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In „Nur eine Nacht in Tel Aviv“ von Malte Wirtz beobachten wir drei junge Menschen beim Wechselspiel zwischen Anziehung und Abstoßung.

Nur eine Nacht in Tel Aviv (2023)

Eine Filmkritik von Andreas Köhnemann

Durch die urbane Dunkelheit

Für sein letztes Werk „Digital Life“ (2022) hatte der 1979 in Marburg geborene Filmemacher Malte Wirtz („Voll Paula!“) ein sogenanntes Zogma Manifesto verfasst, das (ähnlich wie das 1995 unterzeichnete Manifest Dogma 95) eine Reihe von Regeln zur filmischen Umsetzung enthielt. In seinen Low-Budget-Produktionen, die er stets im Eigenverleih herausbringt, lässt sich Wirtz gerne auf Experimente ein – indem er etwa eine biblische Erzählung als modernen Stummfilm inszeniert („Geschlechterkrise“) oder eine im Königsforst angesiedelte Grusel-Story in Found-Footage-Manier dreht („Das Böse im Wald“).

Seine nun im Kino startende Arbeit Nur eine Nacht in Tel Aviv entstand bereits kurz bevor die Corona-Pandemie ins öffentliche Bewusstsein drang. Die Gespräche zwischen den Figuren finden daher überwiegend nicht, wie in Digital Life, über Videocalls statt, sondern beim Schlendern durch die Straßen der titelgebenden israelischen Stadt an der Mittelmeerküste.

Der Protagonist Ben (Eytan Litt) hat nur noch wenige Stunden in Tel Aviv, ehe er abreist. Diese Zeit will er mit seinem Kumpel Avi (Elliott Leigh Tucker) verbringen, der sich gerade mit seiner aus Russland stammenden Freundin Ana (Ellie Vasserman) gestritten hat. In Zweier- und Dreierkonstellationen verfolgen wir die Diskussionen zwischen den Figuren. Immer wieder spielen sich kleinere und größere Dramen ab. Ist Ben neben dem (Ex-)Paar vielleicht das fünfte Rad am Wagen? Oder entwickelt sich da eventuell etwas Emotionales zwischen Ben und Ana? Stört Ana womöglich beim gelassenen Männerabend? Oder sollten Ben, Avi und Ana ganz einfach die Zeit als freundschaftliches oder auch amouröses Trio genießen, ohne dabei allzu viel nachzudenken und alles endlos zu zerreden?

Die drei Personen, die die Handkamera von Chen Wagshall in Nur eine Nacht in Tel Aviv durch die späten Stunden einer dennoch recht belebten Stadt begleitet, sind nicht zwangsläufig supersympathisch. Sie muten eher wie Leute an, denen wir beim Ausgehen zufällig begegnen und deren (Mini-)Konflikte wir nebenbei (heimlich) mitbekommen könnten. So philosophisch wie etwa Jesse und Céline (Ethan Hawke und Julie Delpy) in Richard Linklaters Quassel-Tragikomödie Before Sunrise (1995) und deren Sequels sind Ben, Avi und Ana gewiss nicht unterwegs.

Vielmehr sind es banal-alltägliche Irritationen, die wiederholt dazu führen, dass die Harmonie prompt zerstört wird. Das Gefühl, sich in einer leicht alkoholisierten und verqualmten Nacht im Kreis zu drehen, wird dadurch treffend eingefangen. Das macht dieses Werk nicht unbedingt zu einem spannungsgeladenen Spektakel, aber zu einem stimmungsvollen Nachtschwärmer:innen-Porträt. Da darf dann zum Schluss auch gerne selbstvergessen im Freien getanzt werden.

Dem Hauptfilm geht noch ein Vorprogramm voraus, das unter anderem aus dem dokumentarischen 15-Minüter Actors on German Film und einem kurzen Super-8-Werk über einen Mann, der extreme Angst vor der Farbe Rosa hat, besteht. All das unterstreicht noch einmal Wirtz’ Freude am Experimentellen.

Nur eine Nacht in Tel Aviv (2023)

Avi, Ben und Ana treffen sich in Tel Aviv, um dort eine letzte gemeinsame Nacht zu verbringen.

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