The 9th Life of Louis Drax

Eine Filmkritik von Silvy Pommerenke

Louis Drax ist ein Pechvogel, wie er im Bilderbuch steht. Mit seinen neun Jahren hatte er schon acht Nahtoderfahrungen, weil er wahlweise von Spinnen gebissen, von Deckenleuchten erschlagen oder er vom Stromschlag verletzt wurde. Jedes Mal ist er aber wie durch ein Wunder wieder gesund geworden. Ein „Unfallkind“, wie er sich selbst bezeichnet. Sein neunter Unfall endet aber tödlich – vorläufig jedenfalls. Denn nachdem er von einer Klippe bei Land’s End ins eiskalte Meer fällt, können die Ärzte nur noch seinen Tod feststellen.
Louis (Aiden Longworth) ist bereits auf dem Weg in die Obduktionshalle, als er doch wieder zu atmen anfängt. Aber so richtig will ihn das Leben nicht zurückhaben, denn der Klippensturz führt ihn ins Koma. Untröstlich über die Situation wird seine Mutter Natalie (Sarah Gadon) von dem einfühlsamen Arzt Dr. Pascale (Jamie Dornan) auf diesem schweren Weg begleitet, und sie gibt die Hoffnung nicht auf, dass Louis wieder gesund wird.

Was nach tragischem Stoff klingt, wird äußerst amüsant dargestellt – jedenfalls zu Beginn. Louis‘ Stimme erzählt aus dem Off (während er als Komapatient im Krankenhaus liegt) einzelne Stationen seines Lebens, und in Rückblenden und stellenweise fantastischen Ausführungen erfährt der Zuschauer immer mehr von dem Leben dieses vorlauten Knirpses, der von seinen Klassenkameraden nur „Psycho“ genannt wird. Bei Gesprächen mit dem Psychiater Dr. Perez (Oliver Platt) kommen aber immer mehr Ungereimtheiten aus dem Leben von Louis ans Licht. Dr. Pascale wird langsam misstrauisch, mittlerweile verdächtigt jeder jeden, und die Polizei ermittelt in alle Richtungen. Denn nicht nur, dass Louis‘ Vater Peter (Aaron Paul) seit dem Unfall spurlos verschwunden ist, sondern es tauchen auch noch ominöse Briefe auf, die Louis‘ Handschrift tragen. Die er aber nicht geschrieben haben kann, da er ja im Koma liegt …

Das 9. Leben des Louis Drax fängt als absurde Komödie an und entwickelt sich im weiteren Verlauf als Psychothriller in Alfred-Hitchcock-Manier mit Ausflügen in das Fantasy-Genre. Was auf den ersten Blick nicht miteinander vereinbar scheint, gelingt dem französischen Regisseur Alexandre Aja mit scheinbar leichter Hand, und er führt den Zuschauer gekonnt durch die vielen unerwarteten Wendungen, knüpft die losen Enden zusammen und spielt meisterlich mit den unterschiedlichsten Genres. Durch diesen Facettenreichtum entsteht wirklich ein außergewöhnlicher Film, der sich in seiner ganzen Dimension erst Stück für Stück entblättert.

Eigentlich wollte Anthony Minghella die Regie zu Das 9. Leben des Louis Drax übernehmen, aber nachdem dieser 2008 gestorben ist, hat sich sein Sohn Sohn Max Minghella des Projektes angenommen und zeichnet sich auch für die Drehbuchadaption verantwortlich. Mit Alexandre Aja hat er einen Regisseur gewonnen, der bereits in Horns seine Vorliebe für Literaturverfilmungen und Genrewechsel innerhalb des Films gezeigt hat. Im Gegensatz zu seinen früheren Filmen verzichtet er allerdings auf exzessive Gewalt und sein Faible für Horrorszenen lässt er nur ganz kurz aufblitzen. Mit der Literaturverfilmung des Bestsellers von Liz Jensen hat er sich keinen leichten Stoff ausgesucht, aber mit Bravour gemeistert. Und auch der schwierige Spagat zwischen Fantasy, Psychothriller und Liebesgeschichte ist ihm wirklich gelungen. Was die Besetzung von Aaron Paul (Breaking Bad), Sarah Gadon (Empörung), Jamie Dornan (Fifty Shades of Grey) und nicht zuletzt des zwölfjährigen Aiden Longworth betrifft, so bewiesen auch hier die Filmemacher ein glückliches Händchen. Gerade für Aaron Paul, der zwangsläufig auf die Rolle des Jesse Pinkman in Breaking Bad festgelegt ist, und Jamie Dornan, der immer mit der Hauptrolle in Fifty Shades of Grey in Verbindung gebracht wird, dürfte Das 9. Leben des Louis Drax eine gute Möglichkeit sein, um sich aus diesen vorgefertigten Rollenbildern zu befreien.

Das Bonusmaterial (kurze Interviews mit den Hauptdarstellern und dem Regisseur) gestaltet sich allerdings etwas dürftig, denn weder sind deutsche Untertitel zu finden, noch ein Making-of. Gerade letzteres wäre aber für den interessierten Cineasten besonders interessant, denn wie die ganzen Special Effects umgesetzt worden sind, das möchte man am Ende des Filmes doch sehr gerne wissen.

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