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In Robert Morgans „Stopmotion“ verliert sich Aisling Franciosi als Animationskünstlerin in ihrer Arbeit, die alsbald blutige Züge annimmt.

Stopmotion (2023)

Eine Filmkritik von Andreas Köhnemann

Work-Life-Death-Balance

Dass insbesondere im Genrebereich einige Filme aus diesem Jahrtausend als schlechter gealtert gelten als diverse moderne Klassiker, die bereits vor vier oder fünf Dekaden gedreht wurden, liegt oft an der Effektarbeit: Während Handgemachtes in Werken wie „Der Exorzist“ (1973), „Der weiße Hai“ (1975), „Tanz der Teufel“ (1981) oder „Nightmare – Mörderische Träume“ (1984) aus heutiger Sicht zwar offenkundig künstlich anmutet, ist es zumeist dennoch weitaus wirkungsvoller als die CGI-Gewitter späterer Produktionen, die schon nach kurzer Zeit völlig überholt daherkommen.

Der 1974 geborene Brite Robert Morgan setzt in seinem Langfilm-Regiedebüt Stopmotion ganz auf selbst erzeugte Spezialeffekte – und thematisiert die mühevolle Arbeit daran zugleich in der Geschichte, die er zusammen mit seinem Co-Autor Robin King erdacht hat. Im Zentrum steht die junge Animationskünstlerin Ella Blake (Aisling Franciosi), der es bisher nicht gelungen ist, aus dem Schatten ihrer renommierten Mutter Suzanne (Stella Gonet) zu treten. Da Suzanne krankheitsbedingt nicht mehr selbst tätig sein kann, soll Ella das geplante letzte Werk ihrer Mutter zum Abschluss bringen.

„She’s the brain, I’m the hands“, erklärt Ella ihrem Freund Tom (Tom York). Die strenge Suzanne sitzt ihr unentwegt im Nacken, um genaue Instruktionen bei jedem einzelnen Arbeitsschritt zu geben. Sie selbst habe keine Stimme, meint Ella. Im ersten Akt ist das Skript etwas zu eindeutig in seiner Figurenzeichnung und in seinen Dialogen. So nennt Suzanne ihre Tochter „poppet“, was einerseits ein britisches Kosewort für Kinder ist, andererseits aber auch wie „puppet“ (zu Deutsch „Marionette“) klingt – als sei Ella einfach nur eine weitere Gestalt, die die alternde Stop-Motion-Meisterin nach ihren eigenen Vorstellungen modellieren könne.

Im weiteren Verlauf werden der Plot und dessen Umsetzung allerdings vielschichtiger. Nachdem Suzanne in eine Klinik eingeliefert wurde, bezieht Ella eine kleine Wohnung in einem Mietshaus. Dort beabsichtigt sie, in Ruhe weiterzuarbeiten. Ein Mädchen (Caoilinn Springall) leistet ihr dabei Gesellschaft – und gibt Tipps, die immer zweifelhafter werden. Rohes Fleisch als Arbeitsmaterial? Etwas Totes aus dem Wald als Gestaltungsgrundlage? Diese Abzweigungen ins Düstere sind erst der Anfang.

Die Darstellung von zunehmender Isolation und von einem drohenden Realitätsverlust, die einer Frau in einem heruntergekommenen Apartment widerfahren, lassen an Roman Polańskis Psychothriller Ekel (1965) denken. Auch in Stopmotion ist es vor allem das intensive Schauspiel in der Hauptrolle, das dem Ganzen die nötige Wucht verleiht: Die Irin Aisling Franciosi, die schon in Jennifer Kents Rache-Western The Nightingale (2018) einen tiefen Eindruck hinterließ, wirft sich furchtlos in diese Rolle, die mehr und mehr außer Kontrolle gerät. Bereits die erste Einstellung zeigt das Potenzial der Schauspielerin, wenn Ella unter Stroboskoplicht in einem Nachtclub tanzt und dabei bei jedem Flackern einen anderen, häufig ziemlich beängstigenden Gesichtsausdruck präsentiert.

Die Kamera von Léo Hinstin, der unter anderem Bertrand Bonellos Nocturama (2016) fotografierte, findet ungewöhnliche Perspektiven, um die klaustrophobische Stimmung einzufangen; die Geräuschkulisse und die sehr plastischen Splatter-Einlagen unterstützen die unangenehme Spannung perfekt. Die titelgebende Tricktechnik und das verstörende Live-Action-Drama gehen eine faszinierende Symbiose ein, bis die beiden Welten schließlich untrennbar miteinander verwoben sind.

Stopmotion (2023)

Mutter Suzanne und Tochter Ella arbeiten gemeinsam an einem Projekt, einem Stop-Motion-Film mit gruseligen Miniatur-Knetfiguren. Suzanne dirigiert mit strenger Hand. Nachdem ihre Mutter ins Koma fällt, will Ella den Kurzfilm alleine fertigstellen. Der Perfektionismus der Mutter, der immer noch auf ihren Schultern lastet, erschwert das Arbeiten. Ella droht am Druck zu zerbrechen. Dann die rettende Idee: der Ashman, ein Boogyman aus rohem Fleisch! Ein genialer Einfall oder das erste Anzeichen von Wahnsinn? (Quelle: Hard:Line Film Festival)

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