The Good Lie - Der Preis der Freiheit (2014)

Eine Filmkritik von Falk Straub

In einem fernen Land

Afrika – ein Kontinent der Krisenherde. Einer davon ist der Südsudan, der nach jahrzehntelangen Auseinandersetzungen 2011 seine Unabhängigkeit erlangte. The Good Lie erzählt ein Kapitel daraus, voller Schmerz, Vertreibung, aber auch voller Hoffnung.

Die Propeller der zweimotorigen Maschine dröhnen schon, als sich Mamere (Arnold Oceng) auf dem Rollfeld des Flughafens noch einmal umblickt. „Vergesst uns nicht in Amerika!“, ruft ihm ein Zaungast nach, der im Flüchtlingslager zurückbleibt. Mamere und dessen Geschwister haben zu diesem Zeitpunkt bereits eine Odyssee hinter sich und ahnen noch nicht, dass ihnen im Land der unbegrenzten Möglichkeiten die nächste bevorsteht.

The Good Lie liegt ein historisches Ereignis zugrunde. Als der Unabhängigkeitskrieg im Südsudan 1983 nach elf Jahren ruhender Waffen erneut ausbricht, beraubt er Tausende Kinder ihrer Eltern. Zu Fuß fliehen sie nach Osten, über Äthiopien bis nach Kenia. Anfang des neuen Jahrtausends nehmen die USA 3600 dieser Waisen auf. Regisseur Philippe Falardeau erzählt ihre Geschichte exemplarisch durch Mameres Augen. Zu Beginn des Films sind der Protagonist und seine leibliche Schwester Abital (Kuoth Wiel) sowie die Brüder Jeremiah (Ger Duany) und Paul (Emmanuel Jal) bereits seit 13 Jahren im kenianischen Flüchtlingslager Kakuma gestrandet. Falardeau nimmt sich mehr als eine halbe Stunde Zeit, den Weg dorthin und das Leben im Lager zu zeigen. Großartig fotografierte Landschaftsaufnahmen wechseln sich mit einprägsamen Bildern von Hunger, Durst und Waffengewalt ab, wenn etwa Dutzende Leichen in einem Fluss an den Kindern vorbeitreiben. Ronald Plantes Kamera bewegt sich in diesen bewegenden Momenten zwar stärker, bewahrt aber auch in unruhigen Situationen die Ruhe. Falardeaus gemächliches Erzähltempo trägt viel dazu bei, sich in die Lage der Protagonisten hineinzuversetzen. Das gemeinsame Schicksal hat sie zusammengeschweißt, zu einer Ersatzfamilie gemacht.

In den USA erwartet die vier die erste Zerreißprobe. Die drei jungen Männer kommen im Mittleren Westen in Kansas City unter. Ihre Schwester Abital verschlägt es an die Ostküste nach Boston. Zum ersten Mal nach über einem Jahrzehnt ist die Gruppe getrennt. Die Erzählung folgt fortan den drei jungen Männern und zeigt deren Konflikte. Paul macht Mamere Vorwürfe, nicht genug gegen die Trennung von Abital unternommen zu haben. Als ältester ist Mamere ihr Anführer. Ein Denken, das noch aus ihrer Stammes- und Dorfkultur herrührt und das sie vor manche Herausforderung stellt. Denn die USA sind in erster Linie ein Kulturschock – im Privaten wie im Berufsleben. In ihrem Dorf hatten die Flüchtlinge weder fließend Wasser noch Strom. Nun sind sie in einer Gesellschaft gelandet, die Lebensmittel einfach wegwirft, wenn sie ihr Verfallsdatum überschritten haben.

Als Kompass durch diese fremde Kultur dient den drei Männern Carrie Davis (Resse Witherspoon). Die Angestellte einer Arbeitsagentur sollte den Neuankömmlingen eigentlich nur einen Job vermitteln, wird aber unfreiwillig zur Helferin in allen Lebenslagen. Im Umgang mit der alleinstehenden Frau kommt es zu Missverständnissen. Kleine comic reliefs angesichts der unverarbeiteten traumatischen Erlebnisse, die sich in kurzen Erinnerungsfetzen immer wieder auf die aktuelle Erzählebene schleichen. So beglückwünscht Mamere Carrie etwa zu ihren „Überlebenskünsten“ angesichts der Tatsache, dass sie sich selbst ernährt oder wünscht ihr einen Ehemann, um ihr leeres Haus zu füllen.

Obwohl es in Carries Leben dafür zahlreiche Kandidaten gibt, kommt die selbstbewusste, aber etwas unorganisierte Frau auch weiterhin gut ohne Mann zurecht. Ein großes Plus des Films, der erfreulicherweise auf überflüssige Romanzen verzichtet und trotz des Zugpferds Reese Witherspoon den Großteil der Handlung seinen unbekannten Gesichtern überlässt. Die einzige Liebesbeziehung bleibt die zwischen den vier Protagonisten, die Philippe Falardeau mit kleinen Momenten statt großer Geste, einfühlsam, jedoch nie rührselig inszeniert. Selbst das Opfer, das Mamere erbringt, als die Handlung des Films eine unverhoffte Wendung nimmt, wirkt nicht pathetisch, sondern selbstlos – und trägt die Auflösung des rätselhaften Filmtitels in sich.
 

The Good Lie - Der Preis der Freiheit (2014)

Afrika – ein Kontinent der Krisenherde. Einer davon ist der Südsudan, der nach jahrzehntelangen Auseinandersetzungen 2011 seine Unabhängigkeit erlangte. „The Good Lie“ erzählt ein Kapitel daraus, voller Schmerz, Vertreibung, aber auch voller Hoffnung.

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