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Ein alternder Filmregisseur versucht ein Filmprojekt anzugehen, doch er wird von Dämonen geplagt, die ihn mehr und mehr in Beschlag nehmen. Ein Almodóvar-Déjà-vu?

Tommaso und der Tanz der Geister (2019)

Eine Filmkritik von Joachim Kurz

Im Kampf mit den Dämonen

In seinem neuen Film, dem deutlich autobiografisch angelehnten „Tommaso und der Tanz der Geister“ zeichnet Abel Ferrara das Porträt eines in Rom lebenden Filmregisseurs, der nach überwundener Heroinsucht und der Gründung einer Familie mit der sehr viel jüngeren Moldawierin Nikki (Cristina Chiriac) und der gemeinsamen Tochter Deedee (Anna Ferrara) endlich auch wieder beruflich Boden unter die Füßen bekommen will. Doch das in der Arktis angesiedelte, überaus anspruchsvolle wie aufwändige Projekt, an dem er gerade arbeitet, erweist sich als schwieriges Unterfangen: Die Finanzierung mag nicht so recht gelingen, die Geldgeber scheinen ihm, dessen Karriere ihren Zenith überschritten hat, solch eine Mammutaufgabe nicht mehr zuzutrauen.

Das ist allerdings nicht das einzige Problem, mit dem sich Tommaso herumschlagen muss. Die Ehe mit Nikki erscheint zunehmend problematisch, hat die junge Frau gar einen Liebhaber, wie er in einem Park gesehen zu haben glaubt? Jedenfalls leidet die Beziehung der beiden deutlich unter der gemeinsamen Sorge für Deedee, er versucht Nikki zu bevormunden und fühlt sich zugleich nicht genug geachtet, während seine Frau darauf besteht, auch ein eigenes Leben zu führen und sich nicht ausschließlich um die Tochter und die Launen ihres Mannes zu kümmern. Die regelmäßigen Treffen mit einem Zirkel früherer Suchtkranker zeigen zudem, wie gravierend die Exzesse waren, die Tommaso einst durchlebte und wie fragil seine Existenz auch heute noch ist — selbst wenn er nach außen hin ein scheinbar geordnetes und ruhiges Leben führt. Denn immer wieder widerfahren ihm Dinge, kurze Einschübe und Episoden, die ihn mit der Zeit daran zweifeln lassen, ob wirklich alles in Ordnung ist oder ob der Schutzwall, den er um seine Psyche gebaut hat, nicht langsam bröckelt. Bis sich der Druck schließlich entlädt.

Tommaso und der Tanz der Geister erinnert allenfalls in Ansätzen an die Filme, mit denen Abel Ferrara einst berühmt wurde — vor allem Bad Lieutenant (1992) ist heute längst ein unumstrittener Kultfilm, ebenso wie Die Frau mit der 45er Magnum (1981) oder sein B-Movie-Remake Body Snatchers — Angriff der Körperfresser (1993). Allerdings muss man auch feststellen, dass Ferraras Karriere seit einiger Zeit stagniert bzw. ebenso wie jene seines filmischen Alter Ego Tommaso die goldenen Zeiten vorbei sind.
 

Überhaupt ist es überdeutlich, wie sehr Abel Ferrara mit seinem neuen Werk eine manchmal recht selbstverliebte und dann wieder larmoyante Nabelschau betreibt. Die Rollen von Tommasos Frau und Tochter werden von Ferraras Frau und Tochter gespielt, Willem Dafoe, der hier eine der stärksten Rollen der letzten Jahre abliefert, ist ein enger Freund des Filmemachers, die Wohnung der Familie ist jene Wohnung, in der Ferrara mit Christina Chiriac und der Tochter Anna in Rom lebt. Und dass Ferrara ebenso wie Tommaso Probleme bei der Finanzierung neuer Projekte hat, kann man sich angesichts der Produktionsumstände des Films durchaus bildlich vorstellen. 

Immer wieder gelingen Ferrara starke Szenen — wenn Tommaso etwa wutentbrannt nachts von seiner Wohnung nach unten eilt, um einen Schreihals zur Rede zu stellen und dann dort statt einer Auseinandersetzung das Aufeinandertreffen zweier verlorener Seelen stattfindet, dann ist das auf eine unvermutete Weise sehr berührend. Miniaturen wie diese gibt es zuhauf in Tommaso und der Tanz der Geister - aber eben auch Passagen, in denen man die Larmoyanz von Tommaso und damit ein wenig auch Ferrara selbst doch überdeutlich aufs Auge gedrückt bekommt. Und natürlich drängt sich der Vergleich zu Pedro Almodovars letzten Film Leid & Herrlichkeit förmlich auf, in dem ein anderer Regisseur einen Stellvertreter auf die Leinwand schickt, um das persönliche wie künstlerische Schaffen Revue passieren zu lassen. Mit dem entscheidenden Unterschied, dass der Spanier einen Film mit dem Willen zum großen Epos geschaffen hat, während Ferrara vor allem Alltagsszenen zeigt, die beispielsweise in den Erzählungen von Tommaso auf dem schmalen Grat zwischen Fiktion und Faktizität balancieren. Denn die Suchtkranken, die dort von ihrem Leben und ihren Leiden berichten, sind keine professionellen Schauspieler, sondern Menschen, die aus ihrem wahren Leben berichten — unverblümt, ungeschminkt, schonungslos. Leider kann man das nicht an jeder Stelle von dem gesamten Film behaupten.

Tommaso und der Tanz der Geister (2019)

Abel Ferraras „Tommaso“ erzählt die Geschichte eines amerikanischen Künstlers, der mit seiner Frau Nikki und seiner dreijährigen Tochter Dee Dee in Rom lebt.

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