Nairobi Half Life

Eine Filmkritik von Sonja Hartl

Von einem, der auszog, das Leben kennenzulernen

Der freundliche Mwas (Joseph Wairimu) lebt in einem Dorf in Kenia und verdient sich sein Geld, indem er illegale Kopien von Filmen verkauft – und seinen Kunden ungefragt die besten Szenen vorspielt. Insgeheim träumt er davon, Schauspieler zu werden. Als eines Tages eine Theatergruppe bei ihnen ein Gastspiel hat, nutzt er seine Chance und bekommt gegen Bezahlung den Rat, es in Nairobi am Theater zu versuchen. Also leiht sich Mwas Geld von dem örtlichen Gangster – und lernt in Nairobi sehr schnell die harten Seiten des Lebens kennen: Er wird ausgeraubt und landet im Gefängnis. Hier begegnet ihm der Bandenführer Oti (Olwenya Maina), der ihm eine Überlebenschance bietet: als Kleingangster in Nairobi, der gleichzeitig versucht, Schauspieler zu werden.
Die Handlung von Nairobi Half Life ist einfach und in weiten Teilen vorhersehbar. Aber Regisseur Tosh Gitonga nutzt diese simple Fabel, um ein ernüchterndes Bild von dem Alltag in Nairobi zu zeichnen. Viele Menschen kommen hierher, um ihr Glück zu suchen und finden sich als Kleinkriminelle oder Prostituierte wieder. Manche geben die Hoffnung auf ein besseres Leben nicht auf, andere akzeptieren das allgegenwärtige Verbrechen, die Gewalt, die Korruption und die Gegensätze zwischen Reich und Arm nahezu gleichgültig als Teil ihres Alltags. Dieser sozialen Härte, die oftmals in einer deutlichen Bildsprache fernab westlicher Klischees vom Leben im Slum gezeigt wird, stellt der Film allerhand Lacher gegenüber. Ohnehin gewinnt der liebenswerte und naive Mwas mühelos die Sympathien der Zuschauer, so dass man an seinem Schicksal Anteil nimmt. Daher bleibt der Film trotz seiner Vorhersehbarkeit unterhaltsam und kurzweilig.

Fast spannender als der Film ist die Geschichte hinter Nairobi Half Life. Er entstand als Ergebnis eines Workshops, den Tom Tykwer und seine Ehefrau Marie Steinmann mit ihrer Produktionsfirma One Fine Day Films und der Deutschen Welle Akademie in Nairobi veranstalteten. Hier wurden 57 Talente aus ganz Afrika in den Bereichen Drehbuch, Regie, Kamera, Produktion, Szenenbild, Tongestaltung, Schnitt und Schauspiel zwei Wochen lang von Mentoren begleitet und am Ende wurden die Teilnehmer ausgewählt, die den Langfilm Nairobi Half Life drehen durften. Hierfür stand Regisseur Tosh Gitonga bei seinem ersten Spielfilm drei Wochen für die Vor-Produktion und insgesamt vier Wochen Drehzeit zur Verfügung – und in diesem knappen Zeitraum hat er sehr viel geleistet. Sicherlich ist es den Szenen bisweilen anzusehen, dass Zeit und Budget knapp waren. So schauen beispielsweise Passanten auf der Straße offensichtlich in die Kamera und auch Mwas Überfall ist sehr schnell geschnitten. Aber Nairobi Half Life besticht trotz seiner märchenhaften Geschichte durch Authentizität. So betonte auch Tosh Gitonga, dass sich die meisten Kenianer in dem Film wiederfinden und ihn bestätigend kommentierten.

Für Kenia ist dieser Film ein großer Erfolg, der bereits seit acht Wochen in den kenianischen Kinos läuft und als Beitrag zum Auslandsoscar eingereicht wurde. Er kann dazu beitragen, in Kenia eine Filmindustrie zu ermöglichen, die das Land bisher – im Gegensatz zu Nigeria – nicht hat. Noch werden kenianische Filme oft in einen oder zwei Tagen gedreht, nur wenige kommen ins Fernsehen, die meisten werden direkt auf CD gebrannt und von Händlern auf der Straße verkauft. Diese Riverwood-Filme, benannt nach der Straße River Road, auf der die meisten entstehen, zeugen von kreativem Potential, aber bisher fehlt eine professionelle Infrastruktur, die die Entstehung der Filme begleitet. Und hierzu leistet One Fine Day Films einen unterstützungswerten Beitrag.

Nairobi Half Life

Der freundliche Mwas (Joseph Wairimu) lebt in einem Dorf in Kenia und verdient sich sein Geld, indem er illegale Kopien von Filmen verkauft – und seinen Kunden ungefragt die besten Szenen vorspielt. Insgeheim träumt er davon, Schauspieler zu werden. Als eines Tages eine Theatergruppe bei ihnen ein Gastspiel hat, nutzt er seine Chance und bekommt gegen Bezahlung den Rat, es in Nairobi am Theater zu versuchen.
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