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In nüchterner, aber ergreifender Manier und auf wahren Begebenheiten beruhend schildert das serbische Sozialdrama „Vater – Otac“ den Kampf eines Mannes um seine Familie und seine Würde.

Vater - Otac (2020)

Eine Filmkritik von Dobrila Kontić

Marsch eines Mittellosen

„Ich meine es ernst.“ Das sind die letzten Worte von Biljana (Nada Šargin), nachdem sie mit ihren beiden Kindern zur ehemaligen Arbeitsstätte ihres Mannes Nikola (Goran Bogdan) marschiert ist, dessen ausstehende Gehälter vom Direktor eingefordert hat und gedroht hat, sich ansonsten vor den Augen der Belegschaft und ihrer Kinder anzuzünden – ein Plan, den sie dann auch tatsächlich umsetzt. Das Feuer wird von herbeieilenden Arbeitern zwar schnell gelöscht, doch Nikolas Tortur hat mit Biljanas Einlieferung ins Krankenhaus gerade erst begonnen: Nach einer Befragung durch die Polizei, findet sich der nonstop schuftende Tagelöhner, immer noch unter Schock stehend, im Büro von Vasiljević (Boris Isaković), dem Leiter des örtlichen Sozialamts wieder. Dieser eröffnet ihm in selbstgefälliger Strenge, dass die Kinder nun in einer Pflegefamilie untergebracht seien, bis sich die Lebensverhältnisse in ihrem Heim besserten.

Doch auch nachdem Nikola, der vor zwei Jahren seine Arbeitsstelle verloren hat, wieder für Strom, fließend Wasser und gestrichene Wände in seinem von Mittellosigkeit gezeichneten Haus gesorgt hat, verwehrt Vasiljević ihm jeglichen Kontakt zu seinen Kindern, die auf unbestimmte Zeit bei der Pflegefamilie bleiben sollen. Als Nikola zudem Gerüchte erreichen, dass Vasiljević sich an Fällen wie dem seinen finanziell bereichert und selbst der gerichtliche Weg aussichtslos sei, fasst er den Entschluss, zu Fuß von seinem Dorf im südlichen Serbien ins 300 Kilometer entfernte Belgrad zu marschieren und seinen Fall dort persönlich dem Sozialministerium vorzutragen.

Dieser erste, durchaus dramatische Akt von Vater – Otac ist überraschend nüchtern geschildert, scheint aber auch in ein Setting gebettet, das wohl nichts anderes zulassen würde: Nikolas Familie ist schließlich nicht die einzige im südserbischen Dorf Grab, die mit völliger Mittel- und Perspektivlosigkeit konfrontiert ist und die Armut ebenso stoisch bis apathisch erträgt wie den völligen Bedeutungsverlust des sozialistischen Arbeiterdenkmals auf dem Marktplatz im nächstgelegenen Ort. Nichtsdestotrotz lassen der kurze, aber einprägsame Auftritt von Schauspielerin Nada Šargin und Goran Bogdans Darstellung stummer Verzweiflung und Scham sehr schnell mitfühlen und Anteilnahme an Nikolas bevorstehenden Kampf entwickeln.

Der fünftägige Fußmarsch nach Belgrad führt Nikola durch belebte Dörfer, herbstliche Landschaften, vorbei an Fabrikruinen und mitunter zu Menschen, deren Hoffnungslosigkeit sie trotzdem nicht an Hilfsbereitschaft hindert. In unaufdringlichen, aber vielsagenden Bildern zeichnet Regisseur Srdan Golubović ein raues Bild vom gegenwärtigen Serbien, dessen ärmste Bewohner*innen auch am meisten unter unheilvollen Verschränkungen zwischen Bürokratie und Korruption zu leiden haben. Die Idee zu seinem Sozialdrama lieferte ihm leider das wahre Leben: 2015 verlor ein Mann namens Đorđe Joksimović seine beiden kleinen Töchter ans Sozialamt, das die Lebensverhältnisse der Familie für unzureichend befand, und lief anschließend 140 Kilometer zu Fuß nach Belgrad, um öffentliche Aufmerksamkeit für seinen Fall zu erreichen.

Wie Joksimović schafft es auch Nikola tatsächlich bis zum Ministerium vorzudringen. Und obgleich Vater – Otac an keiner Stelle zum emphatischen, inspirationsträchtigen Triumphzug verkommt und auch mit keinem verkürzten Happy End dient, wird der Wandel in Nikola zu einem in seinem Recht und seiner Würde bestärkten Menschen spürbar. Zugleich verdeutlicht dieses bewegende Drama, dass der strapaziöse Fußmarsch aber nur ein erster Schritt im mühsamen Kampf gegen die Entrechtung der Ärmsten sein kann. Niemand weiß das besser als der erwähnte Joksimović, dem das Sorgerecht für seine Töchter schließlich wieder zugesprochen wurde – vor wenigen Monaten, nach einem sechsjährigen Kampf.

Vater - Otac (2020)

Nachdem Nikolas Frau einen Selbstmordversuch unternommen hat, werden dem Gelegenheitsarbeiter seine beiden Kinder weggenommen und bei Pflegeeltern untergebracht, zunächst angeblich vorübergehend. Doch nach einer Begutachtung der Wohnverhältnisse befindet der Leiter des Sozialamts des kleinen serbischen Dorfes, Nikola sei zu arm, um ein angemessenes Lebensumfeld für die Kinder zu gewährleisten. Der zurückhaltende Mann beschließt, eine Beschwerde beim Ministerium für Soziales in Belgrad einzulegen. Die 300 Kilometer dorthin will er zu Fuß zurückzulegen. Er will den Behörden zeigen, wie weit er für seine Kinder zu gehen bereit ist – im wahrsten Sinne des Wortes.

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