Sing Your Song

Eine Filmkritik von Joachim Kurz

Folge deiner eigenen Melodie

Den Banana Boat Song kennt jeder, der in den Fünfzigern oder Sechzigern des vergangenen Jahrhunderts aufgewachsen ist. Mit ihm wurde Harry Belafonte, 1927 in Harlem, New York als Sohn karibischer Einwanderer (sein Vater stammte von der Insel Martinique, seine Mutter aus Jamaika) geboren, weltberühmt. Was folgte, war eine Karriere, die für die damaligen Verhältnisse mehr als erstaunlich war und die auch heute noch fasziniert, weil sie Zeugnis davon ablegt, wie sehr Belafonte ein Kind seiner Zeit war und wie sehr sich in seinem Leben der gesellschaftliche Wandel in den USA widerspiegelt. Denn als seine Karriere begann, war er einer der ersten farbigen Stars der US-Showbranche, der die Barrieren der Rassentrennung niederreißen konnte. Insgesamt hat Belafonte mehr als 100 Mio. Schallplatten verkauft und in mehr als 40 Filmen mitgewirkt – auch heute noch sind dies Zahlen und Fakten die erstaunen.
Noch faszinierender ist freilich Belafontes Karriere jenseits der Showbühne, denn der Sänger erfuhr trotz seines Ruhmes all die Benachteiligungen, denen dunkelhäutige Männer, Frauen und Kinder überall in den USA ausgesetzt waren. Seit 1956, dem Jahr seines endgültigen musikalischen Durchbruchs mit dem Banana Boat Song, war Belafonte eng befreundet mit dem Bürgerrechtler Martin Luther King, später engagierte er sich gegen den Vietnam-Krieg, das Apartheid-Regime in Südafrika und war der Initiator des Projekts We are the world, bei dem er wie so häufig bescheiden im Hintergrund blieb.

Auch heute noch fällt es schwer, sich dem Charisma Belafontes zu entziehen. In den zahlreichen Interviews und Auftritten, die anlässlich des 85. Geburtstages des Vollblut-Entertainers viele Zeitungen und Fernsehbeiträge füllten, kann man sich von der beeindruckenden Persönlichkeit des stets freundlichen Mannes, der wie kein zweiter noch Lebender in den USA den Kampf gegen Diskriminierung und gesellschaftliche Ungerechtigkeit verkörpert, ein gutes Bild machen. Auch die Regisseurin Susanne Rostock, die für Sing Your Song bereits beim Sundance Filmfestival gefeiert wurde, ist dieser Faszination teilweise erlegen – doch wer kann es ihr verdenken?

Die manchmal fehlende Distanz Rostocks zum Porträtierten merkt man vor allem daran, dass die Schattenseiten Belafontes – ja, auch ein Weltstar und Menschenrechtsaktivist wie er verfügt über diese – allenfalls am Rande und in Zwischensätzen geäußert werden und die Filmemacherin diesen Klagen (wie etwa jener von Belafontes Sohn Harry Jr.) nicht weiter nachgeht. Und dringt man noch ein wenig weiter vor, dann mag man sich auch daran stören, dass des Sängers eigenes Unternehmen Belafonte Productions hier als Produzent fungierte. Das sorgt dann doch für ein klein wenig Irritation in einer ansonsten überwiegend gelungenen und vor allem bewegenden Hommage an einen wundervollen Sänger und noch beeindruckenderen Mann, dessen kleine Fehler und menschliche Schwächen für eine ausgewogene Darstellung freilich ein wenig zu kurz kommen.

Ein Weltstar wie Harry Belafonte hätte solch eine vorauseilende Rücksichtnahme vermutlich gar nicht nötig gehabt – denn wahre Stärke zeigt vor allem derjenige, der Souveränität auch im Umgang mit seinen Makeln beweist: Dass Belafonte dazu in der Lage ist, daran besteht kein Zweifel. Ein klein wenig bedauert man es schon, dass Sing Your Song zumindest in dieser Hinsicht mit der Zivilcourage des Sängers nicht immer Schritt halten kann. Woran man wieder einmal merkt, dass es manchmal gar nicht so leicht ist, seiner eigenen Melodie des Herzens zu folgen. Dennoch ist Susanne Rostocks 98-minütiger Dokumentarfilm das sehenswerte Zeugnis eines Mannes, der zu den wenigen echten Superstars unserer Zeit zählt. Und zwar auch deshalb, weil er trotz seines Erfolges nicht vergessen hat, dass es Dinge gibt im Leben, die wichtiger sind als aller Ruhm und alles Geld der Welt.

Sing Your Song

Den „Banana Boat Song“ kennt jeder, der in den Fünfzigern oder Sechzigern des vergangenen Jahrhunderts aufgewachsen ist. Mit ihm wurde Harry Belafonte, 1927 in Harlem, New York als Sohn karibischer Einwanderer (sein Vater stammte von der Insel Martinique, seine Mutter aus Jamaika) geboren, weltberühmt. Was folgte, war eine Karriere, die für die damaligen Verhältnisse mehr als erstaunlich war und die auch heute noch fasziniert, weil sie Zeugnis davon ablegt, wie sehr Belafonte ein Kind seiner Zeit war und wie sehr sich in seinem Leben der gesellschaftliche Wandel in den USA widerspiegelt.
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Meinungen

Irmi Rapp · 06.05.2012

Dieser Film hat nicht nur mich stark beeindruckt und bewegt, sondern die ganze Kino Audienz
blieb unbewegt und ganz still sitzen bis der allerletzte Namen vom Abspann gezeigt war.
Erst danach erhob sich der eine oder andere von seinem Platz, so etwas hatte ich zuvor noch nie erlebt im Kino. Diesen Film werde ich mir nochmal ansehen.

Gabriele Koehler · 06.05.2012

Einfach nur überwältigent. Ich werde ihn mir nochmal ansehen.