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Zwei Jungs, ein Sommer und eine abenteuerliche Suche – darum geht es in André Hörmanns erstem abendfüllenden Spielfilm. Was sie am Ende finden, wird sie ihr Leben lang begleiten.

Nachtwald - Das Abenteuer beginnt! (2021)

Eine Filmkritik von Falk Straub

Das Geheimnis eines Sommers

Für seinen ersten abendfüllenden Spielfilm ist Regisseur André Hörmann in die Heimat seines Vaters gereist und hat sich auf die Suche nach einem Gefühl aus seiner Jugend gemacht. Am Ende hat er es nicht nur gefunden, sondern auch einen sehenswerten Film über Freundschaft gedreht.

Gibt es für Kinder etwas Schöneres als die Sommerferien? Zumindest für diese zwei. Denn als die schulfreie Zeit in einem Bilderbuchstädtchen auf der Schwäbischen Alb anbricht, blasen Paul Haller (Levi Eisenblätter) und sein bester Freund Max (Jonas Oeßel) Trübsal. Seiner schlechten Noten wegen wurde Max nahegelegt, die Schule zu wechseln. Und Paul ist mit seinen Gedanken sowieso ständig woanders. Seit sein Vater Thomas (Marc Limpach) vor einem Jahr spurlos verschwand, zerbricht Paul sich den Kopf, wie er ihn wiederfinden könnte. Welch besseren Zeitraum gäbe es dafür als die Sommerferien? Eilig ein paar Sachen in den Rucksack gestopft und mit Thomas‘ Aufzeichnungen unter dem Arm, stehlen sich die Jungs davon. Das Abenteuer beginnt …

Pauls Vater Thomas ist Akademiker und fest davon überzeugt, dass sich in den umliegenden Bergen die größte unentdeckte Höhle Deutschlands verbirgt. Die Beweise dafür findet er in einer uralten Sage. Für sein Umfeld ist der „verrückte Professor“ vor allem eine Herausforderung. Unter einer bipolaren Störung leidend, machen die Hochphasen Spaß, etwa dann, wenn der Vater mit dem Sohn im Geländewagen über Stock und Stein brettert und unter Sternenhimmel übernachtet. Meist sind sie jedoch hochnotpeinlich, etwa dann, wenn der Vater im Bademantel vor dem Gemeinderat aufkreuzt, um den Bürgermeister von seinen Theorien zu überzeugen. Von den Tiefs ganz zu schweigen, die jeder im Ort und selbst Pauls Mutter Sabine (Meike Droste), ohne es freilich auszusprechen, für das Verschwinden ursächlich hält.

Nachtwald ist ein Herzensprojekt. Der Vater des Regisseurs André Hörmann stammt von der Schwäbischen Alb. Hier ist Hörmann in jungen Jahren über Berge gekraxelt und in Höhlen hinabgestiegen. „Diese Unbeschwertheit, das Abenteuer und das wohlige Schaudern habe ich seither stets gesucht, aber nie wiedergefunden“, sagt der Filmemacher, dessen großer Wunsch es war, „diese Gefühle auf die Kinoleinwand zu bringen“. Zu großen Teilen ist ihm das gelungen. Denn Hörmann weiß, wie man die Natur so in Szene setzt, dass sie ein wohliges Schaudern auslöst.

Nachtwald ist Hörmanns erster abendfüllender Spielfilm. Bislang realisierte der 1975 in Bremen geborene Regisseur Dokumentarfilme fürs Kino und fürs Fernsehen. In einigen und zuletzt in Mahendra Highway (2021) spielen Landschaften eine zentrale Rolle. Auch in Nachtwald haben die Berge und Wälder, die Bäche, Flüsse und Wasserfälle neben Levi Eisenblätter und Jonas Oeßel die dritte Hauptrolle übernommen. Sie geben die perfekte Kulisse für verspielte Rangeleien im feuchten Gras, für mutige Kletterpartien an nassen Felswänden und für urige Nächte unter dichtem Blätterwerk ab. Es geht aber nicht nur um das Wiederfinden eines Gefühls, sondern natürlich auch um Freundschaft und ums Erwachsenwerden.

Paul und Max sind Außenseiter. Der eine wird wegen seines Vaters, der andere wegen seines Übergewichts gemobbt. Das schweißt zusammen, stellt ihre Freundschaft aber auch auf die Probe. Und bringt die Jungs auf kreative Gedanken, dem Mobbing zu begegnen. Wie bei den meisten Jugendlichen kreist auch ihre Freizeit um Popkultur. Sie lieben Sternenkrieger und Indiana Jones und geben sich ironisch gebrochene Superheldennamen: Fatboy und Crazy Kid. Gemeinsam ziehen diese zwei Heroen der etwas anderen Art aus, um gleich mehrere Geheimnisse zu lüften.

Diese abenteuerliche Reise funktioniert, weil die Chemie zwischen den zwei Hauptdarstellern stimmt. Auch wenn Levi Eisenblätter und Jonas Oeßel zwischendurch an ihre schauspielerischen Grenzen geraten und die Handlung, die Hörmann gemeinsam mit Katrin Milhahn geschrieben hat, manche Länge aufweist, ist Nachtwald sehenswert – und bei aller jugendlichen Fantasie am Ende realistisch und dramatisch. Gibt es für Kinder etwas Schöneres als die Sommerferien? Dieser Sommer dürfte für Paul und Max zumindest schwer zu toppen sein.

Nachtwald - Das Abenteuer beginnt! (2021)

Für fantasiebegabte Menschen wie Pauls Vater scheint es in der Gesellschaft nur wenig Platz zu geben. Als er von alten Aufzeichnungen über eine sagenumwobene Höhle erzählte, hielten ihn die Leute für einen Spinner. Doch vor über einem Jahr kam er von einer Expedition nicht zurück: Hat er die Höhle gefunden und ist dabei verunglückt? Paul kann das Verschwinden seines Vaters nur schwer verkraften. Immer wieder denkt er daran, was ihm sein Vater sagte: „Man muss so viel träumen, wie man nur kann. Wie sollen sonst die ganzen tollen und weltverändernden Dinge Wirklichkeit werden, wenn niemand es wagt, sie sich vorzustellen?“ In den Ferien beschließt Paul, mit seinem besten Freund Max die Höhle zu suchen. Für beide beginnt der Sommer ihres Lebens.

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