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In Lorcan Finnegans „Nocebo“ wird Eva Green ins Verderben geworfen – in einem stimmigen Mix aus Drama und monströsem Grusel.

Nocebo (2022)

Eine Filmkritik von Andreas Köhnemann

Design for Living (and Dying)

Christine (Eva Green) ist im Modebusiness. Sie präsentiert gerade ihre neue Kinderkollektion, als zunächst ein Anruf mit einer schlechten Nachricht und kurz darauf die Attacke eines mit Zecken übersäten Straßenhundes ihr perfekt erscheinendes Leben zum Einsturz bringen. Noch Monate später leidet Christine unter einer Krankheit, die sie sowohl physisch als auch psychisch schwer belastet. Und dann steht plötzlich Diana (Chai Fonacier) vor der Tür, um ihre Stelle als Haushaltshilfe anzutreten. Doch hat Christine die junge Frau überhaupt jemals engagiert? Christines Ehemann Felix (Mark Strong) und die gemeinsame kleine Tochter Bobs (Billie Gadsdon) sind äußerst skeptisch.

Bereits in Without Name (2016) und Vivarium (2019) haben der Regisseur Lorcan Finnegan und der Drehbuchautor Garret Shanley ihre Hauptfiguren durch fiese Albträume gejagt. In Nocebo ergeht es der Protagonistin nicht besser. Und abermals wirft uns das Duo in eine zuweilen surreal anmutende Welt, in der wir uns nie sicher sein können, was hier tatsächlich oder womöglich nur in der Fantasie, in erschreckenden Halluzinationen geschieht. Schon der Angriff des Zombie-artigen Hundes zu Beginn wirft Fragen auf – und spätestens mit dem Eintreffen der undurchsichtigen Diana sind Wahn und Wirklichkeit immer unklarer voneinander zu unterscheiden.

In erster Linie ist Nocebo das Duell zweier Frauen, dessen Regeln bis zum Finale weder uns noch Christine bekannt sind. Eva Green legt dabei eine beeindruckende Hingabe an den Tag. Christine wirkt kühl, kämpft indes zunehmend mit der Hitze des Höllenfeuers. Wie einem Menschen, der gänzlich auf Erfolg und äußerlichen Glanz ausgerichtet ist, nach und nach die Kontrolle entgleitet – das spielt Green mit genau der richtigen Mischung aus Schonungslosigkeit und sardonischer Ironie. Die noch größere Sensation ist wiederum Chai Fonacier, die in ihrer Rolle als Diana als Eindringling in das hübsche Heim von Christine, Felix und Bobs kommt und dabei geschickt zwischen Schurkin und heimlicher Heldin changiert. In Rückblenden sehen wir Diana in ihrer philippinischen Heimat mit ihrer Tochter; erst allmählich begreifen wir ihre Hintergrundgeschichte.

Wenn sich Diana im Haushalt der Familie nützlich macht und dabei rasch Grenzen überschreitet, lässt dies an Werke wie Parasite (2019) denken. Ein umfassendes, komplexes Gesellschaftsbild streben Finnegan und Shanley in Nocebo nicht an; das Thema der sozialen Ungleichheit wird allerdings mit den Mitteln des Genrefilms ebenfalls gekonnt verhandelt. Wenn garstige Monsterzecken und groteske Spezialeffekte auf menschliche Abgründe und hervorragendes Schauspiel treffen, werden Erinnerungen an ähnlich unkonventionelle Mischungen aus Horror- und Kunstkino wie Andrzej Żuławskis Possession (1981), David Cronenbergs Die Fliege (1986) oder Brandon Cronenbergs Possessor (2020) wach.

Der aktuelle Bezug, der hinter Christines Niedergang steckt, hat dabei ebenso wenig etwas Selbstzweckhaftes wie der verstörende Body-Horror. Vielmehr geht hier alles eine zwingende Symbiose ein, die auch dank der Kameraarbeit von Jakub Kijowski und Radek Ladczuk sowie der Musik von Jose Buencamino enorme Spannung erzeugt und bis zum rabiaten Ende für sich einzunehmen vermag.

Nocebo (2022)

Die ehrgeizige Christine stellt gerade ihre neueste Modekollektion vor. Als die Designerin für einen Anruf hastig den Saal verlässt, springt wie aus dem Nichts ein räudiger Hund auf sie zu und übersät sie mit Zecken – geschockt bricht sie zusammen. Monate später: Seit der Attacke leidet Christine an einer mysteriösen Krankheit, die sie schwach und mit Gedächtnislücken zurücklässt. Als eines Tages Diana vor der Tür steht, kann sie sich nicht daran erinnern, sie als Haushaltshilfe eingestellt zu haben, nimmt die resolute Filipina aber auf. Bald macht sich Diana bei der Familie unentbehrlich, vor allem wegen ihrer wundersamen Heilkunstrituale, nach denen Christine wie ausgewechselt ist. Doch je intensiver die beiden Frauen eine Symbiose eingehen, umso unheimlicher brodelt es unter der Oberfläche. Was hat Diana zu verbergen?

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