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Die Menschheit im Klammergriff grausamer Aliens: Rupert Wyatts Science-Fiction-Thriller „Captive State“ benutzt ein sattsam vertrautes Erzählmotiv und entwickelt daraus ein nicht rundum überzeugendes, aber dennoch spannendes Szenario. 

Captive State (2019)

Eine Filmkritik von Christopher Diekhaus

Unterdrückung mit System

Ursprünglich war der von Rupert Wyatt inszenierte und gemeinsam mit seiner Ehefrau Erica Beeney geschriebene Science-Fiction-Thriller „Captive State“ hierzulande im März 2019 für einen Kinostart vorgesehen. Recht plötzlich verschwand der Streifen dann aber von der Startliste. Und in der Folge wurde es still um die 25-Millionen-Dollar-Produktion, die in den USA nur einen Bruchteil ihres Budgets einspielen konnte. Auch wenn der Film sicherlich nicht alles richtig macht, ist es schade, dass der originäre, durchaus reizvolle Dystopie-Stoff derart unter dem Radar lief. Immerhin findet er nun als Heimkinopremiere doch noch den Weg auf den deutschen Markt.

Wyatt, der schon in Planet der Affen: Prevolution Erfahrungen mit bedrohlichen Zukunftsvisionen gesammelt hat, konfrontiert uns gleich in den ersten Minuten mit einer Alien-Invasion, die für Chaos und Panik unter den Menschen sorgt. Inmitten des Durcheinanders versucht Familie Drummond, aus ihrem Wohnort Chicago zu fliehen. Plötzlich wird ihr Auto allerdings von extraterrestrischen Angreifern ins Visier genommen. Und nur wenig später sind die Mutter und der Vater tot, während die Brüder Gabriel und Rafe entgeistert auf der Rückbank hocken. 

Der adrenalingetränkte Einstieg lässt einen actiongeladenen Science-Fiction-Film vermuten. Wyatt und Beeney zeigen im weiteren Verlauf aber nur wenig Interesse an einem Effektspektakel, das auf permanente Monsterangriffe setzt. Vielmehr tauchen sie nach einem Zeitsprung in eine neu aufgestellte Gesellschaft ein. Seit der weltweiten Attacke sind neun Jahre vergangen. Und inzwischen stehen die Erdenbewohner unter der Herrschaft der mysteriösen Invasoren aus dem All. Die als Legislatoren bezeichneten Besatzer haben, so heißt es, Kriminalität und Armut quasi abgeschafft und leben zurückgezogen in unterirdischen Sperrzonen, die es in fast jeder Metropole auf dem Globus gibt und zu denen normale Bürger keinen Zutritt haben. Rücksichtslos beuten die Aliens die Ressourcen des Planeten aus und halten die Ordnung mithilfe ausgeklügelter Überwachsungsmethoden und menschlicher Kollaborateure aufrecht.

In trostlosen, graustichigen Bildern entwirft Captive State das Bild eines straff organisierten, brutalen Unterdrückungssystems, in dem jede Abweichung den Tod oder die Abschiebung in außerweltliche Kolonien bedeuten kann. Drohnen sind allgegenwärtig. Und unter die Haut gepflanzte Wanzen sorgen dafür, dass praktisch alle Bewegungen nachvollziehbar sind. Der mittlerweile zu einem jungen Mann herangewachsene Gabriel (Ashton Sanders) geht einer offiziellen Arbeit nach, verdient sich mit illegalen Botengängen jedoch gelegentlich etwas dazu und will der Alien-Diktatur so bald wie möglich entfliehen. An ihn tritt eines Tages mit dem für die Außerirdischen arbeitenden Polizeibeamten William Mulligan (John Goodman) der Ex-Partner seines Vaters heran, der beweisen will, dass die einst von Gabriels Bruder Rafe (Jonathan Majors) angeführte Widerstandszelle namens „Phönix“ noch immer existiert und neue Anschlagspläne ausheckt.

Captive State macht eine düstere, spannende, das Übel des Kolonialismus parabelhaft umschreibende Welt auf, die das Drehbuch an manchen Stellen ruhig noch etwas eingehender hätte erforschen können. Wie genau die fremden Herrscher Verbrechen und Armut bekämpft haben, bleibt etwa nebulös. Und auch die Zustimmung der Bevölkerung für die neuen Machthaber lässt sich nicht recht greifen. Der Jubel bei einer Veranstaltung im Soldier-Field-Stadion könnte für breitflächige Akzeptanz sprechen, gleichzeitig aber auch nur eine billige Propagandageste sein. Vielleicht arrangieren sich die meisten schlichtweg aus Angst vor Fehltritten mit dem grausamen System.

Gesteigerte Intensität bekommt das vorwiegend an ungemütlichen Orten spielende Geschehen vor allem im Mittelteil. Konkret während einer wirkungsvoll getakteten Montage, aus der eindrucksvoll hervorgeht, wie die geheimen Kommunikationswege der ethnisch und sozial durchmischten Rebellentruppe verlaufen. Informationen und Gegenstände werden hier auf pfiffige Weise von einer Person zur nächsten weitergereicht. Und mit jedem Schritt konkretisiert sich das tatsächlich geplante Attentat. Die Frage, ob terroristische Methoden im Kampf gegen einen Unrechtsstaat legitim seien, wird leider allenfalls gestreift, obwohl sie dem Ganzen noch mehr Substanz verleihen könnte. Etwas lückenhaft ist zudem die Charakterzeichnung. Der erste Akt etabliert Gabriel als Protagonisten der Geschichte. Zwischendurch verschwindet er aber eine Zeitlang von der Bildfläche, um dann wieder mit Gewalt in den Plot hineingepresst zu werden. Besonders im auf einen großen Tusch zusteuernden Finale wirken die handelnden Personen ein wenig wie auf dem Schachbrett hin und her geschobene Figuren. Die atmosphärischen Qualitäten und das in Teilen ideenreich zusammengebaute Dystopie-Setting heben Captive State dennoch über das Genremittelmaß hinaus.

Captive State (2019)

„Captive State“ spielt In einem Viertel von Chicago rund ein Jahrzehnt nach der Besetzung durch eine außerirdische Macht und erzählt davon, wie diese Invasion die Gesellschaft gespalten hat in Kollaborateure und Dissidenten.

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