zu Beginn von Naomi Kawases neuer Arbeit „Die Blüte des Einklangs“ bewegt sich ein älterer Mann durch den frühmorgendlichen, nebligen Wald. Er ist auf der Jagd und setzt sein Gewehr ein. Doch dann scheint ihn etwas zu irritieren. Was geschehen ist, werden wir allerdings erst viel später erfahren, da Kawase ihre Geschichte mit einigen Verschachtelungen erzählt.

Ehe wir die Hauptfiguren kennenlernen, wird die Natur als Protagonistin vorgestellt. Gemeinsam mit ihrem Kameramann Dodo Arata fängt die 1969 geborene japanische Filmemacherin zum einen das Schöne und Erhabene der Wälder in der Präfektur Nara ein – mal in Top Shots, mal aus der Bodenperspektive mit Blick in den Himmel. Zum anderen zeigt sie aber auch die Zerstörung, die der Umwelt durch Menschenhand angetan wird: Wenn eine Kettensäge gezückt, ein hoher Baum gefällt und eine Axt in einen Baumstumpf gerammt wird, mutet das in seiner Brutalität beinahe wie ein Horror-, gar ein Splatter-Film an.

Die Französin Jeanne (Juliette Binoche) sucht jene Gegend in Nara, wo sich die Yoshino-Berge befinden, zusammen mit ihrer jungen japanischen Assistentin Hana (Minami) auf, da sie dort eine Pflanze vermutet, die nur einmal in 997 Jahren erblüht und den Menschen angeblich von sämtlichen Schwächen und Schmerzen befreien kann. Die beiden Frauen begegnen dem 48-jährigen Tomo (Masatoshi Nagase), der vor zwei Dekaden an diesen Ort kam, da er „müde“ war, und bitten ihn, für ein paar Tage bei ihm wohnen zu dürfen.

Zwischen Jeanne und dem verschlossenen Tomo ist rasch eine Anziehung zu erkennen; gleichwohl wirkt Jeanne, die Hana zunächst als Dolmetscherin nutzt und später mit Tomo und anderen japanischen Figuren auf Englisch kommuniziert, durchaus aufdringlich, zuweilen sogar touristisch-ignorant. Während man in der ersten Hälfte einen Liebesfilm mit Culture-Clash-Elementen erwarten könnte, begibt sich Kawase dann doch auf andere, interessante Pfade. Zwar kommt es zu amourösen und sexuellen Momenten, die angenehm ungewöhnlich in Szene gesetzt werden; jedoch wird durch eingestreute Bilder alsbald deutlich, dass Jeanne eine schwere Vergangenheit mit sich herumträgt, die zugleich ihre Suche nach der Heilung versprechenden Pflanze motiviert.

Zeit und Raum verschmelzen im Laufe der Handlung zunehmend miteinander; die Montage trägt assoziative Züge. In wenigen Fällen erinnert die Kombination aus berückenden Naturaufnahmen und nachdenklich gesprochenen Worten an das Prätentiöse der neueren Terrence-Malick-Werke; überwiegend gelingt Kawase aber, wie schon in Still the Water (2014) oder Kirschblüten und rote Bohnen (2015), eine sehr feinfühlige Mischung aus starken Bildern und vielschichtigem Personal. Wenn etwa Aki (Mari Natsuki) – eine blinde Bekannte von Tomo, die nach eigener Aussage „1000 Jahre“ alt ist – im Freien eine Art Windtanz vollführt und das Rauschen des Waldes als Musik dient, zu welcher die Bäume zu tanzen scheinen, ist das ebenso eindrücklich wie das virtuose Zusammenspiel von Kamerafahrten, Panorama-Einstellungen und Groß- beziehungsweise Detailaufnahmen.

Auch in den Gesprächssituationen finden Kawase und Arata reizvolle Wege, die Kamera einzusetzen und Momente der Nähe entstehen zu lassen – wenn die Kamera zum Beispiel einen sprechenden Mund oder ein Augenpaar fokussiert, statt einen Mono- oder Dialog einfach statisch abzufilmen. Die wechselnden Figurenkonstellationen sorgen überdies immer wieder für emotionale Spannung. Während man zunächst eine Eifersucht seitens der älteren Aki auf die eintreffende Jeanne zu spüren glaubt, scheint sich Jeanne an späterer Stelle von dem jungen Rin (Takanori Iwata) gestört zu fühlen, der in Tomo möglicherweise eine Art Vaterfigur sieht, vielleicht aber auch für diesen schwärmt. Diese zwischenmenschlichen Interaktionen fügen sich erstaunlich gut in eine größere Erzählung über die Entstehung und Zerstörung von Leben, über den Wunsch, ein (schmerz-)freies Dasein zu führen, und über die Suche nach Erlösung und Glück. Am Ende steht eine einfache, jedoch wichtige Erkenntnis, wo man, aller Unwahrscheinlichkeit zum Trotz, fündig werden kann.

Die Blüte des Einklangs (2018)

Die Französin Jeanne (Juliette Binoche) sucht in Japan nach einer seltenen Heilpflanze, die nur alle 997 Jahre wächst und trifft dabei auf einen Förster, der ihr bei ihrer Suche hilft und dabei zusammen mit ihr verschüttete Spuren ihrer Vergangenheit freilegt.

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Meinungen

Rainer Holbe · 23.02.2019

Überirdisch schön.

Zero Points · 18.02.2019

Leider sehr schlecht; besonders die Hauptdarstellerin enttäuscht
und bleibt weit hinter ihren früheren Leistungen zurück.

Kann weg.

Christian · 16.02.2019

Ein wunderschöner Film über die - oft verlorene - Kraft der Intuition , über die Natur, über Liebe und den großen Zusammenhang.

Auggie Wren · 14.02.2019

EIn schön fotografiertes pseudoesoterisches Geschwurbel!

Jean-Francois · 15.04.2021

Auf den Punkt gebracht.
Abgesehen von hervorragenden Naturaufnahmen, ökoesoterisches Gebrabbel, geschmückt mit Großaufnahmen von ausdruckslosen Schauspielern.